Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit dem Überfall der türkischen Armee auf die von Kurden selbst verwalteten Gebiete in Nordsyrien sind laut Medienberichten mindestens 55 Zivilisten getötet worden. Bilder von getöteten und trauernden Menschen gehen um die Welt. Dieser Krieg bringt für die Zivilbevölkerung Tod, Zerstörung, Fluchtbewegung und eine humanitäre Katastrophe hervor. Dieser Überfall der türkischen Armee auf die Kurdinnen und Kurden in Syrien ist nicht weniger als ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg und ein großes Verbrechen.
In den vergangenen Tagen haben an vielen Orten in Hessen Menschen gegen diesen Krieg protestiert. Ich finde, auch der Hessische Landtag sollte heute ein Zeichen setzen und diesen Krieg eindeutig und unmissverständlich verurteilen.
Der türkische Präsident Erdogan, der das Land in eine autoritäre Diktatur verwandelt, behauptet, in Nordsyrien Terroristen zu bekämpfen. Ich frage Sie: Wer hat dem IS, den Terrorbanden, die Stirn geboten? Wer hat dem Terror in Nordsyrien die Stirn geboten? Es war doch die kurdische YPG, gegen die der Autokrat Erdogan seinen Feldzug führt.
Wie glaubwürdig ist ein Präsident, der vorgibt, gegen den Terror zu kämpfen, während er für die Verhaftung von Tausenden Demokraten, Journalisten und Kritikern aus Politik und Zivilgesellschaft – unter anderem unzählige Mitglieder unserer Schwesterpartei HDP – verantwortlich ist? Wie glaubwürdig ist ein Präsident, der auch im Südosten der Türkei einen blutigen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung führt?
Nein, der türkische Staatschef Erdogan ist kein Vorkämpfer gegen den Terror, sondern ein Förderer des islamistischen Terrors. Er terrorisiert Teile der Bevölkerung im eigenen Land. Ein solcher Autokrat darf und kann nicht Partner der deutschen Politik sein.
Seit Beginn des Überfalls auf Nordsyrien sind in der Türkei über 300 weitere Menschen festgenommen worden. Wir dürfen da nicht weiterhin wegschauen. Der völkerrechtswidrige Krieg des NATO-Mitgliedstaats Türkei – auch gemeinsam mit islamistischen Terrormilizen – ist eine Schande. Aber eine genauso große Schande ist, dass die Großmächte und regionale Staaten mit Einfluss die Menschen in Afrin fallen lassen.
Es ist eine Schande, dass die Bundesregierung diesen türkischen Autokraten weiter hofiert, der in seiner Sprache und auch in seinen Handlungen jedes Maß verloren hat.
Erdogan betreibt seit Abschluss des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals, der im Wesentlichen auf Betreiben der deutschen Regierung zustande gekommen ist, eine Politik der offenen Erpressung gegenüber der EU und auch der deutschen Bundesregierung. Diese machtpolitische Kumpanei – zuletzt übrigens mit Bildern eines in Goslar mit seinem türkischen Kollegen Tee trinkenden deutschen Außenministers untermauert –, die vor allem auf dem Rücken der Flüchtlinge in syrischen Kriegsgebieten ausgetragen wird, muss endlich ein Ende haben.
Aber es gibt eine weitere deutsche Verantwortung. In Afrin kommen in Deutschland hergestellte Leopard-2-Panzer zum Einsatz. Teile dieser Panzer wurden und werden in Hessen hergestellt. In Kassel stellt bekanntlich der deutsche Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann die Geschütztürme für Leopard-2-Panzer her.
Deswegen muss ich es an dieser Stelle klar sagen: Wer Waffen in alle Welt exportiert, darf sich nicht wundern, wenn diese Waffen in blutigen Kriegen zum Einsatz kommen, unschuldige Menschen das Leben kosten und unzählige Menschen in die Flucht zwingen. Meine Damen und Herren, Krieg ist und bleibt die Fluchtursache Nummer eins in der Welt. Wer Fluchtursachen wirklich bekämpfen will, muss Waffenproduktion und Waffenexporte endlich beenden.
Leider ist es ausgerechnet eine Große Koalition, die Jahr für Jahr für Rekordwaffenexporte sorgt. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben. Es müssen vordringlich alle deutschen Rüstungsexporte, vor allem in die Türkei, gestoppt werden. Wir müssen aber weiter gehen. Das tödliche Geschäft mit der Rüstung muss beendet werden. Wir brauchen einen Ausstieg aus der Rüstungsproduktion und einen Einstieg in die Rüstungskonversion.
Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam ein klares Zeichen gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg setzen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Schalauske. – Als Nächster spricht Herr Kollege Schwarz für die Fraktion der CDU. Bitte schön.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Bevor ich in die Begründung unseres Antrags einsteige, möchte ich eine Änderung bekannt geben, weil mir signalisiert wurde, dass es Fraktionen gibt, die möglicherweise dem Antrag zustimmen.
In dem Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Situation in Syrien, Drucks. 19/6001, ändern wir den vorletzten Satz in der viertletzten Zeile folgendermaßen:
Er bittet vor diesem Hintergrund die Bundesregierung darum, dies deutlich gegenüber der türkischen Regierung zum Ausdruck zu bringen.
Dies bitte ich zur Kenntnis zu nehmen; denn der Antrag lag schon auf dem Tisch, als diese Abstimmung erfolgte.
Meine Damen und Herren, das ist ein sehr ernstes Thema am Ende einer anspruchsvollen Parlamentswoche. Die Situation in Syrien ist höchst problematisch. Syrien hat in den letzten Jahren einen fürchterlichen Krieg erfahren. Leid und Elend wurden in einem Übermaß über die Bevölkerung gestreut. Die türkische Offensive in Nordsyrien ist das Gegenteil dessen, was Syrien und der Nahe Osten brauchen. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Wir fordern daher ein Ende der Gewalt. Wir fordern eine friedliche und diplomatische Lösung. Wir fordern – und wünschen uns –, dass der Dialog und nicht der Konflikt im Vordergrund steht. Deswegen sagen wir: Jawohl, der UNFriedensprozess ist der richtige Weg, um diesen höchst problematischen Konflikt in den Griff zu bekommen. – Deswegen wünschen wir uns, dass die Kampfhandlungen unverzüglich gestoppt und die Gespräche intensiviert werden.
Ich will allerdings nicht verhehlen, dass dieses Thema – so ernst und bedeutsam es auch ist – im Kern kein landespolitisches Thema ist. Dennoch bitten wir die Landesregierung darum – das machen wir gerne –, über alle ihr zur Verfügung stehenden Kanäle an der friedlichen Beilegung des Konflikts zu arbeiten.
Dabei ist zunächst unerheblich, woher die Waffen kommen. Das Problem muss gelöst werden. Die Beurteilung von Waffenausfuhren – das war seit jeher so – ist, unter Beurteilung der Sicherheitslage, Sache der Bundesregierung. Ich halte es auch für richtig, dass auf dieser Ebene die Entscheidung zu treffen ist.
Fakt ist – das meine ich sehr ernst –: In den Neunzigerjahren, als die Leopard-2-Panzer an den damals verlässlichen NATO-Partner Türkei geliefert wurden, wurden diese Waffen an ein befreundetes Land ausgeliefert. Daher war die Entscheidung damals richtig.
Das ist auch eine Frage von Bündnistreue. Ich gebe ein klares Glaubensbekenntnis ab: Jawohl, wir brauchen die NATO als Stabilitätsanker für Sicherheit und zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Die freiheitlich-demokratische Grundordnung wird in der Türkei verteidigt!)
Zu Ihnen komme ich gleich. – Ich will Ihnen eines sagen: Leider hat die Türkei – spätestens seit dem sogenannten Umsturzversuch, aber auch schon vorher – eine dramatisch negative Entwicklung genommen. Ich will sehr deutlich sagen: Das Problem hat einen Namen. Dieser Name ist Erdogan.
Liebe Freunde, ich möchte die Türkei und Erdogan nicht gleichsetzen. Das Problem ist tatsächlich dieser Staatschef, der aus einer demokratischen Blüte, die am Beginn war, zu wachsen, ansatzweise wieder einen totalitären Staat gemacht hat. Das ist unsäglich.
Die Fortschritte zur Demokratie, zur Rechtsstaatlichkeit und zur Gewaltenteilung sind leider de facto und in Teilen de jure rückgängig gemacht worden; und das bedauern wir sehr. Gut ist, dass die Bundesregierung entschieden hat, den geforderten Minenschutz für türkische Panzer nicht zu genehmigen. Das war eine goldrichtige Entscheidung.
Herr Präsident, ich komme zügig zum Ende. – Gut ist, dass die internationalen und nationalen Kräfte miteinander im Gespräch sind und daran arbeiten. Wir wollen helfen, diesen Prozess fortzusetzen. Was wir gleichwohl nicht akzeptieren, ist, wie die Linkspartei parteipolitisch versucht, diesen Konflikt auf deutschem Boden auszutragen,
beispielsweise in Oberhausen, wo linke Abgeordnete diesen Konflikt auf dem Marktplatz mit Demonstrationen und illegalen Flaggen entsprechend begleitet haben. Das akzeptieren wir ausdrücklich nicht.
Herr Kollege, die Redezeit ist jetzt endgültig abgelaufen. Herr Kollege, die Redezeit ist um. – Als Nächster spricht Herr Abg. Lenders für die Fraktion der Freien Demokraten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kollegen! Dies vorab: Ich frage mich schon, warum wir uns mittlerweile in fast jeder Plenarwoche mit einem Antrag der Linksfraktion beschäftigen müssen, wenn die gesamte Tagesordnung eigentlich schon behandelt ist und die Aktuellen Stunden beraten sind. Es geschehen in der Welt wirklich schlimme Dinge; und wir beschäftigen uns hiermit, obwohl wir als Hessischer Landtag nun wirklich gar keine Kompetenz und keinen Einfluss darauf haben, was passiert.
Herr Kollege, wir haben tatsächlich die Möglichkeit der Aktuellen Stunde, aber am Ende einer Plenarwoche wollen Sie immer noch einen Punkt setzen. Das haben wir bisher immer sehr großzügig mitgetragen.