Protocol of the Session on December 12, 2017

Nun kommen Sie kurz vor Toresschluss mit einem Änderungsantrag, der kaum noch etwas mit Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf zu tun hat.

(Günter Rudolph (SPD): Ja! Das ist wahrscheinlich auch einzigartig!)

Man muss schon sagen, es ist daran herumgestoppelt worden. Wenn man sich den Gesetzentwurf mit den eingearbeiteten Änderungen aus Ihrem Änderungsantrag vornimmt, erkennt man, das alles passt nicht mehr zusammen. Die komplette Problembeschreibung und die Beschreibung der Lösung, die in dem Gesetzentwurf unverändert bleibt, haben mit dem Inhalt nichts mehr zu tun; denn Problembeschreibungen und -lösungen stellen absolut nur auf den Glücksspieländerungsstaatsvertrag ab, und von dem bleibt, wie Kollege Bauer zutreffend gesagt hat, in der Tat nichts übrig, weil es keine Ratifikation gibt. In Ihrem Gesetzentwurf gehen Sie – auch nach dem Änderungsantrag – nach wie vor von der Ratifikation aus. Sie bejubeln die Umverteilung bisheriger Zuständigkeiten und ein Sonderkündigungsrecht, wobei das alles gar nicht mehr Bestandteil der Gesetzesnovelle ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Änderungsantrag ist mit heißer Nadel gestrickt; denn Sie haben die vorangegangenen Entwicklungen verschlafen oder wollten sie nicht wahrnehmen. Der Gesetzentwurf ist so, wie er vorliegt, in weiten Bereichen sinnlos. Sie sollten ihn deshalb zurückziehen und anschließend in einem geordneten Verfahren einen neuen Gesetzentwurf einbringen, damit wir die hessischen Regelungen ordentlich anpassen können, so, wie es angemessen ist. Die Thematik ist viel zu wichtig – ich hoffe und glaube, dass ich mit dem Kollegen Bauer darin völlig einig bin –, als dass sie durch einen unausgegorenen und minimalinvasiven Eingriff umfassend geregelt werden könnte.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen eine echte Reform des Glücksspielrechts und eine Lösung für das höchst umstrittene Glücksspielkollegium – Sie haben es angesprochen – wie auch für das Onlinespiel.

Ich sage deswegen deutlich: Das, was Sie unter Punkt 1 Ihres Antrags aufgeschrieben haben, ist richtig. Das ist absolut richtig, und dem werden wir auch zustimmen. Ich kündige schon an, dass wir bitten werden – je nachdem, wann über den Antrag abgestimmt wird –, getrennt darüber abzustimmen: Punkt 1 und 2 einerseits und den Rest andererseits. Unter Punkt 1 und Punkt 2 wird nämlich, wie gesagt, die richtige Richtung vorgegeben, und dahin sollte man auch marschieren. Auf die Reform, die dort angemahnt wird, warten wir schon viel zu lange.

Meine Damen und Herren von der Koalition und von der Landesregierung, Herr Innenminister, Herr Ministerpräsident – Sie haben es in der Ministerpräsidentenkonferenz zu verhandeln –, ich kann nur sagen: Werden Sie endlich aktiv. Tun Sie endlich das, was notwendig ist. Finden Sie sich mit den Vertretern der willigen Länder zusammen, die an einer europarechtskonformen Regelung interessiert sind, und gehen Sie mit ihnen eine solche Ausgestaltung an.

Herr Kollege Bauer, erlauben Sie mir nur diese eine Bemerkung: Das, was unter Punkt 1 Ihres Antrags steht, ist völlig korrekt. Sie loben dort Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Aber das Typische daran ist – das ist die Situation in Hessen –, dass Hessen in dieser Aufzählung fehlt; denn Hessen ist eben nicht vorne. Wir laufen in Hessen nämlich hinterher und spitzen zwar immer den Mund, kommen aber nicht zum Pfeifen.

Sie haben die richtigen Wegweisungen besprochen und auch schon mehrfach aufgezeigt. Im Innenministerium sind sie erarbeitet worden. Sie listen das unter Punkt 5 Ihres Antrags auf. Aber dann müssen Sie auch etwas tun. Stellen Sie nicht einfach irgendwelche Anträge, sondern bilden Sie eine Koalition der Willigen. Tun Sie sich mit denen zusammen, die bereit sind, entsprechende Regelungen zu treffen, und machen Sie dies landesrechtlich; denn es ist Landesrecht, um das es hier geht, solange es einen solche Staatsvertrag nicht gibt. Dass eine Einigung aller 16 Länder in diesem Bereich möglich ist, ist eine Utopie. Das hat die Vergangenheit bewiesen. Das wird nicht funktionieren.

Handeln Sie endlich, kommen Sie in die Gänge, machen Sie nicht einfach nur ein paar Anträge und Beschlussvorschläge, sondern machen Sie etwas mit Hand und Fuß, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Greilich. – Für die Linksfraktion hat sich Herr Schaus gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über dieses Gesetz könnte man auch mit dem Titel „Das Drama geht weiter“ überschreiben. Mit Drama meine ich die Situation, dass, vor allem wegen des Widerstands der FDP in Schleswig-Holstein und wohl neuerdings auch in Nordrhein-Westfalen, seit Jahren kein rechtsverbindlicher Staatsvertrag und damit keine so dringend notwendige Begrenzung von Konzessionen zustande gebracht wurden.

Seit 2011 herrscht völliges Chaos. Herr Greilich, mein Vorredner, hat darauf hingewiesen, dass es um den Streit

gehe, eine europarechtlich konforme Regelung zu treffen. Nun maßt sich aber Schleswig-Holstein seit Jahren als einziges Bundesland an, im Gegensatz zu 15 anderen Bundesländern, die europarechtliche Formel gefunden zu haben. Das vermag ich doch wohl sehr zu bezweifeln, ob das tatsächlich das Interesse von Schleswig-Holstein in diesem Verfahren war.

Schleswig-Holstein macht, was es will, und setzt die anderen Bundesländer immer noch weiter unter Druck. So ist der aktuelle Versuch, zu einer einvernehmlichen Regelung der Konzessionsvergabe zu kommen, erneut gescheitert, da bereits – es ist schon angesprochen worden – am 22. September 2017 der Landtag in Schleswig-Holstein beschlossen hat, den Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag – über den wir reden – nicht zu ratifizieren.

Dennoch wurde bei uns der Gesetzentwurf, der nur wenige Tage vor dieser Entscheidung eingereicht wurde, munter weiter diskutiert, und es wurde so getan, als ob es die schleswig-holsteinische Entscheidung nicht gäbe. So fand selbst am 09.11.2017 die Expertenanhörung im Innenausschuss statt, also sechs Wochen, nachdem die Landesregierung hätte wissen müssen und können, dass die Rechtsgrundlage für ihre Vorlage weggefallen ist. Wir haben noch munter auf der Grundlage weiter diskutiert.

Nun liegt uns ein eiligst von CDU und GRÜNEN kurzfristig eingebrachter Änderungsantrag vor, der lediglich die Bezüge zum Staatsvertrag streicht. Darüber hinaus hat die Koalition erst heute einen umfangreichen Antrag dazu eingebracht. Die darin enthaltenen Positionen müssen meiner Ansicht nach grundsätzlich diskutiert werden und nicht, wie es jetzt wieder vorgesehen ist, im Schweinsgalopp. Das wird dem Thema und auch diesem Parlament in keinster Weise gerecht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich frage: Soll das die grundsätzliche Debatte zum Umgang mit Sportwetten sein, die wir hier führen, oder ist es eher die strategische Verhinderung einer intensiven Debatte? Auch diese Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein. Es wäre doch seit dem 22.09.2017 viel wichtiger gewesen, über die Fragen zu diskutieren: Kann jetzt jedes Bundesland beschließen, was es will? Wie gehen wir denn nun mit Onlinewetten um? Welche Folgen hat dies alles für den übrigen Wettbetrieb, für Hessen Lotto z. B.? – Ich finde, hier müssen dringend Leitplanken eingezogen werden, sonst entsteht ein großes Chaos. Hier sehe ich mit großer Sorge in die Zukunft.

Es geht also um weit mehr als um die Frage, ob jetzt 20, 30 oder 35 Konzessionen vergeben werden sollen. Ich will nicht verhehlen, dass der vorliegende Gesetzentwurf durchaus auch positive Änderungen, wie die Einführung von Testkäufen oder den Mindestabstand, enthält. Wir sind aber ebenso wie die Hessische Landesstelle für Suchtfragen e. V. der Auffassung, dass die Ermöglichung von Sportwetten in Lottoannahmestellen abzulehnen ist. – Das führen Sie ein.

Herr Frömmrich, weil Sie vorhin die Experten angesprochen haben, will ich Ihnen aus der schriftlichen Stellungnahme der Landesstelle für Suchtfragen zitieren:

Eine Ermöglichung der Sportwettenvermittlung in Lottoannahmestellen lehnen wir entschieden ab, denn dadurch wird das Angebot von Sportwetten zu

sätzlich in starkem Maß verbreitet und erhält eine deutliche Sichtbarkeit im öffentlichen Raum.

Dies widerspricht der gesetzlichen Prämisse, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht unter anderem durch ein begrenztes Angebot zu verhindern. Gleichzeitig steht es der suchtfachlichen Sicht entgegen, nach der auch die hohe Verfügbarkeit des Glücksspielangebots das Suchtrisiko maximiert.

In ihrer Stellungnahme fordert die Hessische Landesstelle für Suchtfragen darüber hinaus 20 weitere Gesetzesänderungen, um die „Kohärenz und Analogie mit dem Hessischen Spielhallengesetz“ – das werden wir nachher noch behandeln – „zu gewährleisten“.

Diese wichtigen und auch logischen Forderungen zur Verbesserung der Suchtprävention wurden aber in keinster Weise in Ihrem Änderungsantrag berücksichtigt. All dies ist Grund genug für unsere Fraktion, die vorliegende Gesetzesnovelle abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Rudolph das Wort.

(Michael Boddenberg (CDU): Automaten-Rudi!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Bestimmte Wiederholungen werden nicht besser, auch wenn sie blöder werden.

(Michael Boddenberg (CDU): Man kann doch mal einen Spaß machen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Pleiten, Pech und Pannen bei dem Thema Glücksspielstaatsvertrag gehen in die nächste Runde. Der Innenminister wird nachher wieder sagen: Einzigartig, was man alles hinbekommen hat.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja, so ist es!)

Einzigartig ist in der Tat das Versagen aller Bundesländer, und Hessen spielt dabei eine Rolle. Die Länder sind nicht in der Lage, das Glücksspiel vernünftig zu regeln. Hessen hat beispielsweise um die Vergabe der Konzessionen für die Sportwetten gerungen. Hessen ist grandios vor diversen Verwaltungsgerichten, aber auch vor dem Verwaltungsgerichtshof gescheitert.

Herr Innenminister, deswegen tragen Sie als Innenminister seit 2014 die Verantwortung. Sie sind mit verantwortlich, wie im Übrigen weitere 15 Bundesländer, dass man nicht in der Lage ist, diese wichtige Thematik, die Glücksspiele, vernünftig zu regeln. Das ist Ihr Verdienst.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bei der Einbringung gesagt, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht ratifiziert wird. Das wurde weggewischt. Wir haben eine Anhörung durchgeführt, die uns Lebenszeit gekostet hat. Jetzt kommt ein Änderungsantrag. Im Grunde genommen besteht das Ursprungsgesetz jetzt nur noch aus wenigen Ziffern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stimme den Vorrednern, Herrn Schaus und Herrn Greilich, ausdrücklich zu. Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück, und gehen wir gemeinsam an die Arbeit, dieses wichtige Feld zu bestellen. Handlungsbedarf besteht objektiv.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dann hilft auch Ihr Antrag nichts. Die Leitlinien haben Sie schon einmal vorgestellt. Übrigens war es der heutige und damalige Ministerpräsident, der den Glücksspielstaatsvertrag im Jahr 2012 begrüßt hat. Einen Tag später war es ein ganz schlechter Glücksspielstaatsvertrag. Dann weiß ich nicht, warum er vorher zugestimmt hat. Das bleibt das Geheimnis des nicht anwesenden Ministerpräsidenten. Das passt zur Stringenz respektive Nichtstringenz dieser Landesregierung bei Positionen.

Die Positionen der FDP weichen in der Tat von denen fast aller anderen Bundesländer ab. Diese Positionierung teilen wir ausdrücklich nicht. Wie regeln wir Online- und Casinospiele? Wie regeln wir das? Dieser Bereich wird weiter zunehmen.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dieser Bereich bietet hohe Potenziale für Spielsucht, um das ganz deutlich zu sagen. Deswegen brauchen wir vernünftige Regelungen, die bisher nicht vorliegen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Innenminister, Sie haben nachher noch Zeit, Sie müssen mir jetzt nichts von hinten an die Seite brabbeln. Sie hätten in den letzten Jahren Ihren Job machen müssen.

Ich finde es ein Trauerspiel, dass die Länder untereinander nicht in der Lage sind, die Thematik zu regeln. Sonst wird Föderalismus großgeschrieben, aber hier schaffen es 16 Bundesländer nicht, eine Thematik zu regeln. Manchmal endet das an Landesgrenzen. Das ist ein ziemlich absurdes Verfahren in einer digitalen Welt, in der wirklich überall alles offen ist, an Ländergrenzen haltzumachen und nichts hinzubekommen. Das ist das Versagen, nicht nur von Ihnen, aber auch von Ihnen und weiteren 15 Ländern in der Bundesrepublik, damit das an dieser Stelle auch noch einmal deutlich gesagt wird.

Zu den Sportwetten. Ja, wie bekommen wir das kanalisiert? Sie sagen immer: Wenn wir die Anzahl freigeben, ist das alles kein Problem. – Sind Sie wirklich sicher, dass diese Tipicos oder Bet-and-Wins dann tatsächlich Abgaben in Deutschland entrichten, es sei denn, der Steuersatz geht gegen null? Das ist doch die entscheidende Frage.

(Zuruf des Ministers Peter Beuth)