Protocol of the Session on February 28, 2018

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Es sind alle weggezogen!)

Es ist ein Gerücht, dass alle jungen Leute immer in die Stadt ziehen wollen. Im Gegenteil, die Zuzüge in die Stadt kommen eher von außerhalb, nicht aus den hessischen ländlichen Gebieten, sondern aus anderen Bundesländern oder dem Ausland.

Die Menschen, die im ländlichen Raum aufgewachsen sind, gut ausgebildet und zum Studieren weggegangen sind, kommen oft und gerne wieder und wollen in ihren Heimatregionen arbeiten und leben. Deswegen machen wir uns daran, die Bedingungen auf dem Land permanent zu verbessern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte einmal drei Themenfelder ansprechen, wie man dort Verbesserungen bewirken kann und wie wir das schon tun: Digitalisierung, Gesundheitsversorgung und Mobilität.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen der Präsiden- tin)

Digitalisierung ist heute in aller Munde, und das ist auch gut so; denn sie bietet auch für den ländlichen Raum unge

heure Chancen. Ich möchte das einmal an ein paar Beispielen deutlich machen.

Zunächst einmal Breitband: Klar, darüber wurde heute auch schon geredet, wir brauchen überall schnelle Internetverbindungen. Das Land Hessen hat zusammen mit Bundes- und europäischen Förderprogrammen ungeheuer viel gemacht: ELER, GRW-Programm, GAK-Programm, Landesförderung – das sind riesige Millionenbeträge, die in die Breitbandförderung geflossen sind. Im Doppelhaushalt 2018/19 haben wir jetzt noch einmal 7,4 Millionen € zusätzlich angemeldet.

Wie stehen wir denn im Ergebnis in Hessen da? – Wir zählen beim Breitbandausbau zu den Top 3 der Flächenländer. Die Versorgung gewerblicher Flächen liegt in Hessen mit 80 % auf Platz 2 der Flächenländer. Wir haben drei Kreise, die zu den zehn bestversorgten Kreisen in ganz Deutschland gehören, nämlich den Hochtaunuskreis, den Odenwaldkreis und den Main-Kinzig-Kreis. Jetzt arbeitet die Landesregierung an einer Gigabit-Strategie, um den Breitbandausbau mit noch ganz anderen Datenvolumina weiter auszubauen und zu fördern.

Dazu kann man doch nur sagen: Hessen hat die Herausforderungen längst erkannt, hat die richtigen Weichen gestellt, die richtigen Förderprogramme zur Verfügung gestellt. Wenn man sich diesen langen Weg des Breitbandausbaus einmal anschaut, dann kann man doch nur sagen: Wir sind in Hessen bereits auf der Zielgeraden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das schnelle Internet ermöglicht erst die Digitalisierung in verschiedenen Bereichen, z. B. die Verlagerung der Arbeitsplätze: 500 Arbeitsplätze der hessischen Verwaltung in den ländlichen Raum. Die werden tatsächlich in den ländlichen Raum verlagert, z. B. 100 in meinem Heimatort Lauterbach, weil dort nämlich die Grunderwerbsteuerverwaltung zentralisiert wird. Das Irre ist: Es gibt eine ungeheure Zustimmung, alle finden es gut. Die Stadt Lauterbach sagt, das sei eine echte strukturelle Verbesserung. Die Arbeitskräfte, die dort arbeiten wollen, seien da, man werde es auch räumlich hinbekommen, dass die Menschen dort schnellstmöglich gute Arbeitsplätze und gute Bedingungen hätten.

Das sind echte gute strukturelle Verbesserungen. Das ist möglich, weil wir dort auch einen guten Breitbandanschluss haben, und daran werden wir weiter arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was kann die Digitalisierung noch für den ländlichen Raum bieten? – Die Verwaltungen werden ihre Dienste in Zukunft unabhängig von Öffnungszeiten anbieten können. Wir sind auf dem Weg, bis 2020 mit dem Onlinezugangsgesetz fast alle Leistungen auch online anzubieten. Gerade für den ländlichen Raum ist auch das eine ungeheure Chance, weil wir oft lange Wege zur nächsten Behörde haben. Dadurch sparen wir Zeit und Geld, um zu den Behörden zu fahren, und können das von zu Hause aus erledigen.

