Protocol of the Session on February 1, 2018

Über das Thema Streik kann man landespolitisch sicherlich diskutieren. Es entspricht allerdings nicht meiner Auffassung von Tarifautonomie, dass die Politik bei laufenden Verhandlungen Partei für die eine oder die andere Seite ergreift.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Für die Besucherinnen und Besucher der Plenarsitzung: Tarifautonomie bedeutet nämlich, dass die Tarifparteien, also die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände, ihre Tarifverträge autonom und frei von staatlicher und politischer Einflussnahme verhandeln.

(Stephan Grüger (SPD): Man kann auch eine Meinung haben!)

Auch die Mittel der Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind

(Janine Wissler (DIE LINKE): Man darf auch eine Meinung dazu haben!)

wie sie aktuell laufen –, sind verfassungsrechtlich geschützt und müssen frei von politischer Einflussnahme sein. Das ist auch richtig so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Für Politiker und das Parlament muss die Haltung deshalb klar sein. Es geht einen Schritt zu weit, zu sagen, die eine oder die andere Seite muss unterstützt werden.

(Wolfgang Decker (SPD): Was ist denn jetzt Ihre Meinung? – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Lassen Sie doch die Frau in Ruhe!)

Es wurde hier schon häufig über das Thema Arbeitsmarktpolitik diskutiert. Das ist auch richtig; denn Mindestlohn, Leiharbeit, befristete Beschäftigung oder Minijobs sind wichtige politische Themen, die Rahmenbedingungen formen, unter denen die Tarifparteien verhandeln.

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Wir GRÜNE wollen gute Arbeitsbedingungen, gute Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte und eine gerechte Entlohnung.

Wir haben in Hessen eine sehr gute wirtschaftliche Lage. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie schon lange nicht mehr. Auch ungelernte Menschen profitieren von dieser günstigen Konjunktur.

(Manfred Pentz (CDU): Ganz genau!)

Auch in diesem Bereich ist die Arbeitslosenquote nämlich kontinuierlich zurückgegangen. Deshalb kann ich für uns GRÜNE sagen, dass von der guten wirtschaftlichen Lage auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren müssen. Die Gewinne müssen auch bei denen ankommen, die tagtäglich hierfür arbeiten. Aber wie und in welcher Form, das müssen die Tarifparteien unter sich regeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))

Jetzt kann man noch einmal auf das Thema Arbeitszeitverkürzung näher eingehen. Hier haben wir für Landesbedienstete viele Möglichkeiten geschaffen. Dabei geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht nur im Sinne der Vereinbarkeit von Kindererziehung und beruflicher Tätigkeit, sondern auch im Sinne der Vereinbarkeit der Pflege von Angehörigen mit der beruflichen Tätigkeit. Was auch sehr wichtig ist, ist die Vereinbarkeit der Ausübung eines politischen oder sonstigen Ehrenamts mit einer beruflichen Tätigkeit.

Das Land Hessen tut sehr viel, um seinen eigenen Landesbeschäftigten flexible Arbeitszeit zu ermöglichen. Wir sind sehr froh, dass das Land Hessen die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten faktisch von 42 auf 40 Stunden reduziert hat – Stichwort: Lebensarbeitszeitkonto, auf das die 41. Stunde geht.

Es wurden auch Spielräume in den Tarifverhandlungen ausgenutzt, um beispielsweise das hessenweite Jobticket

einzuführen. Außerdem wurden in Hessen die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeiten wie Freistellung, Beurlaubung oder Homeoffice ausgeweitet. Diese Maßnahmen sind wichtig, damit der öffentliche Dienst besonders in Zeiten des Fachkräftemangels ein attraktiver und innovativer Arbeitgeber ist und bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss möchte ich den Verhandlungspartnern viel Erfolg wünschen. Ansonsten gilt in dieser Aktuellen Stunde: Wir haben eine Neutralitätspflicht, der wir auch nachkommen. Das kann nur im Sinne der Gewerkschaften sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Manfred Pentz (CDU): Sehr gute Rede!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kinkel. – Als nächster Redner spricht Kollege Rock von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Wissler, Sie müssen an der Stelle immer überziehen. Sie müssen immer überziehen und einen Vorgang, der in unserem Wirtschaftssystem ganz normal ist – dass Tarifpartner sich für die Interessen des Unternehmens bzw. für die Interessen der Beschäftigten einsetzen –, zu einer globalen politischen Debatte erhöhen. Das ist eine völlige Übertreibung dieser Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie haben hier eine pauschale Kapitalismuskritik vorgetragen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie war ziemlich konkret!)

