Protocol of the Session on September 28, 2017

Jedenfalls geht es darum, die Wahlkreise so einzuteilen, dass das nachvollziehbar ist. Das ist der Vorwurf, Herr Innenminister, den wir Ihnen machen. Sie haben einen Gestaltungsspielraum, den Sie aber nur in eine Richtung nutzen. Das ist der entscheidende Punkt. Sie nutzen ihn links. Sie könnten ihn aber auch rechts nutzen. Das werfen wir Ihnen an dieser Stelle vor.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wollen wir Rechtssicherheit. Rechtssicherheit werden Sie durch dieses Gesetz aber nicht erlangen; denn es könnte Leute geben, die jetzt schon sagen, dass Abweichungen von mehr als 25 % ein Problem sind. Das betrifft Frankfurt, Wiesbaden sowie die einwohnerstarken Landkreise Main-Kinzig und Bergstraße. Main-Kinzig müsste einen Wahlkreis mehr bekommen, Bergstraße und Frankfurt möglicherweise einen weniger. Zurzeit gibt es sechs Landtagswahlkreise in Frankfurt, und die Anzahl der Wahlberechtigten liegt in Frankfurt bei rund 400.000. Herr Bauer, Sie müssen sich die Zahlen einmal anschauen und nicht einfach einen Gesetzentwurf einbringen und so tun, als ob Sie gezwungen worden wären.

Deswegen sage ich noch einmal: Ja, wenn die parlamentarischen Beratungen ernst gemeint sind, dann sollten wir in einen Diskurs eintreten, damit die nächste Wahl rechtssicher stattfinden kann. Es kann aber nicht nur nach den Spielregeln von Schwarz-Grün gehen. Sonst wären Sie die Bestimmer, und das wollen Sie bei diesem Thema sicherlich objektiv nicht sein. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung vollzogen.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Innenausschuss. – Dem widerspricht niemand. Dann ist das so beschlossen.

Nun möchte ich Frau Kollegin Wiesmann verabschieden. Bei dieser langen Tagesordnung wissen wir nicht, ob das eine Mitternachtsparty oder jetzt eine Party wird. Wir haben bereits Herrn Kollegen Gremmels und Frau Kollegin Beer verabschiedet. Herr Irmer ist nicht da. Herrn Staatssekretär Dreiseitel haben wir noch zu verabschieden. Jetzt verabschieden wir Bettina Wiesmann.

Liebe Frau Wiesmann, herzlichen Glückwunsch zur Wahl in den Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und der FDP)

In der Politik begegnet man sich nicht nur zweimal, sondern zehnmal, 15-mal oder 20-mal. Sie sind Berlinerin, wohnen in Frankfurt und gehen jetzt wieder nach Berlin, um mitzuregieren oder mitzuopponieren. Schauen wir einmal, wie es ausgeht. Alles Gute für Sie. Damit Sie wissen, wie in Hessen die Uhren schlagen, habe ich Ihnen eine Landtagsuhr mitgebracht. Alles Gute für Sie.

(Beifall – Präsident Norbert Kartmann überreicht ein Präsent.)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über den Vollzug ausländerrechtlicher Freiheitsentziehungsmaßnahmen (VaFG) – Drucks. 19/5275 –

7,5 Minuten Redezeit je Fraktion. Das Wort hat Frau Abg. Wallmann für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte bei der Einbringung des Gesetzentwurfs für ein Gesetz über den Vollzug ausländerrechtlicher Freiheitsentziehungsmaßnahmen meiner Rede einige Bemerkungen voranstellen.

Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause alle einig, dass sich in den letzten Monaten und Jahren in Deutschland und insbesondere auch in Hessen eine humanitäre Flüchtlingspolitik gezeigt hat, dass sich ein sehr menschliches Gesicht gezeigt hat, insbesondere auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Zweitens glaube ich, dass wir uns auch einig sind, dass jeder Einzelfall im Asylverfahren sorgfältig und intensiv geprüft wird. Jedes Schicksal wird im Einzelfall beachtet.