Das soll aber nicht heißen, dass wir nur zu Hause sitzen und alles online machen würden – vielmehr gibt es im ländlichen Raum einen unglaublichen Ideenreichtum, wie wir Treffpunkte neu schaffen, an denen wir uns sehen können und wo die Menschen zusammenkommen, ganz viele

kleine neue Dorfläden mit angeschlossenen Cafés: Da sind eine ungeheuer lebendige Struktur und Bewegung im ländlichen Raum zu beobachten. Was wir an Arbeiten zu erledigen haben: gerne online, aber wir treffen uns dann doch lieber im Dorfladen und im Café, auch das bekommen wir gut hin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Noch ein Beispiel für die Digitalisierung und die Chancen: Berufsbilder verändern sich, z. B. beim Zerspanungstechniker. Ich habe mir das letztes Jahr in einem Betrieb im ländlichen Raum angesehen. Früher war das eine Arbeit, bei der man an der Werkbank stand, auch eine Arbeit, die mit viel Dreck und Krach verbunden war. Heute verbringen die Zerspanungstechniker einen Großteil ihrer Arbeitszeit am Computer, um die Maschinen zu programmieren, die dann die eigentliche Fräsarbeit machen. Das heißt, wir haben hier viel interessantere Arbeitsplätze – für junge Leute ist es etwas ganz anderes, einen Großteil ihrer Zeit am Computer mit Programmieren zu verbringen. Das sind also ungeheure Chancen, dass Berufsbilder sich verändern und für die jungen Leute auf dem Land interessanter werden, sodass wir sie für diese Berufe gewinnen und halten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Noch ein letztes Beispiel aus der Digitalisierung: Früher haben wir in den Kinos auf dem Land die Filmrollen erst sehr spät oder gar nicht bekommen. Das heißt, neue Filme konnten wir dort nicht schauen. Seit Einführung der Digitaltechnik bekommen sie alle neuen Filme sofort – auch da sind wir auf dem Land nicht mehr abgehängt.

Wir kommen zur Gesundheitsversorgung. Das Land macht sehr viel. Wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist ein ganz wichtiges Ziel für die Regierungskoalition und für die Landesregierung. Integrierte Versorgungsformen, Förderung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum: Hier haben wir sehr viele Maßnahmen, um das zu unterstützen und umzusetzen. Ich möchte aber auch einmal ansprechen, wo es noch hängt: Das ist der Bedarfsplan, und das ist Bundessache.

Wir haben gerade an dem Beispiel Neuhof, Kreis Fulda, gesehen, dass dort eine Frauenarztpraxis schließt. Es gibt den Bedarf, die Nachfrage der Frauen, aber die Kassenärztliche Vereinigung genehmigt dort keine neue Praxis, weil der Landkreis schon überversorgt ist. Allerding sind elf der Facharzt-/Fachärztinnenpraxen in Fulda, aber nur fünf im Umland, obwohl es dort viel mehr Patientinnen als in der eigentlichen Stadt Fulda gibt. Auch dort muss eine Menge getan werden, und das zeigt, wir brauchen auch auf Bundesebene die richtige Weichenstellung, um den ländlichen Raum zu unterstützen und gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung eine wohnortnahe, dauerhafte und sichere Versorgung gewährleisten zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Noch ein paar Worte zum Verkehr: Ich fand es schon witzig, was Kollegin Knell dazu gesagt hat. Bei den vom Land geförderten Straßenbauprojekten liegen 463 von 583 Maßnahmen im ländlichen Raum, das sind über 63 % der Gesamtmittel. Frau Knell, man kann auf diesen Straßen

Fahrrad fahren – man muss es nicht, man kann auch mit dem Auto fahren.

(Heiterkeit – Hermann Schaus (DIE LINKE): Man kann auch zu Fuß gehen!)

Wir haben Sonderprogramme im ÖPNV wie „Mobilfalt“ in Nordhessen, „Garantiert mobil!“ im Odenwaldkreis, wir haben das Regiotram-Netz um Kassel – dieses Programm soll den ländlichen Raum erschließen und an die Stadt Kassel anbinden –, wir haben Bahnstrecken im ländlichen Raum modernisiert – die Vogelsbergbahn und die Odenwaldbahn –; und um die Barrierefreiheit an kleinen Bahnhöfen und -stationen zu verbessern, investieren Bund und Land im Rahmen des ZIP jeweils 16 Millionen € in die Modernisierung der Stationen. Die meisten dieser Stationen liegen im ländlichen Raum, weil nur Stationen mit weniger als 1.000 Ein- und Aussteigern pro Tag gefördert werden. Wir haben ein Projekt „Bürgerbusse“,

Frau Kollegin Goldbach, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

in das auch viel Fördergeld fließt. Daneben fördern wir Programme wie Anrufsammeltaxis, Bürgerbusse und vieles mehr, um auch die Mobilität im ländlichen Raum zu gewährleisten.

