Protocol of the Session on May 21, 2014

Eine Woche weiter hat anscheinend auch RWE erkannt, dass bei dem Thema Ignorieren und Aussitzen der falsche Weg ist. Nicht anders ist zu erklären, wie sich heute RWEChef Peter Terium gegenüber der Öffentlichkeit äußert – ich habe es als Quelle aus NTV, ich zitiere jetzt Herrn Terium –:

„Die Energiebranche ist damals von der Politik in die Kernenergie reingetrieben worden.“ Die Branche habe dies zwar auch gern getan, da sie Geld verdienen wollte. Damit hätten aber zunächst die Investitionen bezahlt und zweitens die Rückstellungen für die Entsorgungskosten untermauert werden müssen.

Wenn ich das von Herrn Terium lese, könnte ich glatt einen Hut herumgehen lassen. Demnach hat die Nutzung der Atomkraft nie Geld gebracht. Ich finde, das ist ein dreistes Stück Geschichtsklitterei.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch nicht so. Die Atomkraftwerke haben jahrzehntelang gutes Geld verdient. Völlig außer Acht gelassen wird, dass da auch viel staatliches Geld drinsteckt. Von 1950 bis 2010 sind staatliche Mittel in Höhe von rund 204 Milliarden € an die Atomwirtschaft geflossen. Dabei sind die Kosten der Endlagerung und der Entsorgung gar nicht mit eingerechnet.

Ich bin sehr froh, dass der Herr Ministerpräsident gerade erklärt hat, dass es mit ihm nicht gehen wird, dass die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden. Herr Ministerpräsident, ich finde es schön, dass Sie sich da auf unsere Wortwahl einlassen. Da unterstützen wir Sie.

Wir kündigen jetzt schon an, im Ausschuss die fünf Punkte unseres Antrags separat abstimmen zu lassen. Wir freuen uns auf die Zustimmung des ganzen Hauses zumindest zu den Punkten 1 und 3. Ich glaube, das wird ein gutes Signal.

Wir werden Sie daran messen, ob Sie in dieser Frage Ihrem Ministerpräsidenten folgen. Denn eines ist ganz klar. In Art. 14 Grundgesetz steht:

Eigentum verpflichtet.

Auch für die Atomwirtschaft gilt das Verursacherprinzip. Das bedeutet, dass die volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten der wirtschaftlichen Aktivität vom Verursacher zu tragen sind. Daran wollen wir uns halten.

Wenn Sie zunächst uns als Antragsteller hätten reden lassen, dann hätten wir Ihnen deutlich gesagt: Darüber, wie wir die Rückstellungen insolvenzsicher machen, müssen wir reden. Selbstverständlich müssen wir darüber reden.

Übrigens ist das nichts Neues. Als Sie damals mit Frau Merkel den Rücktritt aus dem Rücktritt aus dem Atomausstieg verhandelt haben – damals hat übrigens SchwarzGelb im Bund regiert –, wäre es schlau gewesen, genau das mit zu vereinbaren. Zu einem ordentlichen Atomausstieg hätte es gehört, dass man auch die Rückstellungen insolvenzsicher macht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, keiner kann ein Interesse daran haben, dass es einen finanziellen Super-GAU gibt und die Atomindustrie und die Kraftwerksbetreiber pleitegehen. Daran hat keiner ein Interesse. Aber wir wissen, in diesem Land kann viel passieren. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Rückbau- und die Endlagerkosten absichern. Deswegen ist es völlig richtig, hier die Initiative zu ergreifen. Als Land können Sie eine Bundesratsinitiative ergreifen. Das bedeutet nicht, dass Sie es nachher umsetzen müssen. Wir werden uns auf Bundesebene dafür starkmachen, dass sich die Große Koalition dieses Themas annimmt

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

und darauf drängt, dass ein sinnvolles Konzept vorgelegt wird, wie wir die 35 Milliarden € insolvenzsicher hinterlegen können.

Ich sage Ihnen auch: Diese 35 Milliarden € sind nicht ausreichend für die Absicherung des Rückbaus. Es gibt dazu verschiedene Erhebungen, unter anderem vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Die sagen, es wird mit Kosten in Höhe von 44 Milliarden € gerechnet.

An dieser Stelle sage ich Ihnen: Wenn die 35 Milliarden € nicht ausreichen, sind die Atomkraftwerksbetreiber nachschusspflichtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ich wirklich dreist fand, ist, dass die Atomwirtschaft ihr tolles Modell – nach dem Motto: wir übertragen nicht nur die Rückstellungen, sondern auch die gesamten Atomkraftwerke auf den Bund, einen Fonds – mit dem Angebot garniert, ihre Schadenersatzklagen zurückzuziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das hat schon etwas von Erpressung. Auch das muss man deutlich zurückweisen.

Was wir hier aber auch sagen müssen: Die Verantwortung dafür, dass es überhaupt erst dazu gekommen ist, dass die Atomkraftwerksbetreiber dem Staat drohen können, liegt bei Schwarz-Gelb auf Bundesebene.

