Es passt insofern ganz schön, dass ich heute dem Kollegen Lenders zustimmen kann, was die Verantwortung des Landes angeht, und zwar sowohl bei der dualen Ausbildung als auch beim dualen Studium.
Da kann das Land in der Tat sehr viel mehr machen. Wir haben beim vorherigen Tagesordnungspunkt, bei dem wir lange über die berufliche Ausbildung gesprochen haben, schon angesprochen, dass sich das Land und der öffentliche Dienst weitgehend aus der Verantwortung zurückgezogen haben.
Deshalb bleibt festzuhalten: Das duale Studium ist ein sinnvolles zusätzliches Angebot. Es hat viele Vorteile. Es gibt ein paar offene Fragen, die diskutiert werden müssen. Insgesamt ist der wichtigste Punkt für uns natürlich die Durchlässigkeit im Bildungssystem. Das gilt sowohl für die Berufsausbildung, dass es eine Durchlässigkeit zur Hochschulbildung gibt, als auch für das duale Studium, dass es z. B. die Möglichkeit gibt, den Masterabschluss zu machen. Auch hierbei ist eine Durchlässigkeit wichtig.
In diesem Sinne werden wir über den Antrag im Ausschuss weiter diskutieren, aber die offenen Baustellen wollte ich benannt haben. – Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn die Gelegenheit nutzen, um mich bei all denen, die am dualen Studium in Hessen beteiligt sind, für eine wirklich außergewöhnlich gute Zusammenarbeit in den vergangenen zehn Jahren zu bedanken. Ich möchte mich bedanken bei den 17 Bildungsanbietern, natürlich bei den Unternehmen und bei den Wirtschaftsverbänden, aber auch – das will ich auch deutlich sagen – bei den beteiligten Ministerien, die es in sehr guter und konstruktiver Zusammenarbeit möglich gemacht haben, dass wir in Hessen – es ist bereits erwähnt worden – heute 130 duale Studienmöglichkeiten haben.
Frau Wissler, Sie haben recht, es ist wirklich eine erfolgreiche Bilanz, es ist eine Erfolgsstory. Sie lesen das in vielen unserer Anträge, weil wir so viele Erfolgsstorys in den letzten fünf Jahren möglich gemacht haben.
dass wir gemeinsam das duale Studium in seiner vielfältigen Form auch in den kommenden Jahren stärken, dass wir es ausbauen, weil es eine Vielzahl von Antworten auf die Fragen gibt, die uns beschäftigen.
Damit bin ich zuallererst beim Wandel der Herausforderungen, mit denen wir umgehen müssen. Wirtschaftliche Herausforderungen, die demografische Entwicklung und Veränderungen der Arbeitswelt sind uns nicht unbekannt. Sie verursachen einen zunehmend gewandelten Fachkräfteund Qualifikationsbedarf. Berufliche Aufgaben und Fragestellungen werden immer deutlicher, immer komplexer und erfordern in vielen Berufen eine sehr anspruchsvolle Ausund Weiterbildung. In sehr vielen Unternehmen besteht ein enorm hoher Bedarf an Nachwuchskräften, die sowohl theoretische Kompetenzen für diese Anforderungen als auch berufspraktische Erfahrungen mitbringen. Dennoch: Viele berufliche Tätigkeitsprofile bedürfen einer Methoden- und Sachkompetenz auf einem weitaus höheren Niveau, als das in der Vergangenheit vielfach der Fall gewesen ist.
Natürlich stellt sich – das ist heute schon angeklungen – dann die Frage: Müssen denn alle studieren? Die Antwort lautet: Nein, es müssen nicht alle studieren. – Damit bin ich bei der teilweise sehr lebhaft geführten Debatte, die manchmal mehr auf Gefühl als auf Evidenz basiert,
die wir „Akademisierungswahn“ nennen. Es ist sehr erstaunlich, dass sie mit Vorliebe von denen geführt wird, die das Privileg einer akademischen Ausbildung erfahren durften
und von denen Sie auf die Frage, wie sie denn ihre Kinder ausbilden, oftmals keine überraschende Antwort bekommen. Aber das nur am Rande.
Seitdem mehr junge Menschen ein Studium als eine Berufsausbildung beginnen, sind die Fragen durchaus berechtigt, die mit teilweise besorgtem Unterton gestellt werden: Wofür braucht das Land so viele Akademiker? Wer soll denn in Zukunft all die handwerklichen Dinge erledigen, die erledigt werden müssen?
Meine Damen und Herren, das ist leider eine nach wie vor zu starr geführte Diskussion: akademische oder nicht akademische Ausbildung, Hochschule oder Berufsschule? Das sind die – ich sage das bewusst in Anführungszeichen – „Gegensätze“, von denen die Debatte über die – auch wieder in Anführungszeichen – „richtige“ Akademikerquote so vergnügt lebt. Ich sage sehr deutlich: Nein, ich halte überhaupt nichts davon – und schließe an das an, was Michael Boddenberg vorhin in einem Redebeitrag zu einem anderen Tagesordnungspunkt gesagt hat –, Ausbildung und Studium gegeneinander auszuspielen.
Natürlich ist diese Situation, in der sich die Hörsäle füllen, aber eben nur um den Preis, dass die Werkbänke leer bleiben, nicht erstrebenswert. Trotzdem: Begriffe wie „Akademikerschwemme“ sind völlig fehl am Platz,
weil sie suggerieren, wir würden massenhaft arbeitslose Akademiker produzieren, die nicht wissen, was sie tun sollen. Das Gegenteil ist doch der Fall. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich die Absolventenzahlen anschauen und sehen, was die Absolventen danach machen, dann ist doch festzustellen: Wir haben bei den Absolventen unserer Hochschulen nahezu Vollbeschäftigung.
Das ist aber nicht das Ausschlaggebende bei der Debatte. Ich halte die Debatte über solche Überakademisierungen oder gar über das, was Herr Nida-Rümelin gesagt hat – übrigens auch einer, der das Privileg einer akademischen Ausbildung hat erfahren dürfen –, für vollständig irreführend. Sie ist undifferenziert, und im Übrigen – das ist das Ausschlaggebende – schadet sie dem Gedanken von mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen. Das ist genau das, was wir brauchen: mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen. Wir brauchen beides, wir brauchen Absolventen der beruflichen Bildung, wir brauchen Absolventen der akademischen Bildung, und wir brauchen vor allem eine schlüssige Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung.
Meine Damen und Herren, das ist exakt das duale Studium, weil es die berufliche mit der akademischen Ausbildung verbindet. Das Angebot – das können Sie auch sehen – trifft den Nerv der jungen Leute, und es trifft auch den Nerv der Unternehmen.
Damit bin ich bei einer weiteren, uns umtreibenden Frage: Wie schaffen wir die regionale Beschäftigungssicherung? Das heißt, wie gelingt es uns, junge, gut ausgebildete Menschen und die sie nachfragenden Unternehmen in der Region zu halten? Die Antwortet lautet: Voraussetzung für diese regionale Beschäftigungssicherung ist, dass es ausreichend verfügbare qualifizierte Fachkräfte gibt. Quantitativ ergeben sich allerdings – das darf man in der Debatte nicht vergessen – vor allem bei zwei Faktoren die entscheidenden Probleme. Das ist zum einen die demografische Entwicklung – wir sprachen heute bereits darüber –, und es ist zum anderen der Trend der Urbanisierung, d. h. die nach wie vor – dabei muss man sich nichts vormachen – komplett ungebremste Wanderung besonders junger Menschen auf der Suche nach akademischer Ausbildung in die städtischen Räume.
Dabei hilft nach meiner festen Überzeugung nur, diese jungen, begabten Leute mit interessanten Angeboten im ländlichen Raum zu halten. Das ist der Ansatzpunkt des dualen Studiums. Insoweit leisten duale Studienangebote einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Fachkräfte in den Regionen ausgebildet und junge Menschen für den ländlichen Raum gewonnen werden können.
Lassen Sie mich stellvertretend auf das Studienkonzept StudiumPlus der THM eingehen. Es gibt auch viele andere gute Konzepte. Wir reden aber immer sehr gern über die THM. Auch andere Hochschulen machen gute Angebote. Aber ich will einmal auf die THM eingehen: Insgesamt sechs Außenstellen in Frankenberg, in Bad Wildungen, in Bad Hersfeld, in Biedenkopf, in Bad Vilbel und in Limburg stehen für dieses duale Studienangebot, das ganz klar auf die Qualifikationsnachfrage der Region zugeschnitten ist.
Das ist der Weg, wie die demografischen Probleme des ländlichen Raums zusammen mit der Wirtschaft gebremst werden können. Wie sehr die Wirtschaft in Mittelhessen und darüber hinaus das Studienmodell angenommen hat und wie engagiert sie es unterstützt – das will ich hier auch einmal deutlich sagen –, unterstreicht die Zahl der mittlerweile über 750 Mitgliedsunternehmen, die sich im Zusammenschluss der Partnerunternehmen der THM zusammengefunden haben.
Sie kommen eben nicht aus den Ballungsräumen, sondern sie kommen aus Lich, aus Hohenroda, aus Altenstadt oder anderswoher. Das alles zeigt, dass das duale Studium nicht nur gelungene Bildungspolitik ist, sondern es ist wirklich gelebte Regionalpolitik, und es ist vor allem auch starke und sinnvolle Wirtschaftsförderung im besten Sinne.
Herr Lenders, Sie haben danach gefragt: Was sind denn unsere Zukunftspläne? – Erst einmal ist es natürlich gut. Alles, was gut ist, müssen wir nicht grundlegend verändern.
Das ist eine Antwort auf Ihre Frage. Wir wollen es unterstützen mit dem Ziel, die Zahl der dual Studierenden von derzeit rund 5.000 auf 8.000 Studierende zu erhöhen. Da
für haben wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Im Hochschulpakt für die Jahre 2016 bis 2020 haben wir das mit den Hochschulen insgesamt vereinbart.
Wir haben die Förderung der Einrichtung neuer dualer Studiengänge im Rahmen des Studienstrukturprogramms veranlasst. Das Land finanziert darüber hinaus dual Studierende an staatlich anerkannten Berufsakademien in Hessen mit jährlich bis zu 1.000 € je Studierenden.
Herr May hat es angesprochen. Mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 stellen wir ganz aktuell für die Förderung dualer Studienangebote im Jahr 2018 1 Million € und ab 2019 2 Millionen € zur Verfügung, damit neue Studienangebote aufgebaut werden können. Es sollen eine Stärkung der Kooperationen und eine Vernetzung der Hochschulen stattfinden.
Lieber Herr Lenders, lassen Sie mich noch ganz kurz auf den Dringlichen Antrag Ihrer Fraktion eingehen. Natürlich befinden sich an den Verwaltungsfachhochschulen des Landes für die Polizei, für die allgemeine Verwaltung und für die besondere Verwaltung auch dual angelegte Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten.
Ich will mich bei Ihnen ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie in Ihrem Dringlichen Antrag auf die Digitalisierung der Landesverwaltung eingegangen sind und darauf abstellen. Denn das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, was wir geändert haben und was wir machen. Das ist ein sehr schönes Beispiel für das Engagement der Landesregierung. Genau deshalb haben wir im vergangenen Jahr gemeinsame Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der Hochschule RheinMain, der Staatskanzlei, des Hessischen Ministeriums der Finanzen, der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung und des Innenministeriums geführt, um die Entwicklung eines dualen Studienangebotes im Bereich E-Government und Verwaltungsinformatik zu ermöglichen.
Wenn Sie in den vergangenen Wochen die Presse aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, dass die Hochschule RheinMain gemeinsam mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung am 3. März 2018 ihren neuen dualen Studienschwerpunkt Verwaltungsinformatik vorgestellt hat. Dort soll die gesamte Ausbildung des IT-Nachwuchses für das Land erfolgen. Auf der Basis des abgeschlossenen Kooperationsvertrags werden ab Oktober 2018 bis zu 25 Studierende ganz praktisch in der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung oder in anderen Dienststellen des Landes arbeiten und zugleich an der Hochschule RheinMain wissenschaftlich ausgebildet werden.
Das ist der richtige Weg. Das haben wir jetzt eingeführt. Herr Lenders, insofern bin ich für das dankbar, was Sie hier angemahnt haben. Aber wir haben es schon erledigt.
Damit komme ich zu dem, was ich eingangs gesagt habe. Verehrte Frau Wissler, das duale Studium ist in der Tat eine Erfolgsstory. Es ist eine innovative Studienform, die den Bedürfnissen nach akademischer und nach beruflicher Ausbildung optimal gerecht wird.
Die Landesregierung wird diesen Weg weiterhin kraftvoll unterstützen und bestreiten. Mein ausdrücklicher Dank gilt natürlich den Partnern, die diesen Weg möglich gemacht haben. Das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich unterstreichen. – Herzlichen Dank.