Kolleginnen und Kollegen, wir sind auf einem guten Weg. Wir haben die Herausforderungen erkannt, und wir werden weiter daran arbeiten, den ländlichen Raum zu unterstützen – aber der ländliche Raum ist stark und kein strukturschwacher Raum. Wir lassen uns auch nicht kleinreden, von niemandem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Ministerpräsident Bouffier.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich bin dankbar für die Debatte – nicht für jeden Beitrag, aber dass wir Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, wie unser Hessen aussieht.

Man kann es gar nicht oft genug sagen: Bei jeder Umfrage sagen weit über 90 % unserer Bürgerinnen und Bürger, sie leben gerne in Hessen – das ist schon einmal gut –, und, was noch viel wichtiger ist, über 90 % antworten mit Ja auf die Frage, ob sie glauben, dass ihre persönliche Zukunft in diesem Land gut sein wird. Das ist eine Zukunftserwartung, und das ist ein Zustandsbericht, der dem entspricht, wie Hessen ist – und das ist ein ganzes Stück anders, als wir es hier eben gehört haben.

Meine Damen und Herren, ich verstehe es ja: Wenn eine Regierung handelt, dann ist Ihre einzige Antwort, das sei Wahlkampf. Wenn wir etwas Gutes tun, dann sind Sie selten in der Lage, das anzuerkennen – ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Aber eines vorweg: Glauben

Sie, das Schlechtreden und Miesmachen hilft irgendjemandem in diesem Lande? Das kann doch kein Mensch mehr hören.

(Manfred Pentz (CDU): Genau so ist es!)

Die Menschen möchten von uns hören: Wie sind eure Vorstellungen für unsere Zukunft? – Das kann man auf 137 Seiten genau nachlesen. Wir haben eine Menge gemacht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will und kann aus Zeitgründen diese 137 Seiten nicht durcharbeiten. Aber ein paar Bemerkungen seien mir schon gestattet. Wir wissen doch alle, dass wir in einer Zeit rasantesten Umbruchs leben. Der Ausgangspunkt war zunächst die demografische Entwicklung, richtig. Es tritt aber doch eine Menge hinzu. Wir haben eine Revolution der Kommunikation. Wir haben zum Teil eine Revolution in den Arbeitsprozessen: Industrie 4.0, Handwerk 4.0. Das sind alles Stichworte, die uns beschäftigen.

Die spannende Frage ist: Haben wir Ideen, wie wir das erfolgreich gestalten, oder nehmen wir uns gemeinsam zurück? – Diese Regierung hat in der Vergangenheit gehandelt. Sie handelt in der Gegenwart, und unser ganzes Ziel ist, dass wir auch in der Zukunft so handeln, dass die Menschen nicht nur heute gerne in Hessen leben, sondern dass sie auch in zehn oder zwanzig Jahren gut und gerne in Hessen leben. Darum muss es doch gehen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es durchaus in Ordnung, zu schauen, was wir schon alles gemacht haben. Es ist oft bemüht worden: Ja, natürlich, diese Region ist eine starke Region. Die Zahl der Menschen, die gemeinhin im ländlichen Raum verortet sind, kann man unterschiedlich messen. Die einen sagen, der ländliche Raum sind 85 % von Hessen, je nachdem, welche Maßstäbe man anlegt. Aber man wird sicherlich sagen können, dass es mindestens 60 % sind, und es sind mindestens 25 bis 30 % der Bevölkerung. Wenn man es in einem größeren Rahmen sieht, ist es fast die Hälfte der Bevölkerung.

Da geht es also nicht um abgehängte Gebiete, nicht um Expeditionen in ferne Länder, sondern das ist das, was uns Hessen ausmacht.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Meine Erfahrung und auch Ihre, wenn Sie ehrlich sind, ist doch: Die Menschen, um die es dort geht, sind sehr selbstbewusst. Die brauchen keine Tüdelei von denen, die aus dem Zentrum kommen und ihnen erklären, wie das Leben geführt wird. Nein, sie haben Anspruch darauf, dass ihre Zukunft so gestaltet wird, dass sie zu Hause eine gute Zukunft haben. Genau darum geht es, und deshalb nennen wir das auch Offensive für den ländlichen Raum, „Heimat Hessen“.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört z. B. natürlich auch der Breitbandausbau. Ich kann die Debatte, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen. Wer bestreitet, dass noch etwas zu tun ist? – Niemand. Aber man sollte anerkennen, dass Hessen, egal wie man es rechnet, immer in der Spitzengruppe in Deutschland ist. Das ist doch gut. Das verdient gelegentlich auch den Hin

weis des Dankes. Wenn Sie es schon nicht für die Regierung tun, dann z. B. für die Kommunalen, die in gemeinschaftlichen Anstrengungen der Landkreise, teilweise auch der Kommunen, mit Unterstützung des Landes – finanzielle Unterstützung, strategische Unterstützung – eine Menge geleistet haben.