Nun kommen wir zu dem Faktum, was passiert, wenn Menschen ausreisepflichtig sind, unser Land aber nicht freiwillig verlassen wollen. Das ist ein wichtiger Punkt, auf den der Innenminister immer wieder völlig zu Recht hinweist.

Für uns geht immer freiwillige Ausreise vor Abschiebung. Deshalb ist es folgerichtig, konsequent und ausdrücklich zu begrüßen, dass das Land Hessen die freiwillige Ausreise durch Beratung organisiert und unterstützt.

Es gibt aber auch einen Personenkreis, der sich der Ausreise zu entziehen versucht. Aus diesem Grunde kann in einzelnen Fällen unter besonderen Umständen eine sogenannte Abschiebungshaft richterlich angeordnet werden. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass die Abschiebungshaft das letzte Mittel ist, um eine Abschiebung durchzuführen. Natürlich wird zuvor geprüft, ob es einerseits kein weniger einschneidendes Mittel als eine Abschiebungshaft gibt und ob andererseits die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Grundlage für eine Abschiebehaft ist immer eine richterliche Anordnung, die nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ergeht.

Warum brauchen wir heute ein solches Gesetz? Warum diskutieren wir darüber? – Das ist relativ schnell und einfach erklärt: weil es eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Juli 2014 gibt, wonach Abschiebungshäftlinge nicht in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden dürfen. Das gilt – den Hinweis will ich mir erlauben, weil ich ihn für wichtig erachte – nicht für Gefährder. Das wurde von der Bundesebene vor Kurzem anders geregelt, was ich auch für richtig halte.

Die Entscheidung des EuGH hat zur Folge, dass wir eine spezielle Einrichtung für die Abschiebehaft brauchen. Die haben wir in Hessen bisher nicht. Wir haben uns in der Vergangenheit der Einrichtungen in anderen Bundesländern bedient, vornehmlich in Rheinland-Pfalz – in Ingelheim –, in Brandenburg, in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Die Hessische Landesregierung hat jetzt entschieden, dass sie eine eigene Einrichtung schaffen möchte. Der Gesetzentwurf bringt den gesetzlichen Rahmen dafür auf den Weg.

Wichtig ist, dass in einer Abschiebehaftanstalt – deshalb brauchen wir ein Gesetz mit detaillierten Bestimmungen – geringere Sicherheitsanforderungen zu stellen sind als in einer normalen Justizvollzugsanstalt, und auch verschiedene Vorgaben sind „großzügiger“. Ich nenne erstens die Art der Unterbringung, zweitens die Bewegungsfreiheit und drittens die Möglichkeiten der Kommunikation. Wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen haben, werden Sie zur Kenntnis genommen haben, dass man in der Abschiebehaft unter anderem das Internet nutzen darf, dass man zu bestimmten Zeiten Besuch empfangen darf, dass man sich frei in der Einrichtung bewegen darf und dass man – das ist sicherlich der größte Unterschied zur Strafhaft – zur Erledigung von Behördengängen die Einrichtung in Begleitung verlassen darf. Ein weiterer Unterschied ist, dass man seine eigene Kleidung tragen darf. Sie sehen, es gibt einen ganzen Strauß an sehr unterschiedlichen Regelungen, die zu treffen sind und die wir mit diesem Gesetzentwurf konkret formuliert haben.

Wir halten in Hessen die Abschiebungshaft für geboten. Klar ist eben auch: Wer sich seiner Abschiebung entzieht, muss am Schluss mit Konsequenzen rechnen. Sonst würden wir in einem rechtsfreien Raum leben. Ich glaube, wir alle sind stolz darauf und froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Dann muss es aber auch Konsequenzen geben. Das kann im Einzelfall, wie ich ausgeführt habe, eben eine Abschiebehaft sein.

