Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist etwas ungewöhnlich, dass wir in den Aktuellen Stunden so miteinander umgehen. Das müssen die Sozialdemokraten, die immer nach Respekt rufen, dann mit sich selbst ausmachen.
Meine Damen und Herren, wir haben keinen Nachholbedarf, was das Thema Türkei angeht, wir haben keinen Nachholbedarf, was die Entschiedenheit und die Konsequenz gegenüber Rockern im Allgemeinen und Osmanen im Besonderen angeht.
Wir haben bereits im März 2017 klar formuliert: Wir werden Spionage des türkischen Geheimdienstes gegen Deutschland in Hessen nicht akzeptieren. Unser Landesamt für Verfassungsschutz wird verschärft mit nachrichtendienstlichen Mitteln aufklären. Unsere Sicherheitsbehörden werden strafbarem Verhalten der Türkei auf deutschem Boden konsequent begegnen. – Meine Damen und Herren, klarer kann man sich zum Thema Türkei nicht äußern, wie ich meine.
Die hessische Polizei hat von Anfang an konsequent eine repressive und gefahrenabwehrende Strategie gegenüber der rockerähnlichen Gruppierung Osmanen Germania BC verfolgt. So wurden in den zurückliegenden Jahren seit November 2015 rund 80 Ermittlungsverfahren angestrengt und ca. 200 Gefahrensachverhalte bearbeitet. Der hessischen Polizei ist es mit diesem konsequenten Vorgehen gelungen, die rockerähnliche Gruppierung Osmanen Germania in Hessen merklich zurückzudrängen. Auch bei den gefahrenabwehrenden und repressiven Maßnahmen gegenüber den Rockern gibt es keinen Nachholbedarf unserer Sicherheitsbehörden.
Am 13. März wurden zehn Objekte der Osmanen Germania durchsucht. Das geht, das ist richtig dargestellt worden, auf ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren des Bundesministeriums des Innern zurück. Ziel der Durchsuchungen war es, die Machenschaften der Osmanen Germania weiter aufzuhellen und weiteres Beweismaterial für ein erfolgreiches Verbot zutage zu fördern.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das Bundesinnenministerium dieses vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren auf Initiative des Landes Hessen überhaupt erst eingeleitet hat, Herr Kollege Greilich. Deswegen haben wir auch hier keinen Nachholbedarf.
Wir haben darüber hinaus bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage des Abg. Greilich erwähnt, dass bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt zwei Verfahren gegen Mitglieder der Osmanen Germania geführt werden, bei denen Verbindungen zur Gruppierung Union Europäisch-Türkischer Demokraten verfahrensgegenständlich sind.
Im Zuge der Ermittlungen hat sich eine Politisierung der Osmanen Germania gezeigt, die nach dem bisherigen Stand insbesondere auf den Kontaktaufbau zu türkischen Funktionären der AKP zurückzuführen ist.
Was Sie nun aber in Ihrer Kleinen Anfrage wissen wollten, Herr Greilich, betrifft die Frage, ob es Hinweise gibt, dass die Osmanen von anderen Vereinigungen wie der Union Europäisch-Türkischer Demokraten „gesteuert“ werden. Diese Fragen hat die Landesregierung wahrheitsgemäß nach ihrem Kenntnisstand beantwortet: Ja, es gibt Verbindungen zur UETD, ja, dabei haben offenbar auch türkische Funktionäre der AKP, der regierenden Partei in der Türkei, eine Rolle gespielt.
Dass die Landesregierung aufgrund einer solchen Kleinen Anfrage aber nicht Ermittlungsakten laufender Verfahren zitiert oder gar gegebenenfalls vorhandene Überwachungsprotokolle Kleinen Anfragen anheftet, das sollte Ihnen als Mitglied des Hessischen Landtags durchaus bekannt und geläufig sein.
Meine Damen und Herren, wir können so ein Verfahren nicht gefährden, wir dürfen es nicht, und wir werden es auch nicht tun. Die zuvor genannten Erkenntnisse sind das Ergebnis einer professionellen und konsequenten Arbeit der hessischen Sicherheitsbehörden. Hierin zeigt sich einmal mehr: Die hessischen Sicherheitsbehörden sind gut aufgestellt, sie kommen ihrem gesetzlichen Auftrag umfassend nach. Sofern relevante Erkenntnisse gewonnen werden, findet ein Austausch von Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen statt. Geeignete und erforderliche gefahrenabwehrrechtliche und repressive Maßnahmen werden konsequent umgesetzt.
Ich finde, es ist kein kritikwürdiger Vorgang, den wir hier miteinander besprechen, sondern es ist etwas, bei dem die Sicherheitsbehörden im Lande Hessen sehr stolz darauf sein können, das Verfahren angestoßen zu haben, dass sie sich im Kampf gegen Rockerkriminalität in diesem Lande enorm eingesetzt haben. Ich finde, wir sollten die hessischen Sicherheitsbehörden dafür beglückwünschen. – Vielen Dank.
(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das hat nichts mit Spielchen zu tun, Herr Kollege Wagner! Der Kollege hat zwei Fragen gestellt, und dazu wollen wir zwei Antworten hören!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, der Abg. Greilich hat Ihnen zwei Fragen gestellt, und ich glaube, es ist legitim und dem parlamentarischen Verfahren entsprechend, dass ich als Abgeordnete abgewartet habe, ob Sie diese zwei Fragen beantworten.
