Protocol of the Session on April 24, 2018

(Janine Wissler (DIE LINKE): Es wäre auch schlecht, wenn er nicht besser würde und Sie kürzen! – Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Das sind Ziele, die dann auch in Zielvereinbarungen in unserem Land übergehen.

Ich glaube, dass LOEWE ganz wesentlich daran beteiligt ist, dass sich die Mentalität an unseren Hochschulen verändert hat. Es ist durchaus so, dass viele Forschungsbereiche vorher existiert haben. Wenn aber ein Träger des MaierLeibnitz-Preises in manchen Ländern mit diesem Preis an seine Hochschule zurückkam, dann wurde das zur Kenntnis genommen. In einem Land, das LOEWE kennt, wird dieser Preis in der Hochschule gefeiert, wahrgenommen und in zusätzliche Projekte transferiert.

Wir haben jetzt eine Mentalität, in der es von allen anerkannt wird, dass Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften kooperieren. Wir sind mittlerweile so weit, dass es keine Ordinarien in dem Sinne mehr gibt, die Transfer und gesellschaftliche Entwicklung gar nicht mehr interessieren. Wir haben einen Zusammenhang der naturwissenschaftlich-ingenieurwissenschaftlichen Bereiche mit den Gesellschaftswissenschaften und den Notwendigkeiten der Gesellschaft.

Wir haben mittlerweile Hochschulen, in denen Exzellenz und Bewerbungsmodalitäten positiv und als ein Anreiz aufgenommen werden, besser zu werden und sich dem Vergleich wie auch den Beurteilungsmechanismen von Wissenschaftseinrichtungen zu stellen. Wir haben Hochschulen, in denen Exzellenz kein Fremdwort und kein Abschreckungswort mehr ist, sondern positiv als Herausforderung angenommen wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen transparenten Wettbewerb, einen Wettbewerb, der die Weiterentwicklung der Hochschulen insgesamt vorantreiben wird.

Meine Damen und Herren, deswegen sage ich Danke für die Regierungserklärung und für die Gelegenheit, zehn Jahre LOEWE in diesem Hessischen Landtag zu feiern. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Wolff. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Das heißt, wir haben die Regierungserklärung entgegengenommen und besprochen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): 16 Tweets während Ihrer Regierungserklärung, diese Kapazität muss man erst einmal haben!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 76 auf:

Bericht der Enquetekommission „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“ – Drucks. 19/6222 zu Drucks. 19/191 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Schwarz. Ich gebe zur Einführung der Vorsitzenden der Enquetekommission, Frau Bächle-Scholz, das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, zunächst herzlichen Dank, dass ich das Wort ergreifen darf. Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass heute Bettina Wiesmann, unsere Kollegin, die lange der Enquetekommission als Obfrau angehört hat, anwesend ist. Herzlich willkommen, Bettina.

(Beifall bei der CDU)

Bildung begleitet uns ein Leben lang und hat zahlreiche Ebenen und Facetten. So sagt beispielsweise Robert Frost: „Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen.“ Das zeigte sich auch in der Enquetekommission „Bildung“. Das Selbstvertrauen hatten wir, die Ruhe war je nach Thema nicht immer gegeben.

Auf den Einsetzungsbeschluss der SPD-Fraktion nahm die Enquetekommission „Bildung“ – ich kürze sie der Einfachheit halber auch öfter mit EKB ab; denn das war unser Wortlaut – am 27. Juni 2014 ihre Arbeit auf. Fast zweieinhalb Jahre bis zum Dezember 2017 verlängerte sie freitags regelmäßig unsere Plenarwoche.

Der im Beschluss vorgegebene Zeitraum bis Ende 2015 konnte aufgrund der sehr umfangreichen 15 Themenfelder aus dem Einsetzungsbeschluss, die um noch zwei weitere Themenbereiche, nämlich Flüchtlinge und Digitalität, ergänzt wurden, nicht eingehalten werden. Ich denke aber, die Beratung hat die Notwendigkeit und die Wichtigkeit gezeigt, sich mit jedem Sachthema intensiv auseinanderzusetzen, damit man ihm auch gerecht wird.

In insgesamt zehn Redaktionssitzungen wurden die Beratungsergebnisse der einzelnen Fraktionen zusammengeführt oder in einem eigenen Fraktionsteil strittig gestellt. So entstand ein insgesamt 152 Seiten umfassendes Werk, ein insgesamt guter gemeinsamer Bericht.

Die Atmosphäre war von gegenseitiger Achtung und dem Willen, zusammenzuführen, was zusammenzuführen möglich ist, geprägt. Der Bericht wurde in der Abschlusssitzung am 14. März 2018 beschlossen.

Große Übereinstimmung gab es bei der Beschulung von Flüchtlingskindern, der Aus- und Weiterbildung von Lehrern, der Lehrerbildung und im Umgang mit sozialen Medien, Stichwort: Digitalität. Uneinigkeit – ich denke, darauf werden die Sprecher der Fraktionen noch eingehen – gab und gibt es weiterhin bei der Ausgestaltung des Schulsystems.

Lassen Sie mich einen Dank aussprechen an die Mitglieder der EKB, an die Sachverständigen der Fraktionen und ebenso an die Verbände, die sich als ständige beratende Mitglieder eingebracht haben. Nicht vergessen möchte ich die ausgeschiedenen Mitglieder der Enquetekommission: Herrn Marcus Bocklet, der zunächst den Vorsitz innehatte,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Barbara Cardénas, unseren leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Günter Schork, Hans-Jürgen Irmer und Bettina Wiesmann, die bis Ende 2017, bis zu ihrem Wechsel in den Deutschen Bundestag, die Aufgabe der Obfrau ausführte und die einzelnen Themenbereiche redaktionell in akribischer Arbeit aufbereitete und uns somit die Arbeit in den Redaktionssitzungen erleichtert hat. Ihr folgte dann Armin Schwarz als Obmann.

Dank auch an Herrn Honselmann und Herrn Welteke für die redaktionelle Begleitung und von meiner Seite im Besonderen an Frau Öftring für ihre Unterstützung und Organisation der Enquetekommission.

(Allgemeiner Beifall)

Das Abschlussdokument ist eine gute Grundlage für die weitere Schulpolitik in Hessen. Die Enquetekommission war ein spannendes Gremium. Ich hoffe für die Kinder, Schüler, Lehrer und die Eltern, dass mit ihr für die Zukunft etwas in Bewegung gekommen ist. Denn ich möchte mit einem Zitat von John F. Kennedy schließen: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

Ich freue mich nun auf die spannende Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Danke, Frau Bächle-Scholz, nicht nur für die geleistete Arbeit, sondern auch dafür, dass Sie uns allen in Erinnerung gerufen haben, wir hart gearbeitet worden ist. Das Ganze stellen wir jetzt hart wieder politisch strittig. – Hierzu hat sich Herr Merz von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, was mich in den Ruf bringt, Dinge streitig zu stellen.

(Allgemeine Heiterkeit – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der war echt gut!)

Es ist jedenfalls nicht meine Absicht, das heute zu tun.

(Zurufe von der SPD: Och!)

Ich will die Tatsache, dass wir über drei Jahre lang in der Tat in einer ganz besonderen Atmosphäre zusammengearbeitet haben, wie ich sie wirklich nur aus Enquetekommissionen kenne, wie ich sie in der Enquetekommission „Integration und Migration“ kennengelernt habe und wie es hier auch war, ein bisschen verlängern und ein wenig grundsätzlicher werden, als wir das für gewöhnlich in bildungspolitischen Debatten hier im Plenum tun. Ich glaube aber, dass das der Art und Weise, wie diese Kommission gearbeitet hat, angemessen ist.

Wir als Sozialdemokraten haben der Kommission den Titel gegeben: „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“. Dieser Name ist mit Bedacht gewählt und enthält drei wichtige Aspekte bzw. Begriffe:

Erstens. „Kein Kind zurücklassen“ – das ist ein normativer Anspruch, der mit Bildungsgerechtigkeit zu tun hat und mit dem Anspruch, jedem Kind gerecht zu werden. Es ist dies kein abstrakter Gerechtigkeitsanspruch, bei dem „das Kind“ in den Mittelpunkt zu stellen wäre, wie man es aus pädagogischen Theorien kennt, sondern es ist ein Anspruch, der jedes einzelne, sehr konkrete, einzigartige und unverwechselbare Kind in den Mittelpunkt stellt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ein Anspruch, der von vornherein von Heterogenität ausgeht. Es ist ein Anspruch, der Verschiedenheit des Individuums und Gleichheit seiner Rechte und Gleichberechtigung seiner Hoffnungen und Erwartungen zusammenbringt.

Zweitens. Es geht um Bildung. Bildung ist nicht irgendein Begriff. Bildung ist ein sehr deutscher Begriff. Ich habe einmal nachgelesen: Er geht auf den deutschen Mystiker Meister Eckhart zurück. So weit will ich nicht zurückgehen. Aber wenn wir über Bildung reden – der Begriff der Bildung ist im deutschen Idealismus zur Blüte gebracht worden –, kommt man um Humboldt schlechterdings nicht herum. Humboldt sagt 1809 im Rechenschaftsbericht an den König:

Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.

Wir können aus dieser Definition viel übernehmen, was in unseren bildungspolitischen Debatten immer wieder eine Rolle spielt: dass Kenntnisse allein noch keine Bildung ausmachen, dass Bildung sich nicht erschöpft in der Vermittlung berufsbezogener Qualifikationen, dass berufliche Qualifikationen schon zu Humboldts Zeiten nicht für das ganze Leben reichten, sondern dass der „gute, anständige, aufgeklärte Mensch und Bürger“ – und heute natürlich auch die Bürgerin – das vorrangige Ziel ist und dass das Letztere gleichzeitig die Voraussetzung für Freiheit ist.

Noch deutlicher wird Immanuel Kant:

Die praktische oder moralische Pädagogik oder Erziehungslehre ist diejenige, durch die der Mensch soll gebildet werden, damit er wie ein frei handelndes Wesen leben könne. … Sie ist Erziehung zur Persönlichkeit, Erziehung eines frei handelnden Wesens, das sich selbst erhalten und in der Gesellschaft ein Glied ausmachen, für sich selbst aber einen inneren Wert haben kann.

Hier wird deutlich, dass Individuum und Gesellschaft via Bildung zusammengehören, nicht nur über den Beruf, sondern über den Gedanken der Freiheit und über das frei und verantwortlich handelnde Individuum.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Es geht um Schule. Man könnte sagen: Selbstverständlich geht es um Schule. Worum sollte es auch sonst in einer bildungspolitischen Debatte gehen? – Betrachtet man aber die beiden soeben zitierten Definitionen von Bildung, ist die Sache nicht mehr so ausgemacht.

Dass Bildung ein lebenslanger Prozess ist, der vor dem Schuleintritt beginnt und nach dem Ende der Schulzeit noch lange nicht und heute noch weniger als je zuvor zu Ende ist, worauf schon Humboldt hinweist, gehört zu den Binsenweisheiten der bildungspolitischen Debatte, über deren reale Bedeutung wir uns aber längst nicht vollständig klar geworden zu sein scheinen.

Die Kommission hat sich dieser Tatsache gestellt und z. B. auch einen Blick auf die frühkindliche oder vorschulische Bildung geworfen. Sie hat sich aber vor allem auch intensiv mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen schulischer Bildung befasst.

Schule, um ein Wort eines führenden Verfassungsrechtlers abzuwandeln, lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schafft. Bisweilen leidet sie auch unter diesen Voraussetzungen. Ich will das an einem Beispiel erläutern: