(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht darauf reagieren! – Dr. Frank Blechschmidt: „Ich kenne ein Dorf“! Ei, ei, ei! – Jürgen Lenders (FDP): Ich auch! – Weitere Zurufe von der FDP)
Eines will ich Ihnen auch sagen: Ich werde jetzt wirklich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, weil ich mich über die Redebeiträge in der Vergangenheit wirklich geärgert habe. Herr Blechschmidt, wenn Sie meinen, Sie können mich auch noch unterbrechen, dann haben Sie sich geschnitten.
Bei diesem Dorf ist es so, dass es außen herum einen Speckgürtel gibt, in dem alles Mögliche entsteht. Jeder hat seinen eigenen Vorgarten, und jeder sorgt dafür, dass vorne und hinten alles in Ordnung ist. Die Ortsmitte aber stirbt aus. Jeder Teil in diesem Ortskern, der früher einmal wertig, ansehnlich und attraktiv war, stirbt aus. Genau da greift der „Masterplan Wohnen in Hessen“. Herr Lenders, ich habe schon mehrmals festgestellt, dass Sie diesen Masterplan nicht gelesen haben. Wenn Sie ihn gelesen hätten, dann hätten Sie ihn wahrscheinlich nicht verstanden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der FDP und der SPD: Ui! – Dr. h.c. Jörg- Uwe Hahn (FDP): Die Toleranz in Person! – Weitere Zurufe von der FDP – Glockenzeichen der Präsidentin)
Tatsache ist, dass ich heute nicht die erste Rednerin bin und Sie schon eine ganze Menge vorgelegt haben. Ich kann auch mit Herrn Schäfer-Gümbel anfangen.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie sind auch stellvertretender Parteivorsitzender. Soll ich Ihnen einmal meine Erfahrungen mit Ihrer Partei mitteilen? – Ich kann Ihnen sagen, im Jahr 2010, als Darmstadt wieder einmal keinen ausgeglichenen Haushalt hatte und es keine Mehrheiten gab, gab es in den Beratungen über den Haushalt von Ihrer Partei – und nicht nur von einer Person, das will ich ausdrücklich sagen – den Vorschlag, die letzte Million, die noch im Darmstädter Haushalt für den sozialen Wohnungsbau enthalten war, auch noch zu streichen. – Das ist meine Erfahrung mit Ihrer Partei.
Bezeichnend in Ihrem Redebeitrag ist doch, dass die in dem Antrag genannten 30 % des verfügbaren Einkommens in Ihrer Rede zu 40 % werden. So schnell geht das bei Ihnen von einem Blatt zum Pult, 10 Prozentpunkte. Danke schön auch dafür.
Das ist eine Tatsache. Wir beschäftigen uns schon die ganze Zeit mit Wohnungsbau. Wir haben einen Masterplan, der alle Bereiche des Wohnungsbaus abdeckt, egal ob es urbaner oder ländlicher Raum ist, ob es Bodenpolitik ist, ob es Entwicklung ist, ob es gemeinschaftliches Wohnen ist, ob es finanzielle Unterstützung ist, ob es die Allianzen in den verschiedenen Bereichen sind. All das wird durch diesen Maßnahmenkatalog abgedeckt.
Warum ich den Eindruck habe, dass es nicht verstanden worden ist – so fair möchte ich sein und es noch einmal erklären –, was in dem Masterplan steht: weil die Gießkannenpolitik in der Opposition immer noch das vorherrschende Mittel zur Verbesserung zu sein scheint.
Meine Kollegen im Bundestag haben die große Befürchtung, dass das, was Sie im Sondierungspapier erarbeitet haben, einzig und allein der Lobby der Immobilienwirtschaft geschuldet ist.
Genau deswegen, weil Sie per Gießkanne in diesen heiß umkämpften Immobilienmarkt noch mehr hineinschütten, um das Ganze noch mehr anzufachen.
Schauen Sie sich doch einmal die Tools im Masterplan an, und nehmen Sie sich Zeit und Muße, das auch zu verinnerlichen. Dann werden Sie feststellen, dass das für alle Beteiligten, die im Wohnungsbau wichtig und nötig sind, ein Ansatzpunkt ist, an dem sie arbeiten können. Das ist der Kern des Masterplans.
Natürlich haben wir auch eine ganze Menge Aufgaben für die Zukunft. Ich will einmal so sagen: Die erste Aufgabe, die wir für die Zukunft haben, ist nicht nur bauen, bauen, bauen. Das ist unbestritten. Das macht man doch auch. Schauen Sie sich doch um, es wird doch gebaut, gebaut, gebaut.
Wenn es im Augenblick zurückgeht, dann liegt das an anderen Gründen. Tatsache ist doch, dass so viele Baugenehmigungsverfahren gelaufen sind, dass wir natürlich einen wahnsinnigen Schub hätten, wenn das umgesetzt würde. Aber dazu kommen auch die Faktoren der Bauwirtschaft.
Dann will ich Ihnen noch sagen: Den sozialpolitischen Aspekt hätte ich von Ihrer Partei schon erwartet. Ich hätte schon erwartet, dass von Ihnen ein bisschen mehr kommt. Aber von Ihnen kommt nur dieses ewig eindimensionale Fordern nach bauen, bauen, bauen – mehr fällt Ihnen nicht ein. Kein Konzept zum Klimaschutz, kein Angebot für irgendjemanden. Dann kommen Sie und beschweren sich darüber, dass die Kompetenzen auf zwei Ministerien ver
Entschuldigung. – Bei uns in Darmstadt hat die Sozialdezernentin die Kompetenz zum Wohnungsbau und zur Umsetzung des sozialen Wohnungsbaus.
Sehen Sie doch einmal einen Gewinn darin, dass sich zwei Ministerien darum kümmern, wie man von zwei verschiedenen Seiten ein Thema anpacken und umsetzen kann. Das ist die Lösung, nicht Eindimensionalität, Herr Lenders. Vielleicht sollten Sie darüber einmal nachdenken.
In diesem Zusammenhang können wir einmal darauf zurückkommen, was die Große Koalition im Bund in der letzten Zeit für den sozialen Wohnungsbau und den Wohnungsbau überhaupt geleistet hat.
Aus meiner Erfahrung kann ich auch sagen, dass wir uns bei der Regierungsübernahme 2011 etwas anderes gewünscht hätten. In meinem Umfeld in der Kommune haben wir feststellen müssen, dass die Gespräche mit der BImA auf Eis lagen. Es war sozusagen alles abgeschnitten, aber wir brauchten dringend den Erwerb der Lincoln-Siedlung; der Kollege Michael Siebel kennt das. Er weiß auch, wie schwierig es damals war, die Gespräche wieder aufzunehmen, weil der sozialdemokratische Stadtbaurat vorher sozusagen fast alles an Gesprächskultur in den Sand gesetzt hatte, was in den Sand zu setzen war. Wenn ich Sie heute so höre, wundert mich das auch nicht.
Wir hätten uns damals gewünscht, dass die Große Koalition und speziell die Sozialdemokraten im Bund viel mehr darauf gedrungen hätten, dass die BImA die Flächen günstig verkauft und vor allem diese Entscheidungen nicht aussitzt, was sie aber lange getan hat, sondern Partner der Kommunen wird. Es gibt nämlich nicht wenige Leute, die behaupten, im Grunde genommen seien die Kommunen zweimal enteignet worden. Aber das führt jetzt zu weit, das müssen wir nicht weiter ausführen.
Ich möchte Sie bitten, die ganze Wohnungspolitik nicht als eindimensionalen Plan anzusehen, sondern stattdessen essenziell in die Tiefe des Themas zu gehen, sich allen Anforderungen zu stellen und nicht nur zu sagen: bauen, bauen, bauen. Bauen ist nämlich ein hochkomplexes Thema. Ich würde mir wünschen, dass dieses hochkomplexe Thema auch einmal von der Opposition verinnerlicht würde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist vielerorts dramatisch, besonders für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen, für Familien und für Studierende. Sie werden zunehmend aus den Innenstädten verdrängt, weil sie sich die Mieten einfach nicht mehr leisten können, die oft über der Hälfte ihres Monatseinkommens liegen. Dagegen muss in der Tat dringend etwas getan werden.
Seit 1991 hat sich der Bestand an Sozialwohnungen in Hessen mehr als halbiert. Von 205.000 Sozialwohnungen Anfang der Neunzigerjahre sind es heute gerade einmal 93.000. Herr Caspar, es kann doch nicht Ihr Ernst sein, sich hierhin zu stellen und zu erklären, es sei ein Erfolg, dass es nur noch 93.000 Sozialwohnungen gebe und nicht mehr so viele Menschen in Sozialwohnungen leben müssten. Das ist doch zynisch.
Wir reden hier über einen eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wir reden über Menschen, die verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen. Wir reden über Menschen, die aus den Innenstädten verdrängt werden. Sie wissen ganz genau, wie viele Menschen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, und Sie verkaufen das hier als Erfolg? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, das ist doch zynisch, was Sie hier erzählen, Herr Caspar.
Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir hier nicht über eine Randgruppe reden, wie Sie es darstellen. In Frankfurt – das ist nicht meine Zahl, sondern die der Frankfurter Stadtregierung – haben 47 % der Bevölkerung ihrem Einkommen nach Anspruch auf eine Sozialwohnung. Und da erzählen Sie irgendetwas von Sozialgettos, als sei das eine Minderheit und eine Randgruppe. Nein, wir brauchen mehr Sozialwohnungen, weil es eben viele Menschen trifft, die sich diese hohen Wohnungsmieten einfach nicht mehr leisten können.
Deshalb kann man diese Verächtlichmachung des sozialen Wohnungsbaus, die Sie hier betrieben haben, so nicht stehen lassen. Der soziale Wohnungsbau ist ein wichtiges Instrument der sozialen Gerechtigkeit; denn Wohnraum ist zu wichtig, als dass man ihn einfach dem Markt überlassen könnte.
Jedes Jahr fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue geschaffen werden. Alleine in den Jahren 2015 und 2016 – darüber freuen Sie sich vermutlich wieder, Herr Caspar – waren es fast 20.000 Sozialwohnungen, die verloren gingen. Ich sage Ihnen einmal etwas: Diese Woh
nungen sind danach nicht weg, sie werden nur teurer, weil sie aus der Bindung gefallen sind. Natürlich sind die Wohnungen weiterhin da.