Es hat auch Auswirkungen. Aus dem Baubereich wissen wir, dass im Jahr 2017 der Baudurchschnittslohn der westlichen Bundesländer 16,68 € betrug. Und in Hessen? – Wir lagen mit 15,77 € auf dem letzten Platz in diesem Ranking.
Das ist ein Indikator, dass Tariftreue in Hessen nicht wirkt. Herr Lenders, Sie haben vorhin gesagt, es sei nicht geltende Praxis, dass automatisch der Billigste genommen werde.
Das ist aber die gültige Praxis, und nur deshalb ist der Mittelstand momentan komplett raus, obwohl Hessen übrigens auch ansonsten kein Niedriglohnland ist. Bremen und Hamburg – dort gibt es fortschrittliche Vergabegesetze – liegen hingegen auf Platz 1 und 2 in diesem Ranking. Die Regierungsfraktionen sagen wahrscheinlich, das habe nichts damit zu tun, aber das hat es doch. Legen Sie Ihren Evaluierungsbericht vor, damit wir eine Basis für eine fundierte Diskussion haben.
An die Adresse der LINKEN sage ich zu Ihrem Vorstoß: Damit, Ihren bisherigen Gesetzentwurf ein drittes Mal einzubringen, mit neuer Überschrift und Präambel,
ein halbes Jahr vor der Wahl und ohne die zuvor erfolgte Überprüfung, haben wir leider keinerlei Basis für Änderungen. Aber ich sage auch: Immerhin haben Sie die Diskussion wieder aufgemacht. Der SPD ist dieses Thema aber zu wichtig für populistische Rundumschläge.
An die Adresse von CDU und GRÜNEN sage ich: Für die SPD werden die schmutzigen Bedingungen und Dumpinglöhne, die Sie mit Ihrem löchrigen und schlechten Gesetz zulassen, ein zentrales Thema in den nächsten Monaten und auch in der anstehende Wahlkampfauseinandersetzung sein. Schaffen Sie endlich Ordnung, wenn Land, Kreise und Kommunen Aufträge an die Wirtschaft vergeben. Sorgen Sie für ordentliche Löhne und Arbeitsbedingungen.
Ein letzter Satz. – Aber zunächst muss die Regierung den Prüfbericht vorlegen, und zwar noch vor der Sommerpause. – Vielen Dank.
Danke, Frau Kollegin Barth. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Kasseckert von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der LINKEN wird nicht für mehr Arbeitsplätze sorgen, sondern für weniger. Er wird für die kleinen und mittleren Unternehmen eine Erschwernis darstellen, mit mehr Bürokratie und mehr Gängelei. Er wird auf keinen Fall zu mehr Wachstum führen. Ganz im Gegenteil, er wird zu weniger Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen führen. Deshalb lehnen wir diesen Vorstoß der Linksfraktion entschieden ab.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Wenn wir über das Vergaberecht sprechen, dann müssen wir aus unserer Sicht über Vereinfachung reden. Wir müssen über weniger Bürokratie sprechen, aber nicht über mehr staatliche Eingriffe, so wie es hier vorgesehen ist, und schon gar nicht über mehr Gängelei.
Der hessische Mittelstand – er ist geprägt von kleinen, mittleren sowie großen Unternehmen –, der nicht nur regional, lokal, sondern auch deutschlandweit, europaweit, weltweit tätig ist, ist das Fundament unserer Wirtschaftskraft. Er ist das Fundament des Wachstums, des Wohlstands, das wir in Hessen zu verzeichnen haben.
Deshalb ist es die Aufgabe der Politik, hier Leitplanken zu schaffen, dass weiterhin Wachstum möglich ist, dass weiterhin wirtschaftliches Arbeiten für diese Unternehmen geschaffen und ermöglicht wird, aber weniger, mit staatlichen Eingriffen konfrontiert, ihnen das Leben tagtäglich erschwert wird.
Deshalb sagen wir sehr deutlich, dass wir Kriterien wie eine Festschreibung des Tariflohns auf 12 € für völlig utopisch halten,
dass wir weitere Kriterien, die sogenannten Vergabekriterien, ablehnen, weil sie teilweise von den Unternehmen überhaupt nicht erledigt werden können. Ich denke dabei an das Thema Ausbildung. Darüber haben wir schon viel gestritten. Viele Handwerksunternehmen und viele mittelständische Unternehmen würden gern ausbilden, finden aber niemanden.
Das heißt, sie müssten in einem Ausschreibungsverfahren darlegen und nachweisen, dass ein Kriterium überhaupt nicht zu erfüllen ist. Das ist weltfremd, das ist wirklichkeitsfremd. Deshalb hat es in der Ausschreibung nichts zu suchen.
Richtig ist, dass wir, genauso wie es die übrigen Fraktionen hier dargestellt haben, kriminelle Machenschaften entschieden ablehnen. Dagegen muss der Staat vorgehen. Dafür gibt es entsprechende Stellen, deren Aufgabe das ist. Aber es ist nicht die Aufgabe des Vergabegesetzes. Deshalb hat es an dieser Stelle im Vergabegesetz nichts zu suchen.
Wir haben eine Grundlage mit dem heutigen Vergabegesetz, das Transparenz schafft und das die Ausschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittelständische Unternehmen, auch über die HAD beispielsweise, sehr transparent darstellt. Trotzdem haben wir auf der anderen Seite hohe Schwellenwerte. Das ist anders als in anderen Bundesländern und kommt dem hessischen Mittelstand auf jeden Fall zugute.
Wir müssen trotzdem hinhören, und wir haben auch Gespräche mit Handwerkskammern und mittelständischen Unternehmen geführt, die beklagt haben, dass der derzeitige Bürokratieaufwand für eine Beteiligung an einer öffentlichen Ausschreibung sehr hoch ist. Da muss man hinschauen, was genau der Punkt ist. Die Evaluierung steht zwar jetzt allein für den Bereich der Tarifregelung an, aber in der neuen Legislaturperiode kann man sich dem Thema des Vergaberechts neu widmen. Dabei sind wir offen, und zwar immer mit dem Ziel: weniger Bürokratie, Vereinfachung des Vergaberechts. Nur das schafft Arbeitsplätze,
nur das schafft wirtschaftliches Wachstum, und allein diesem Ziel muss am Ende das hessische Ausschreibungsgesetz unterworfen sein. Weniger Staat und nicht mehr ist die Losung.
In dem Zusammenhang, weil wir vorhin die kleineren Betriebe angesprochen haben – – Weniger staatliche Eingriffe statt mehr. Herr Schaus, Sie wollen stärkere Kontrollen, Sie wollen stärkere Einflussnahme auf die Unternehmen. Das lehnen wir entschieden ab.
Herr Schaus, jetzt beruhigen Sie sich doch. Sie haben für das System, das Sie vertreten, die besten Beispiele, wie es scheitern kann. Wir haben für das System, das wir vertreten, ausreichend Beispiele, wie man erfolgreich wirtschaften kann. Das zeigt Hessen mit den absolut guten Zahlen.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Gabriele Faulhaber (DIE LINKE))
Ich komme zum Ende. Auch wir wollen eine Evaluierung nicht nur der Tariffragen, sondern auch des übrigen Gesetzes in den Blick nehmen. Damit werden wir uns beschäftigen. Wir wollen Investitionsmöglichkeiten der Kommunen erhalten. Wir wollen Transparenz, wir wollen weniger Bürokratie. Wir wollen den Mittelstand stärken. Das schafft Wachstum, das schafft Wettbewerbsfähigkeit, das schafft Arbeitsplätze
Vielen Dank, Herr Kollege Kasseckert. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Al-Wazir. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute um zwei Punkte: Erstens geht es um den Gesetzentwurf der Linksfraktion und zweitens um die Bewertung des HVTG.
Ich will mit dem Gesetzentwurf der Linksfraktion beginnen. Ich halte das, was Sie vorgelegt haben, aus verschiedenen Gründen nicht für sinnvoll. Der erste Punkt ist, Sie wollen das ganze HVTG aufheben. Das ist aus meiner Sicht, na ja, man könnte jetzt sagen,
ambitioniert, man könnte aber auch sagen, es ist aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, weil sich das HVTG im Grundsatz bewährt hat. Es hat wesentliche Verbesserungen sowohl für Bieter als auch für öffentliche Auftraggeber gebracht, aber nicht nur für diese.
Das HVTG verpflichtet Unternehmen, einschlägige tarifvertragliche Leistungen zu gewähren, zumindest aber in je
dem Fall den Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz des Bundes zu zahlen. Darüber hinaus müssen die Vergabestellen des Landes die nachhaltigen Kriterien bei den Auftragsvergaben beachten. Kommunen können diese Kriterien zugrunde legen, also soziale, ökologische, umweltbezogene und innovative Anforderungen.
In der Praxis werden bei den Vergabeverfahren insbesondere innovativ orientierte Produkte und Dienstleistungen sowie fair gehandelte und ökologisch nachhaltige Produkte nachgefragt. Daneben spielt auch die besondere Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen eine Rolle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, Ihr Gesetzentwurf weist ein paar Schwachpunkte auf, um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken, von denen ich nur einige exemplarisch nennen will.
Das Erste ist: Sie wollen etwas regeln, wofür Hessen in weiten Teil überhaupt nicht die Gesetzgebungskompetenz hat.
Das komplette Gesetz soll für alle Aufträge ab 500 € gelten: „für alle“ steht in Ihrem Gesetzentwurf. Die Gesetzgebungskompetenz für Auftragsvergaben oberhalb der EUSchwellenwerte liegt beim Bund. Das sind für Warenlieferungen und Dienstleistungen 221.000 €, für Bauleistungen 5,548 Millionen € Netto-Auftragswert. Der Bund hat umfassend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht.
Das Zweite ist, liebe Kollegin Wissler: Die in Hessen bestehenden Wert- und Freigrenzen für die Durchführung von freihändigen Vergaben bis 100.000 € beschränkte Ausschreibung, bis 1 Million € für Bauleistungen, bis 207.000 € für Lieferungen und Leistungen haben sich aus meiner Sicht bewährt. Das sehen die Vergabestellen des Landes so, das sehen die Vergabestellen der Kommunen so, und das sehen auch die Unternehmen so.