Protocol of the Session on April 24, 2018

statt einmal das zu betonen, was anschließend übrig bleibt, nämlich die Gemeinsamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich erinnere mich dunkel, dass diese Koalition vor vier Jahren einmal angetreten war mit dem Anspruch: Wir wollen ein bisschen Schulfrieden oder so etwas organisieren. – Dann wäre es doch sinnvoll, dass man sich jetzt, nachdem ein wenig Vertrauen gewachsen ist, einmal an dem orientiert, was in der sachlichen Arbeit über vier Jahre gefunden wurde, und dass man nicht gleich nach Möglichkeiten sucht, wo man sich denn abgrenzen kann und wo man Zwietracht zwischen die Fraktionen tragen kann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage das sehr deutlich: Gerade die Diskussionen in den Redaktionssitzungen waren jedenfalls meistens von einer konstruktiven Stimmung aller Beteiligten geprägt. So ist es

an vielen Stellen gelungen, Kompromisse zu finden mit dem Ziel, die beste Bildung der Kinder und Jugendlichen in den Blick zu nehmen und zu ermöglichen.

Zentral ist die Feststellung, die sich über mehrere Themengebiete erstreckt, dass Schule heute mehr denn je auf multiprofessionelle Teams und auf flexible, bedarfsgerechte Lösungsmöglichkeiten bauen muss, die sich an den tatsächlichen Bedarfen der Schülerinnen und Schüler orientieren. Förderung und Unterstützung müssen von Beginn an erfolgen, sodass die Chancengerechtigkeit im Vordergrund steht und wir optimale Startchancen für alle ermöglichen können. Deshalb betone ich das Thema, das uns in dieser Plenarrunde noch ein bisschen mehr beschäftigen wird, nämlich den Ausbau und die Qualität frühkindlicher Bildung. Das ist der Schlüssel zu allem. Das ist der Schlüssel zur Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wegen der Komplexität dieser Themen war es auch richtig, in anderen Ressorts zu wildern. Wir haben das durchaus getan, wenn man von dem schulischen Bereich ausgeht und wir die Themenbereiche frühkindliche Bildung und Erziehung, Sprachförderung hinzunehmen. Der zuständige Minister ist nicht da. Auch er sollte da einiges nachlesen. Bei dem Thema Beschulung von Flüchtlingen bis hin zu Themen wie Schulversagen oder Übergang von Schule zu Beruf, Anforderungen an Berufsqualifizierungen und Integration ins Erwerbsleben gibt es zahlreiche Schnittpunkte zum Sozial- bzw. Wirtschaftsressort. Auch die interessieren sich nicht für unsere Debatte. Aber auch da sei die Lektüre des Berichts empfohlen; denn es zeigt sich – und das gilt für alle diese Bereiche –, dass ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen notwendig ist, wenn man sich der Herausforderungen tatsächlich in der Praxis annehmen möchte.

(Beifall bei der FDP)

Das wurde in einem anderen Zusammenhang schon einmal angesprochen: Da helfen nicht die vielen Hochglanzbroschüren, die jetzt mit viel Aufwand produziert und auf den Markt geworfen werden. Vielmehr muss man da inhaltlich arbeiten. Dazu bietet der Bericht der Enquetekommission einen guten Ansatz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend exemplarisch auf zwei besondere Themenfelder eingehen.

Erstens halte ich es für einen großen Erfolg, dass sich die Enquetekommission beispielsweise beim Thema Beschulung von Flüchtlingen auf die gemeinsame Feststellung verständigen konnte – ich zitiere wörtlich –:

Der Erfolg der Beschulung von jungen Flüchtlingen hängt entscheidend davon ab, inwieweit das ganze System der Beschulung und weiteren Ausbildung flexibilisiert werden kann.

Das ist der Satz, den wir und insbesondere die Kollegen von der SPD-Fraktion mittlerweile seit Jahren immer wieder hervorheben. Herr Kultusminister, Sie müssen jetzt dringend darangehen, diese Flexibilisierung umzusetzen. Vielleicht hilft es Ihnen, dass CDU und GRÜNE diese Handlungsempfehlung mitgetragen haben, damit Sie jetzt aktiv werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der zweite wesentliche Punkt ist das Thema Digitalisierung. Kollege Merz, ich will Sie da nicht enttäuschen: In der Tat muss etwas dazu gesagt werden. Insbesondere die Anhörung zu diesem Punkte war denkwürdig; denkwürdig unter anderem auch deshalb, weil sie in einigen Punkten nur schwer erträglich war.

Sie war darüber hinaus ein Zeugnis dafür, wie umstritten das Thema „Digitalisierung und Bildung“ offensichtlich innerhalb der CDU sein muss. Ich habe den Eindruck, dass die eine Hälfte der Fraktion etwas erschrocken über das war, was die andere Hälfte der Fraktion im Rahmen der Anhörung durch Sachverständigenbenennungen und Ähnliches getan hat. Wenn die Koalition aus CDU und GRÜNEN in dieser Enquetekommission zwei bekennende Digitalisierungsgegner als Sachverständige benennt – ich nenne nur Prof. Spitzer; wer sich ein bisschen mit dem Thema auskennt, weiß, was sich mit diesem Namen verbindet –, wird doch klar, wohin man will: Man will nicht in Richtung Digitalisierung, man will keine positive Herangehensweise, sondern man will, dass die Bedenken in den Vordergrund gestellt werden und man eben nicht vorankommt.

Umso positiver ist zu bewerten, das will ich sehr deutlich sagen, dass es uns doch gelungen ist – Herr Kollege May, auch entgegen Ihrer Bewertung –, diesbezüglich gemeinsame Handlungsempfehlungen auf den Weg zu bringen. Die Forderung der genannten zwei Sachverständigen, die man auf den Konsens bringen kann, die Computer wieder aus der Schule herauszutragen, haben wir eben nicht aufgenommen. Ich sage sehr deutlich, Herr Kollege May: Sie haben gerade in Übereinstimmung mit Frau Faulhaber zitiert – das passt mit Blick auf die Fortschrittsfeindlichkeit irgendwo zusammen – und den Satz herausgenommen, es sollten keine Computer ohne Konzept angeschafft werden.

Ich habe das positiv verstanden, Herr Kollege May.

(Gerhard Merz (SPD): Ja!)

Ich habe das so verstanden, dass endlich die Konzepte beigebracht werden müssen und dass endlich diese Regierung handeln muss, damit sich etwas bewegt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Dass wir dann die Computer anschaffen, um sie vernünftig zu benutzen, ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit. Aber dafür müssen Sie nach vorne und nicht nach hinten schauen. Das ist die entscheidende Botschaft.

Dazu gehört z. B. auch die Erkenntnis, die sich in den Handlungsempfehlungen niederschlägt – wenn auch mit anderen Worten –: Es geht nicht darum, Bedienfähigkeit für technische Geräte herbeizuführen; die gehört auch dazu. Aber es geht um Medienkompetenz in der umfassendsten Bedeutung dieses Begriffs. Es geht darum, Lehrer im digitalen Zeitalter für den Umgang mit den technischen Mitteln fit zu machen und sie für die Möglichkeiten zu sensibilisieren, die diese bieten, gerade wenn es um Umsetzung von individueller Förderung und darum geht, Binnendifferenzierung zu ermöglichen. Dafür sind unsere Lehrkräfte fit zu machen, die Schulen auszustatten und diese mit Konzepten zu versehen.

Dabei hat die Koalition einen riesigen Rückstand. Die Handlungsempfehlungen weisen in die richtige Richtung. Bis zur Rede des Kollegen May hatte ich mir gewünscht und gehofft, dass die Botschaft, die wir gemeinsam formuliert haben, angekommen ist. Ich hoffe, dass das heute ein Ausrutscher war und wir insgesamt auf dem Weg der ver

stärkten Nutzung digitaler Möglichkeiten in den Schulen vorankommen.

Das alte Vorurteil, das auch bei den Sachverständigen, die Sie benannt hatten, immer mitschwingt und bei dem ich manchmal den Eindruck gewonnen habe, dass das auch die Auffassung weiter Bereiche der Spitze unserer Kultusverwaltung darstellt, liefe darauf hinaus, dass irgendjemand Lehrer durch Computer ersetzen wolle. Dieser Unsinn ist offensichtlich nicht auszurotten, hat aber etwas damit zu tun, dass man sich nicht intensiv genug mit den möglichen Chancen der Digitalisierung auseinandersetzt,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

sondern in einer Abwehrhaltung verharrt und meint: Die Zukunft schließen wir aus. Rundherum passiert das. Wir erhalten die Kreidezeit aufrecht, während auf den Schulhöfen die Handys und Smartphones regieren.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und will positiv enden. Ich sehe in der Tat die gemeinsamen Handlungsempfehlungen im Vordergrund und hege die Hoffnung, dass wir aus diesen gemeinsamen Handlungsempfehlungen etwas entwickeln können, das über die Grenzen der Fraktionen hinausgeht. Es wäre ein großer Erfolg, wenn diese gemeinsamen Handlungsempfehlungen tatsächlich die Bildungspolitik trotz der ergänzenden eigenen Empfehlungen bestimmen könnten.

Bedauerlicherweise – das muss ich nach der heutigen Debatte sagen – ist fraglich, inwieweit sich eine solche große Erwartungshaltung wirklich realisieren lässt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Kein Kind zurücklassen“ – das muss unser aller Ziel bleiben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Schwarz für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“ ist der Arbeitstitel für die Enquetekommission „Bildung“. Das ist ein anspruchsvoller Arbeitstitel. Damit einher ging ein anspruchsvolles Arbeitsprogramm.

Deswegen ist es nicht überraschend, dass fast vier Jahre seit dem Einsetzungsbeschluss vom 12. März 2014, der auf einen Antrag der SPD-Fraktion zurückging, vergangen sind. Fast vier Jahre lang wurden in einem breiten Dialog zwischen Politik und Wissenschaft unterschiedliche Forschungsansätze analysiert, und Impulse für ganz konkrete Lösungsmodelle und Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik wurden erläutert. Ich sage ausdrücklich: Das ist prima. Gut ist, dass man sich tatsächlich jenseits des kleinen Karos und jenseits der engen Taktung Zeit nimmt, ein so wesentliches Thema zu erörtern.

In ausführlichen und sachdienlichen Vorträgen haben viele Experten ihre Thesen, ihre Argumente und ihre Schlussfolgerungen zu den eben schon erwähnten 15 Themenfeldern erörtert und mit einem ganzen Spektrum der Bildungswissenschaften mit den Fraktionen und den Vertretern der Lehrerverbände kontrovers, aber – das will ich auch sagen

sehr konstruktiv diskutiert. Neben den jeweiligen Fachleuten wurden die Fraktionen durch die ständigen Sachverständigen unterstützt.

Deswegen – bitte gestatten Sie mir das; das haben meine Vorredner auch getan – möchte ich sehr herzlich Herrn Josef Kraus danken, der ein ausgewiesener Experte in Bildungsfragen ist. Er ist über die Fraktionsgrenzen hinaus anerkannt. Er war mehr als 30 Jahre lang als Präsident des Deutschen Lehrerverbands tätig und ein erfahrener Schulleiter. Insofern handelt es sich bei ihm um einen Menschen aus der Praxis.

(Beifall bei der CDU)

Unser Dank gilt gleichermaßen allen Anzuhörenden, allen Sachverständigen, allen Verbändevertretern, die uns in den vergangenen vier Jahren ihre Expertise und ihre Positionen dargeboten haben und mit denen wir uns austauschen konnten. Das war wirklich spannend.

An dieser Stelle will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich erst mit Verspätung Mitglied der Enquetekommission wurde, weil unser früherer Kollege und – das darf ich sagen – mein Freund Günter Schork leider von uns gegangen ist. Ich danke ihm herzlich für seine Unterstützung – genauso wie meiner Vorgängerin in der Funktion als Obfrau – ich bin nun der Obmann –, Bettina Wiesmann, die bis eben noch hier war.

Nicht unerwähnt will ich auch den Dank in Richtung von Frau Öftring, von Herrn Honselmann und Herrn Welteke lassen, die uns auf fantastische Art und Weise unterstützt haben – auch bei der Erstellung des Abschlussberichts.

(Allgemeiner Beifall)

Durch die Auswertung und Interpretation der empirischen Befunde und von theoretischen Expertisen hat die Enquetekommission zur Zukunft der schulischen Bildung in Hessen einen, wie ich finde, sehr wichtigen Beitrag leisten können und uns als Bildungspolitikern ein vertieftes Verständnis ermöglicht.

Manche Bereiche – das gehört auch zur Wahrheit dazu – haben ein hohes Maß an Übereinstimmung geliefert. In anderen Bereichen sind die trennenden Positionen geblieben. Ich will Folgendes vor die Klammer setzen: Ich finde das zunächst einmal nicht schlimm. Es wäre kurios, wenn es nach einer dreieinhalbjährigen Arbeitsphase auf einmal keine unterschiedlichen Bildungskonzepte mehr im Hessischen Landtag gäbe.

Ich möchte mit ein paar verbindenden Positionen aus Bereichen beginnen, bei denen man sich ziemlich einig ist. Im Übrigen war das, Herr Kollege Greilich, auch bei der Digitalisierung, wie ich finde – ich habe mir das sehr genau angeschaut –, erkennbar. Ein Großteil der Anzuhörenden hat deutlich gemacht, dass bei der Digitalisierung insbesondere im Primarbereich ein gewisses Maß an Zurückhaltung geboten sei und dass man die Digitalisierung sowie alles, was damit einhergeht, altersgerecht und mit der entsprechenden Fachlichkeit an den Mann, an die Frau und an das Kind herantragen sollte.

Deswegen will ich hier nicht unerwähnt lassen, dass natürlich das Primat der analogen Bildung im Grundschulbereich von elementarer Bedeutung ist. Ich glaube, das darf man als verbindendes Element hier auch einmal feststellen. Einigkeit besteht ebenso – und das finde ich auch gut – im Bereich einer praxisnahen Lehrerbildung. Eine relative Ei

nigkeit besteht hinsichtlich des Erhalts der bestehenden Schulstruktur, wobei es hier Unterschiede gibt. Erhalt der bestehenden Schulstruktur im ländlichen Raum bei kleinen Grundschulen: deutlicher Unterschied. Wie ist ein mehrgliedriges Schulsystem der Zukunft ausgerichtet? Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Hierbei gibt es einen erkennbaren Unterschied. Ich finde es nicht schlimm, dass das so ist.

Die Flüchtlingsbeschulung wurde vorhin bereits erwähnt.

Einigkeit herrscht ebenso bezogen auf die Bedeutung der dualen Ausbildung. In Hessen haben wir 330 verschiedene Ausbildungsberufe. Einigkeit herrscht ebenso hinsichtlich der Bedeutung der dualen Ausbildung für eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, auch für einen Arbeitsmarkt. Ich finde es sehr in Ordnung, dass man dies auch einmal unterstreicht. Aus meiner Sicht wurde die Debatte in der Vergangenheit viel zu sehr aus einer akademischen Blickrichtung heraus geführt. Es kann ein verbindendes Element sein, dass man sich in diesem Hause einig ist, dass wir alle miteinander herausgehen und sagen: Jawohl, die duale Ausbildung ist klasse. Das ist eine echte Perspektive, eine echte Karrierechance. – Das erklären wir dann auch den Drittklässlern an den Grundschulen, wenn es darum geht, welche Entscheidung die Eltern treffen und in welche Richtung die Reise geht.