Ich möchte Sie einmal an die historischen Wahrheiten in unserem Land erinnern. Ich glaube, kein einziger Industriearbeiter, der heute in Deutschland einen Job hat, wäre bereit, zum Sozialismus der DDR zurückzukehren.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt macht doch nicht auch noch die CDU-Parolen! Keine Argumente!)

Dort musste man Arbeiten verrichten, die gesundheitsschädlich waren, mit Arbeitszeiten, die wir mit den heutigen überhaupt nicht vergleichen können, und mit einer Bezahlung, die mit der heutigen überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist.

(Zurufe der Abg. Hermann Schaus und Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Hören Sie bitte auf, diese Verklärung der Geschichte hier immer wieder vorzutragen.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Es gibt kein Land, in dem man das Experiment so hat scheitern sehen wie in unserem. Darum: Hören Sie auf mit dieser ewigen Kritik an unserer Gesellschaftsordnung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe gar kein Problem damit, unsere Meinung zu dieser Auseinandersetzung zu sagen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Aha!)

Aber das müssen Sie – die CDU oder die anderen Fraktionen, die das heute gesagt haben – doch akzeptieren: Es ist ein zentraler Bestandteil unserer Wirtschaftsordnung, dass die Tarifpartner ihre Angelegenheiten selbst regeln. Das ist ein Erfolgsmodell in unserem Land.

(Manfred Pentz (CDU): Natürlich! Das stärkt doch die Gewerkschaften!)

Respekt seitens der Politik zeigt sich darin, dass man die Tarifpartner das auch ohne politischen Druck für sich verhandeln lässt. Das ist Respekt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie provozieren uns an dieser Stelle, trotzdem politisch etwas zu sagen, weil wir nämlich sonst hier dastehen würden, als würden wir uns nicht trauen, unsere Meinung vorzutragen, und Sie die Einzigen wären, die dazu eine Meinung haben. Damit schaden Sie natürlich solchen Tarifauseinandersetzungen und damit einer Grundsäule unseres Wirtschaftssystems.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Schaden?)

Natürlich ist es aus Sicht der Freien Demokraten so, dass wir flexible Arbeitszeiten brauchen. Natürlich ist es aus unserer Sicht so, dass die starren Systeme, über die wir jetzt verhandelt haben, aus einer anderen Zeit stammen und dass wir mehr Flexibilität brauchen. Wir wollen nicht, dass die Arbeitnehmer dadurch einen Nachteil haben.

Sie sagen, dass man in der Hochkonjunktur in einem Industriebetrieb an seine Leistungsgrenzen geht. Das ist in der Hochkonjunktur nun einmal so. Das ist eine Situation, die eine riesige Herausforderung darstellt. Das muss von den Unternehmen auch ökonomisch abgegolten werden. Natürlich müssen auch die Mitarbeiter von dem Erfolg des Unternehmens profitieren.

(Beifall bei der FDP)

Das kann man nicht einfach zur Seite wischen. Dies sind gesellschaftliche Debatten, die uns alle umtreiben, ob das die Pflege von Angehörigen, die Kinderbetreuung oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Das kann man nicht einfach nur auf die Unternehmen abladen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe; vor allem ist es eine staatliche Aufgabe, das zu regeln.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich müssen sich auch – da gebe ich Ihnen recht – die Unternehmen weiterentwickeln. Auch die Unternehmen müssen auf solche Herausforderungen eingehen. Aber ich frage Sie einmal, da Sie sagen, man sei aufgrund der Arbeit am Limit: Wo wird der Arbeitnehmer denn entlastet, wenn er frei bekommt, um zu Hause wieder arbeiten zu können? Inwiefern wird der Arbeitnehmer dann entlastet? – Es ist doch die Verantwortung des Staates, dass ich eine gute Kinderbetreuung habe. Es ist die Verantwortung des Staates, dass ich eine bezahlbare Altenpflege habe, die menschenwürdig ist. Das sind Aufgaben des Staates. Es ist erst einmal für uns eine Herausforderung und nicht für die Unternehmen.

(Beifall bei der FDP)