Protocol of the Session on April 24, 2018

an der Sprache und wegen ihrer ungenügenden Vorbildung.

Es ist die Aufgabe der Schule, möglichst gut und individuell zu fördern. Das ist klar. Aber es ist auch die Aufgabe der Schule, vielfältige Angebote zu machen, damit Neigungen und Talente entwickelt werden können, die eventuell im Elternhaus nicht gefördert werden. Dazu taugt das mehrgliedrige Schulsystem nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sozioökonomische Nachteile können in der Schule ausgeglichen werden, wenn die Kinder nicht zu früh auf einen Bildungsgang festgelegt werden, wenn mehr Zeit für eigene Erfahrungen zur Verfügung steht und wenn die Schulsozialarbeit Unterstützung gibt. Das alles geht am ehesten in einer Ganztagsschule mit rhythmisiertem Lernkonzept.

Die gemeinsamen Handlungsempfehlungen der Fraktionen in dem Kapitel, in dem über sozioökonomisch begründete Bildungshemmnisse geschrieben wird – das Kapitel heißt „Bildungserfolg und Schulversagen“ – sind leider sehr dünn. Die Darstellungen der Sachverständigen wurden meines Erachtens nicht ausreichend gewürdigt.

Der Anspruch, kein Kind zurückzulassen, kann aber nur verwirklicht werden, wenn endlich die gesellschaftlichen Verhältnisse zur Kenntnis genommen werden. Armut ist kein Randphänomen mehr. Viele Kinder und Jugendliche werden mit ihren Familien von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen. Das müsste erhebliche Auswirkungen auf die Bildungspolitik haben.

Ich will jetzt noch einmal betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass mit den erarbeiteten Schnittmengen, die im Enquetebericht zu finden sind, eine deutliche Verbesserung möglich wäre. Die Handlungsempfehlungen gehen weit über den derzeitigen Stand der hessischen Bildungspolitik hinaus. Würden die gemeinsam abgegebenen Empfehlungen umgesetzt, würde sich vieles verbessern.

Hessen hat auf allen wesentlichen bildungspolitischen Baustellen Nachholbedarf. Ich befasse mich mit den vier wichtigsten.

Die erste Baustelle sind die Ganztagsschulen. Nur 1 % der Grundschulen und nicht einmal 8 % aller Schulen sind echte Ganztagsschulen mit Profil 3. In den gemeinsamen Handlungsempfehlungen der Fraktionen konnten sogar die Mitglieder der CDU-Fraktion zustimmen, dass es unbedingt vergleichende Studien geben sollte, die zeigen, ob Ganztagsschulen tatsächlich Auswirkungen auf die soziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler haben und ob diese Schulform herkunftsbedingte Nachteile ausgleichen kann. Ich finde, das würde die Debatte versachlichen.

In der Kultusministerkonferenz gibt es die Absprache, keine vergleichenden Studien zuzulassen und zu veröffentlichen. Das wollen nun selbst die Mitglieder der CDU beendet sehen. Das ist schon einmal etwas.

Ich komme zur zweiten Baustelle. Das ist die Inklusion. Statt Inklusion gibt es in Hessen nun inklusive Schulbündnisse. Das ist der Tarnname für Schwerpunktschulen, also für Exklusion. Im Abschlussbericht konnte die CDU-Fraktion folgender Formulierung zustimmen:

Erfolgreiche Inklusion setzt voraus, dass die personellen, sächlichen und räumlichen Ressourcen bereitgestellt und die fachliche Kompetenz sichergestellt werden können.

Von allen Fraktionen wurde die Notwendigkeit multiprofessioneller Teams festgestellt. Klar ist, dass sich das nicht mit dem Ressourcenvorbehalt verträgt, den die schwarzgrüne Koalition im Schulgesetz festgeschrieben hat.

Ich komme zur dritten Baustelle. Dabei geht es um den Übergang in die Ausbildung. Für den Übergang in die Ausbildung haben die Berufsschulen zu wenige Lehrkräfte und viel zu wenige sozialpädagogische Hilfen. Die Zahl der Stellen ist gedeckelt, und das, obwohl 17,9 % der Kinder unter 18 Jahren ohne Ausbildung sind. Im Abschlussbericht wird von allen Fraktionen die Stärkung der dualen Ausbildung für gut befunden. Für alle allgemeinbildenden Schulen wird die Berufsorientierung begrüßt. Das gilt auch für das Gymnasium.

Studium und Ausbildung sollten als gleichrangig angesehen werden. Für eine wirklich grundlegende Verbesserung des Übergangs in die Ausbildung reicht diese gemeinsame Handlungsempfehlung nicht. Aber die Richtung stimmt. Meines Erachtens fehlt hier die Benennung der Verantwortung der großen Betriebe. Wer nicht ausbildet, muss zahlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Stephan Grüger (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Man kann die Verantwortung für die Ausbildung nicht allein auf die kleinen und mittelständischen Betriebe abwälzen.

Ich komme zur vierten und letzten Baustelle. Das ist die Digitalisierung. Für die Digitalisierung an den Bildungseinrichtungen fehlt es komplett an einem Konzept. Ab wann sollen digitale Geräte zum Einsatz kommen? Mit welchem Ziel sollen sie zum Einsatz kommen? Wie wird Medienkompetenz bzw. Medienmündigkeit erworben? Wie wird Sucht und Mobbing vorgebeugt? Werden die Daten ausreichend geschützt?

Diese Probleme wurden von der Enquetekommission erkannt. Ich finde das sehr ermutigend. Selbst die FDP-Fraktion konnte sich in den übereinstimmenden Handlungsempfehlungen darauf einlassen, dass es nicht einfach nur um die Anschaffung der Computer gehen kann. Vielmehr müssen die Ziele, die mit dem Einsatz digitaler Technik erreicht werden sollen, mittels der Didaktik in Curricula und in den Schulprogrammen inhaltlich konzipiert werden. Ich schlage deshalb noch einmal vor, eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der alle Fraktionen gemeinsam mit Akteuren aus der Erziehungswissenschaft, der Psychologie und der Datenwirtschaft Ziele für den Einsatz digitaler Technik an den Schulen erarbeiten.

Aus aktuellem Anlass will ich jetzt einen Einschub machen. In einer hessenweiten Schülerumfrage hat die Landesschülervertretung die Themen identifiziert, die Schülerinnen und Schüler als besonders problematisch empfinden. Dabei wurde deutlich: Mobbing und Gewalt sind an den Schulen große Probleme.

Zu Gewalt und insbesondere zu sexualisierter Gewalt wurde in der Enquetekommission gearbeitet. Andere Formen des Mobbings und der Gewalt wurden nicht ausreichend behandelt. Ich finde, auch das spricht dafür, noch einmal eine solche Arbeitsgruppe zu bilden.

Ich finde, es ist großartig, dass die Landesschülervertretung diese Umfrage durchgeführt hat. Vielen Dank. Die Ergebnisse werden uns sicherlich noch eine Weile lang beschäftigen. Das hoffe ich zumindest.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Ich habe nur vier der 14 Themenfelder herausgegriffen. Dabei wurde deutlich, dass der Enquetebericht Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt. Er benennt natürlich auch Felder der Bildungspolitik, auf denen dringend konzeptionell gearbeitet werden sollte.

Nun müssen der Kultusminister und die Beschäftigten im Kultusministerium zeigen, dass sie bereit sind, diese Vorschläge – das sind ja gewissermaßen auch Arbeitsaufträge – zur Kenntnis zu nehmen und zu handeln. Ich bin skeptisch, ob das wirklich passieren wird. Bisher kam die Arbeit der Enquetekommission in den Argumenten des Kultusministers nicht vor.

Die Abschlusssitzung der Enquetekommission war nun nicht gerade ein Musterbeispiel für die Wertschätzung der Arbeit der Sachverständigen. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass dieser Abschlussbericht der Enquetekommission nicht in einem Bücherregal des Kultusministeriums landet und dort langsam verstaubt. Nach zweieinhalb Jahren inhaltlicher Arbeit wünsche ich mir, dass die Arbeit der Enquetekommission einen guten Einfluss auf die Bildungspolitik in Hessen nimmt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Mürvet Öz- türk (fraktionslos))

Frau Faulhaber, danke. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Greilich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 12. März 2014, also vor mehr als vier Jahren, diskutierte der Landtag zu dem Antrag der SPD-Fraktion zur Einsetzung einer Enquetekommission zu dem bereits zitierten Thema „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“. Kollege Christoph Degen führte damals aus – es lohnt sich, das in Erinnerung zu rufen –, dass, wenn man gerade in der Schulpolitik parteiübergreifend tragfähige Lösungen entwickeln wolle – ich zitiere jetzt wörtlich –:

… und wenn solche Lösungen vielleicht sogar einen Regierungswechsel überdauern sollen, die Fraktionen dieses Hauses nicht nur als Gast eines Regierungsgipfels, sondern als gleichberechtigte Partner gemeinsam mit externen Beratern an einem Tisch sitzen sollten.

(Beifall des Abg. Tobias Eckert (SPD))

Das krachende Scheitern des von den GRÜNEN inspirierten Bildungsgipfels hat mehr als deutlich gezeigt, wie richtig diese Aussage des Kollegen Degen ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Nachdem jetzt der Abschlussbericht vorliegt, kann ich insbesondere dem Kultusminister nur eine intensive Lektüre und Auswertung dieses Berichts empfehlen. Das Kultusministerium hat die Einladung der Enquetekommission, sich an den Sitzungen zu beteiligen und sowohl die zuhörende als auch gegebenenfalls die mitberatende Funktion wahrzunehmen, nicht berücksichtigt.

Sie können das jetzt lesen und auswerten – das Haus ist ja groß genug –, um die Erkenntnisse herauszuziehen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Christoph Degen (SPD))

Meine Damen und Herren, bereits als wir hier im Parlament den geänderten Einsetzungsantrag abgestimmt haben, war es gelungen, fraktionsübergreifend Formulierungen und Fragestellungen zu finden, die dem gemeinsamen Anliegen Rechnung trugen. Blickt man nun auf die vier Jahre zurück und schaut auf die Protokolle, die Stellungnahmen und den heutigen Abschlussbericht, dann wird deutlich, wie viel Arbeitszeit, fachliche Auseinandersetzungen und Arbeit sich dahinter verbergen. Das alles wäre nicht möglich gewesen, wenn die Fraktionen nicht über weite Strecken hinweg exzellente Fachwissenschaftler und Praktiker als Sachverständige für die 15 Themenblöcke benannt hätten, die die öffentlichen Anhörungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und belastbaren Erfahrungen bereichert haben.

Meine Damen und Herren, es ist wie immer: Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch dort gab es Ausfälle, aber das ändert nichts daran, dass es insgesamt eine lohnende Veranstaltung war.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bodden- berg (CDU) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Deswegen danke ich sowohl allen Sachverständigen, die wir angehört haben, als auch den ständigen Sachverständigen der Fraktionen und den ständigen beratenden Mitgliedern aus verschiedenen Bildungsorganisationen, die die Sitzungen begleiteten und ihrerseits Stellungnahmen abgegeben haben. Und, nicht zu vergessen – ich glaube, Kollege Merz hat es vorhin auch schon erwähnt –: Ich danke auch der Landtagsverwaltung für ihre Unterstützung, insbesondere den Herren Welteke und Honselmann, die – um es einmal vorsichtig auszudrücken – sehr intensiv damit beschäftigt waren, das alles zu Papier zu bringen und zu dokumentieren, was wir besprochen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Ziel, sich gemeinsam den bildungspolitischen Herausforderungen zu stellen, spiegelte sich von Beginn an schon in der Ausarbeitung der gemeinsamen Fragenkataloge bzw. Leitfragen für die Sachverständigen wider und war auch Bestandteil der zahlreichen, sich anschließenden Redaktionskonferenzen, die nach den öffentlichen Anhörungen folgten.

Es wurde schon erwähnt: 15 Themenfelder hat die Enquetekommission beraten. Die drei Themenbereiche „Schutz von Kindern vor Gewalt und sexuellem Missbrauch“, „Digitalisierung“ sowie „Beschulung von Flüchtlingen“ waren ursprünglich nicht im Einsetzungsbeschluss enthalten. Sie zeigen aber mehr als deutlich, welche Herausforderungen und Aufgaben Schulen heute bewältigen sollen.

Deshalb ist es auch zu begrüßen, dass die Anliegen einzelner Fraktionen aufgenommen und erörtert wurden. Daher war auch ziemlich schnell klar, dass der ursprüngliche, ambitionierte Zeitplan, Ende 2015 fertig zu sein, nicht im Entferntesten eingehalten werden konnte. Im Rückblick hat gerade die erste Sitzung gezeigt, dass die Anforderungen von meterlangen statistischen Daten beim Statistischen

Landesamt oder beim Kultusministerium nicht dazu beigetragen haben, die dahinter stehenden bildungspolitischen Fragen wie individuelle Förderung, Ganztagsangebote, Schulvielfalt, Schulwahlfreiheit, Partizipation, demografischer Wandel oder auch Lehrerbildung und Digitalisierung zu beleuchten. Das war ein ziemlich vergebliches Unterfangen. Letztlich sind wir dort auf Zahlenfriedhöfen gelandet; das muss man auch einmal zu Protokoll geben.

Trotzdem ist es der Enquetekommission ziemlich schnell gelungen, sich auf die wesentlichen Fragestellungen und Problemlagen zu konzentrieren, wenngleich der eine oder andere dort der Versuchung nicht widerstehen konnte, Grundsatzdiskussionen zu führen, die die Auseinandersetzung nicht unbedingt erleichterten. Aber – das muss man auch einmal betonen – im Gegensatz zum Bildungsgipfel, den die Landesregierung quasi als Gegenveranstaltung installierte, ist es uns gelungen, uns fachlich fundiert mit den Themen auseinanderzusetzen und durchaus praktikable Ergebnisse vorzulegen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, deshalb war es möglich, dass jeder einen Erkenntnisgewinn erzielt hat und dass nicht nur parteipolitische oder ideologische Vorfestlegungen zutage traten. Ich kann mich da nur dem anschließen, was Kollege Merz dazu gesagt hat. Auch ich persönlich habe viel gelernt, und ich habe viele Dinge in meiner eigenen Sichtweise relativieren können und müssen. Ich habe den Eindruck, dass das auch für viele andere Mitglieder der Enquetekommission gilt.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Der Abschlussbericht umfasst natürlich die Zusammenfassung der Sitzungen, aber vor allem enthält er – neben den zwangsläufig auch erforderlichen ergänzenden Handlungsempfehlungen der einzelnen Fraktionen – die gemeinsamen Handlungsempfehlungen, die uns bei den bildungspolitischen Diskussionen begleiten sollten. Auch wachsende Erkenntnisse führen nicht zwangsläufig dazu, dass Meinungsunterschiede beseitigt werden. Aber im Vordergrund stehen für mich die gemeinsamen Handlungsempfehlungen. Deswegen bin ich ein bisschen erschrocken – bei Frau Kollegin Faulhaber hat es mich nicht ganz so sehr verwundert –, dass Kollege May in seinem Resümee hier letztlich zu einer negativen Bewertung der Arbeit kommt,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das war doch positiv!)

statt einmal das zu betonen, was anschließend übrig bleibt, nämlich die Gemeinsamkeit.