Das aber haben Sie nicht getan, Herr Minister. Das haben Sie schlicht nicht getan. Ich finde, dass der Sachverhalt, der der heutigen Aktuellen Stunde zugrunde liegt, ernst genug ist, Herr Kollege Schaus, weil es nämlich um die Frage geht, ob hier das Parlament richtig informiert wurde – um nichts Geringeres.
Deswegen ist es sehr legitim, eine Kleine Anfrage eines Kollegen auch zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde zu machen.
Wir reden hier über eine rockerähnliche Kriminalität der Osmanen Germania, die im April 2015 offiziell als Boxclub gegründet wurden, ein rasantes Wachstum hinlegten, mittlerweile über rund 20 Chapter in der Bundesrepublik verfügen und bei denen in Hessen sehr große Relevanz gegeben ist. Wir wissen das, und ich benenne meine Quellen heute aus guten Gründen: Ich beziehe mich in meiner Rede auf einen Fachartikel von Dr. Dorothee Dienstbühl und Jaklin Chatschadorian und die Beantwortung der Kleinen Anfrage des Kollegen durch die Landesregierung, Drucks. 19/5783, sowie die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Linkspartei aus dem Deutschen Bundestag
vom 19. Mai 2017, Drucks. 18/12452, die ganz interessante Erkenntnisse enthalten. Da wird schon die Frage relevant, was denn der Minister dem Parlament wahrheitsgemäß gesagt hat und was nicht, weil nämlich bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage durch die Bundesregierung Hinweise auf die Durchsuchungsmaßnahmen in Darmstadt und auch Waffenfunde enthalten sind.
Wenn ich dann die Antwort auf Frage 10 der Kleinen Anfrage sehe, wo einfach gesagt wird, dass Erkenntnisse, denen zufolge der Osmanen Germania BC mithilfe eines Netzwerks von Mitarbeitern des MIT und Politikern der AKP mit Schusswaffen versorgt werden sollte, nicht vorlägen, dann sind eben Fragen angemessen, ob denn die Beantwortung dieser Anfrage vor all diesen Hintergründen tatsächlich noch stimmt, Herr Minister. Diese Antwort haben wir uns heute in der Aktuellen Stunde erhofft, und diese Antwort haben Sie nicht gegeben.
Es obliegt aber Ihrer Verantwortung, Herr Innenminister, gerade zu diesem sehr wichtigen Bereich der organisierten Kriminalität – –
(Anhaltende Unruhe – Günter Rudolph (SPD): Wir können ja warten, bis Ruhe an der Regierungsbank ist! – Glockenzeichen des Präsidenten)
Danke schön, ich fange auch gerne noch einmal an. – Es ist Ihre Verantwortung, Herr Innenminister, zu den relevanten Fragen betreffend organisierte Kriminalität dem Parlament auch die richtigen Auskünfte zu geben. Deshalb war es so wichtig, das hier zu thematisieren. Wenn vor Kurzem „Frontal 21“ einen Bericht ausgestrahlt hat, in dem genau dies berichtet wird, dass nämlich bei Durchsuchungen Schusswaffen gefunden wurden, dann sind das öffentliche Tatsachen. Es geht hier überhaupt nicht um Inhalte eines laufenden Ermittlungsverfahrens, sondern um Tatsachen, die öffentlich im Fernsehen zu sehen waren und in der Presse stehen.
Genau dazu haben wir als Parlament ein Auskunftsrecht durch den Innenminister, dem aber ist er nicht nachgekommen. Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf: Sie haben ja Gelegenheit, nach meiner Rede noch einmal nach vorn zu kommen und etwas zu sagen.
Herr Kollege Reif, die Landesregierung hat jederzeit das Recht, hier zu reden. Das kann sie gerne jetzt nach meiner Rede tun.
Ich schließe auch noch einmal die zweite Frage an. Herr Innenminister, Sie haben sich ja bemüht, diese zweite Frage doch ein bisschen zu beantworten, nämlich die Frage nach der politischen Einflussnahme und den politischen Kontakten zwischen Osmanen Germania, der MIT, der UETD und auch der AKP. Da haben Sie sich ein bisschen – ich will es einmal so sagen – vorsichtig vorbeigenuschelt, indem Sie sagten, jawohl, es sei Bestandteil laufender Ermittlungsverfahren. Aber über die Frage, inwiefern dort politische Einflussnahme genommen wird, haben Sie das Parlament heute wieder nicht informiert.
Deswegen fordern wir Sie auf: Informieren Sie das Parlament ausreichend zu beiden Fragen, die Ihnen hier gestellt wurden – zur politischen Einflussnahme und zu politischen Kontakten sowie zum Schusswaffenfund im Bereich der Osmanen Germania. Ich glaube, wir sollten uns als Parlamentarier bei diesem Thema wirklich nicht auf Spielchen einlassen, sondern in der Tat seriös feststellen, worum es hier geht.
Meine Damen und Herren, bitte. Wir waren uns einmal einig, gewisse Äußerungen in emotionalen Dingen zu unterlassen. Es steht jedem frei, sich zu melden. In einer Demokratie steht es aber auch jedem frei, sich nicht zu melden. Darauf will ich hinweisen. Es ist alles korrekt.
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir natürlich eine gewisse Ordnung haben, wie es einigermaßen läuft. Es hat aber auch schon Fälle gegeben, dass sich Mitglieder der
Landesregierung während der Aktuellen Stunde dazwischen gemeldet haben – nur, dass wir da klar sind.
Ja, auch wenn der Leiter der Staatskanzlei dazwischenruft: „Gleich schlecht“, das nehmen wir alles humorvoll auf. Wir sind nicht nachtragend, aber merken uns, wer was gesagt hat.