Wir hoffen, dass die Menschen, die einen ablehnenden Bescheid bekommen haben und unser Land verlassen müssen, von der freiwilligen Ausreise Gebrauch machen und wir keine Abschiebung vollziehen müssen. Wir haben oft schon miteinander darüber diskutiert, dass das für alle Beteiligten kein angenehmer Akt ist, der da zu vollziehen ist. Insofern ist das nicht wünschenswert. Ich will das hessische Innenministerium und auch die Landesregierung ausdrücklich loben, weil ich es für richtig halte, dass man in dieser Frage beratend aktiv ist, auch wenn das Einzelne in diesem Hause immer wieder kritisieren.

Zum Schluss gesagt: Zur Wahrheit gehört auch, dass Abschiebungen ein Teil einer solidarischen Flüchtlingspolitik sind.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Innenminister Beuth hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mit ein paar Erläuterungen der Debatte ein paar Punkte hinzufügen.

Frau Kollegin Wallmann hat schon dargestellt, dass wir in den vergangenen zwei Jahren viele Menschen in unser Land aufgenommen haben, über 100.000 allein in Hessen. Wir haben hier im Hause in vielen Debatten über Einzelfälle bei der Abschiebung diskutiert. Ich habe meine Einschätzung hierzu vorgetragen: Um die Akzeptanz in der Bevölkerung auch für die Zukunft aufrechtzuerhalten, müssen wir nicht nur dafür Sorge tragen, dass wir diejenigen, die hierbleiben, ordentlich behandeln, möglichst integrieren, sondern wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die kein Bleiberecht in unserer Gesellschaft haben, weil sie keinen Asylgrund und keinen Schutzgrund vorweisen können, in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Wir wollen in allererster Linie erreichen, dass sie das freiwillig tun. Dafür geben wir uns sehr viel Mühe. Ich verweise auf die Richtlinie für freiwillige Rückreisen. Wir sorgen dafür, dass die Betroffenen auch finanzielle Anreize erhalten, freiwillig zurückzugehen.

Das gelingt aber leider nicht in jedem Fall. Die Ultima Ratio ist eine zwangsweise Rückführung in die Heimatländer. Das ist die sogenannte Abschiebung. In manchen Fällen ist es erforderlich, dass wir zur Durchsetzung der Abschiebung eine Abschiebehaft anordnen.

Meine Damen und Herren, die Abschiebehaft haben wir in Einrichtungen des Justizvollzugs vollziehen können, bis uns das Europarecht einen Strich durch die Rechnung gemacht und entschieden hat, dass Abschiebehaft eine Form der Verwaltungshaft ist und nicht in Justizvollzugsanstalten vollzogen werden darf. Das heißt, wir müssen eine eigene Praxis der Verwaltungshaft für die Sicherung der Abschiebung aufbauen.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren der Einrichtungen in anderen Bundesländern bedienen können. Wir haben unsere Abschiebehäftlinge in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Brandenburg und in Baden-Württemberg unterbringen können. Wir haben nunmehr allerdings die Situation, dass wir Druck von zwei Seiten be

kommen. Wir haben zum einen einen höheren Bedarf an Abschiebehaftplätzen insgesamt, weil die Zahl der Rückführungen in allen Bundesländern gestiegen ist, und wir haben auf der anderen Seite einen Abbau von Kapazitäten, weil viele Abschiebehaftplätze in der Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt weggefallen sind, weil diese Einrichtung geschlossen wurde. Daher müssen wir nunmehr dafür Sorge tragen, dass wir die Abschiebehaftplätze, die wir brauchen – ungefähr 50 Abschiebehaftplätze –, bei uns im Land schaffen.

Ich habe schon gesagt, dass die Abschiebehaft nach dem Europarecht mittlerweile eine Form der Verwaltungshaft ist. Damit ist eine Zuständigkeit des Innenressorts und nicht mehr des Justizressorts gegeben. Den erforderlichen Gesetzentwurf legen wir hiermit vor. Er wird in den nächsten Wochen beraten. Wir brauchen eigenes Personal. Das werden wir ausbilden müssen. Solange wir es nicht haben, werden wir uns über Abordnungen oder Ähnliches behelfen müssen.

Wir werden außerdem eine eigene Anstalt brauchen, in der wir die Abschiebungshaft vollziehen können. Diese Anstalt hat den einzigen Zweck, die Rückführung von zur Ausreise Verpflichteten, die nicht freiwillig ausreisen, zu sichern. Deswegen sind die Anforderungen an diese Abschiebehaftanstalt natürlich andere als an Anstalten zum Vollzug von Strafhaft.

Von denen, die aus der Abschiebehaft zurückgeführt werden, sind die zu unterscheiden, die als Straftäter aus der Strafhaft abgeschoben werden, oder die Gefährder, die über eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes im vergangenen Juli ebenfalls in Strafhaft genommen werden können und von dort aus abgeschoben werden. Für alle anderen, deren Ausreise wir sichern wollen und sichern müssen – quasi als Ultima Ratio –, brauchen wir eine entsprechende Einrichtung.

Wir haben überlegt, ob wir die jeweiligen Anstalten in Limburg, in Kaufungen oder in Friedberg für diesen Zweck nutzen können, aber wir haben sowohl in Limburg als auch in Friedberg einen so großen Ertüchtigungsbedarf, dass wir dort eine entsprechende Abschiebehaftanstalt nicht einrichten können.

Es bestand auch die Überlegung, ob wir eine Abschiebehaftanstalt in Kaufungen errichten können. Dort ist eine relativ kleine Anstalt, aber die Haftplätze, die dort für Frauen vorgesehen sind, werden nach wie vor gebraucht, sodass wir auf diese Einrichtung nicht verzichten können.

Mithin mussten wir überlegen, wo wir stattdessen eine Anstalt finden, die auch dem rechtlichen Rahmen, den ich vorhin schon erläutert habe, genügt.

Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt in Darmstadt umwidmen können. Die dortigen Häftlinge können wir an anderen Orten in der unmittelbaren Umgebung unterbringen, sodass ihnen daraus keine Nachteile entstehen.

Auf der anderen Seite haben wir eine von einer Justizvollzugsanstalt ansonsten komplett getrennte Einrichtung, die wir relativ schnell zu einer Abschiebungshaftanstalt ertüchtigen können, sodass wir, wenn uns das Gesetz zur Verfügung steht, tatsächlich eine Anstalt haben, in der wir das machen können.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Dies ist der Vorschlag, der sich mit dem Gesetzentwurf verbindet. Ich wäre dankbar, wenn wir das Gesetzgebungsverfahren möglichst zügig durchführen könnten. Wir werden auf der anderen Seite möglichst zügig dafür Sorge tragen, dass der offene Vollzug in Darmstadt so weit ertüchtigt wird, dass, wenn das Gesetz in Kraft getreten ist, die dortigen Haftplätze unmittelbar zur Verfügung stehen. Wie gesagt, ich wäre Ihnen für eine zügige Beratung des Gesetzentwurfs dankbar. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste hat Kollegin Faeser für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich bin doch immer wieder überrascht: Wir reden seit Jahren darüber, dass Hessen eine eigene Abschiebungshaftanstalt braucht. Dann wurden unterschiedliche Varianten vorgestellt, und jetzt bekommen wir im Plenum die Lösung präsentiert. Das ist das übliche Verhalten des Innenministers. Ich finde es nicht in Ordnung, so mit dem Parlament umzugehen. Wir hätten gern eine ordentliche Beteiligung im Fachausschuss.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Ehrlich gesagt, ich verstehe das nicht. Frau Wallmann, es gibt auch keinen Grund, den Innenminister hier zu loben. Ich will noch einmal den Punkt aufgreifen, dass der EuGH am 17. Juli 2014 entschieden hat, dass die Unterbringung von Drittstaatsangehörigen zum Zweck der Abschiebung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgen muss. Das hat er aber nicht nur einfach entschieden, und damit muss Hessen auch nicht nur einfach für eine andere Form der Unterbringung sorgen, sondern es bedeutet, dass das Land Hessen bis dahin die Abschiebehaft mit der Unterbringung in der JVA Frankfurt europarechtswidrig geregelt hatte.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

Seit 2014 ist schlicht nichts passiert. Ich will das nur noch einmal sagen.