(Beifall bei der SPD)

Mit Ihrem heillosen Durcheinander – raus aus die Kartoffeln, rein in die Kartoffeln bei der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke – haben Sie es erst möglich gemacht, dass am Ende des Tages die Atomkraftwerksbetreiber damit drohen können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so war es doch historisch. Sie haben mit denen einen Deal gemacht. Sie haben 2010 gesagt: Sie bekommen die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke, im Gegenzug kassieren wir die Brennelementesteuer. – Das war der Deal. Geklagt haben die Atomkraftwerksbetreiber erst, nachdem Sie nach Fukushima die Rolle rückwärts gemacht haben, drei Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Frau Merkel ist vor

angegangen. Herr Bouffier hat zwei Tage länger gebraucht, um festzustellen, dass Atomkraftwerke nicht sicher sind. Ich glaube, das ist eher dem Termin der Landtagswahl im Baden-Württemberg geschuldet als einer inneren Überzeugung.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Wie auch immer. Erst danach haben die Atomkraftwerksbetreiber gegen die Brennelementesteuer geklagt. Insofern tragen ganz klar Sie dafür die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens ist ein Teil der Drohkulisse inzwischen schon zusammengebrochen. Gestern hat dpa verlautbaren lassen, dass die Stromkonzerne E.ON und RWE von den Finanzbehörden die Brennelementesteuer bereits in Milliardenhöhe zurückerstattet bekommen haben. Das war gerichtlich angeordnet worden. E.ON habe insgesamt 1,7 Milliarden € erhalten, RWE habe 400 Millionen € erhalten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Teil dieser Drohkulisse ist also bereits zusammengebrochen.

Fazit der SPD-Fraktion: Erstens. Die Mär von der preiswerten Atomenergie ist Geschichte. Allein dafür war der Vorstoß der Atomkonzerne genau der richtige Weg.

Zweitens. Die Verantwortung für den Rückbau und die Entsorgung der Atomkraftwerke trägt der Eigentümer. Gott sei Dank ist das Konsens in diesem Hause.

Drittens. Die Rückstellungen der Kraftwerksbetreiber sind insolvenzfest zu machen. Das ist richtig. Hier warten wir auf eine Initiative sowohl des Landes als auch des Bundes.

Viertens. Die Zukunft der Energieversorgung gehört ganz unbezweifelbar den erneuerbaren Energien. Hier würde ich mir ein größeres Engagement von RWE, E.ON & Co. wünschen. – In diesem Sinne: Glück auf.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Als Nächste hat Kollegin Hammann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Gremmels, wir können vieles von dem nachvollziehen, was Sie hier vorgetragen haben. Auch uns wäre der erste Atomausstieg der liebere gewesen. Aber das ist verschüttete Milch. Wir müssen darauf achten, vorwärts zu diskutieren.

(Lachen bei der SPD)

Da nehme ich Ihren Antrag ernst. Darin haben Sie gesagt: keine Übertragung der Atomausstiegskosten auf die Steuerzahlerinnen und -zahler. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Deshalb sage ich gleich zu Beginn: Ein Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen der Energiekonzerne wird es mit uns GRÜNEN nicht geben. Wir nehmen das Verursacherprinzip sehr ernst. Wir wissen wie auch Sie, wer die Verursa

cher sind. Sie haben das selbst hier vorgetragen. Das sind nicht die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Es sind die Energiekonzerne, die diese Verantwortung zu tragen haben. Sie sind Verursacher und verantwortlich für die Verwertung der radioaktiven Reststoffe, für die Beseitigung der radioaktiven Abfälle sowie für die Stilllegung der lange betriebenen Atomkraftwerke. Ich glaube, darüber sind wir uns vollkommen einig.

Damit ist aber auch klar: Die vier großen Energiekonzerne und Atomkraftwerksbetreiber – E.ON, EnBW, Vattenfall und auch RWE – haben die Verantwortung und die Finanzierungspflicht zu tragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Timon Gremmels und Hei- ke Hofmann (SPD))

Sie haben die Finanzierung vollständig zu tragen, nicht der Staat und auch nicht die Steuerzahlerinnen und -zahler.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt – und darüber diskutieren wir jetzt –, dass die vier Energiekonzerne und Atomkraftwerksbetreiber RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall die Kostenrisiken, die sie für sich sehen, die natürlich mit der Beendigung der Atomkraftnutzung bis zum Jahr 2022 verbunden sind, gerne auf den Staat, auf die Allgemeinheit abladen würden.

Aus Konzernsicht ist das sehr nachvollziehbar. Offensichtlich haben die Energiekonzerne ein großes Interesse daran, ein nicht mehr gewinnbringendes Geschäft – wie der Betrieb der Atomkraftwerke – an den Staat abzutreten. Das ist durchaus nachvollziehbar, aber das kann nicht unser Interesse sein. Wir haben das Interesse, Steuerzahlerinnen und -zahler zu schützen. Dabei greift das Verursacherprinzip.

Sie haben den Sturm der Entrüstung bemerkt. Alle Medien haben darüber berichtet. Die Bestrebungen machen schier sprachlos. Entsprechend empört reagieren die Menschen, und das auch zu Recht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Denn die Menschen, die sich damit beschäftigt haben, wissen ganz genau, wie viele Jahre die Atomindustrie vom Betrieb der Atomkraftwerke profitiert hat, mit allen Risiken, die damit verbunden waren. Offensichtlich glauben aber die Atomkraftwerksbetreiber an die Devise: Frechheit siegt. Ihr Geschäftsmodell heißt wohl: Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert. – Meine sehr geehrten Damen und Herren: aber nicht mit uns.

Ich habe eben schon gesagt: Die Empörung, die dieses Anliegen hervorgerufen hat, haben die Konzerne offensichtlich nicht erwartet. In der „Wirtschaftswoche“ konnte man eine sehr schöne Darstellung lesen. Am 19.05. wurde dort ein Kurzprotokoll einer Schaltkonferenz der vier großen Energiekonzerne wiedergegeben, die aufgrund der massiven öffentlichen Kritik stattfand. Darin heißt es, ich zitiere: