Die Landesregierung hat seit 2015 nichts getan, um diesen Stillstand zu bereinigen. Stattdessen hat Minister Beuth – Verfassungsminister – mit seinem Schreiben offenbar abprüfen wollen, wie die im Landtag vertretenen Parteien die Dinge bewerten. Man könnte so etwas auch so bewerten: Er hat dieses Vorgehen gewählt, um vor der Handhabung „Wo kein Kläger, da kein Richter“ gefeit zu sein. Man könnte vielleicht sogar unterstellen, er habe nur alle Parteien bösgläubig – im juristischen Sinne – machen wollen, falls doch etwas schiefgeht oder sich eine im Landtag vertretene Partei beschwert oder gar vor Gericht zieht. Es haben ja alle gewusst und stillschweigend mitgetragen. –
Frau Dorn hat es anscheinend nicht gewusst. Sie wackelt so deutlich mit dem Kopf; ich weiß nicht, warum.
(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wackele mit meinem Kopf, weil ich nicht nachvollziehen kann, wie Sie sich verhalten!)
Frau Dorn, wenn man Ihre Rede gehört hat, kann man sich in der Tat nur wundern. Ich habe vorhin auch den Kopf geschüttelt; das räume ich Ihnen ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Freie Demokraten konnten das so nicht mittragen. Wie bereits dargestellt, steht dem nämlich schlicht und ergreifend Verfassungsrecht entgegen. Deswegen heißt es in unserem Brief an den Minister, den wir in Beantwortung seines Schreibens geschrieben haben: Vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, insbesondere zu der Abkehr des Bundesverfassungsgerichts von der „plus/minus 33 1/3 %“-Regelung, ist es für uns allerdings nicht nachvollziehbar, wie Sie angesichts der Faktenlage zu dem Vorschlag kommen, keine Anpassung vor der Landtagswahl im Jahr 2018 vorzunehmen. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass es in Hessen keine gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich einer verpflichtenden Grenze zur Neuabgrenzung der Wahlkreise gibt, wie es in den meisten anderen Bundesländern der Fall ist. – Das wurde dann noch näher ausgeführt und begründet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daraus ergibt sich, dass im schlimmsten Fall die Wahlen rechtlich angreifbar wären.
Stellen Sie sich einmal vor, dass irgendeine verfassungsfeindliche oder -gemäße, ganz egal welche Partei, die bei der nächsten Landtagswahl mit Kandidaten antritt und scheitert, eine gerichtliche Überprüfung des Wahlergebnisses anstrebt, weil die Wahlkreise unterschiedlich groß waren. Dann wird die Wahl im schlimmsten Fall für ungültig erklärt. Das wollten Sie offensichtlich billigend in Kauf nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sagen: So eine Flanke dürfen wir alle nicht bieten, gerade wenn wir an das Wahlergebnis des letzten Sonntags denken.
Herr Minister, wenn irgendetwas daran nicht zutrifft, nehme ich gerne Ihre Klarstellung entgegen; aber derzeit ist das die Lage. Deswegen zusammenfassend: Auch wir Freie Demokraten sind alles andere als begeistert davon, dass diese Neuregelung vor der Landtagswahl kommt. Auch bei uns werden schon die ersten Versammlungen zur Wahl der Direktkandidaten geplant oder abgehalten.
Das muss man jetzt alles verschieben. Der einzige Grund dafür ist, dass der Verfassungsminister – der Innenminister – eine verfassungsrechtlich notwendige Neuregelung mit der gesamten Landesregierung schlicht verschlafen hat.
Ich komme zum Schluss und will nur abschließend sagen: Die Änderung ist zwingend notwendig. Die Kritik der SPD verstehe ich teilweise; denn eine ordentliche Neuregelung hätte einen entsprechenden Vorlauf gebraucht. Die nunmehr entworfene Regelung wird wenigstens dazu führen, dass die nächste Wahl nicht anfechtbar ist, jedenfalls nicht wegen der Einteilung der Wahlkreise. Schon für die übernächste Wahl brauchen wir dann eine Neuregelung, und zwar eine, die ordentlich vorbereitet und auch breit diskutiert ist.
Frau Dorn, wir können uns also darauf einstellen: Bei der übernächsten Landtagswahl wird es wieder eine Neuregelung geben müssen. Eine Ablehnung kommt aus unserer Sicht aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Aber den Murks – diesen Schnellschuss –, den Sie hier vorgelegt haben, werden wir auch nicht unterstützen. Wir werden uns enthalten. Ihre Untätigkeit müssen Sie jetzt selbst reparieren.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahlkreise in Hessen haben bekanntlich eine hohe Kontinuität. Die Zusammensetzung der Wahlkreise hat über die vergangenen Jahre eine hohe Kontinuität. Es hat nur ganz wenige Eingriffe in die Veränderung der Wahlkreise gegeben, zuletzt 2005. Der eine oder andere erinnert sich daran. Maßstab für die Größe der Wahlkreise ist die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahre. Sie wird vom Statistischen Landesamt – ich kann es nicht ändern – abschließend festgestellt. Die letzte Feststellung des Statistischen Landesamtes ist vom 31.12.2015
Das ist keine Angelegenheit, die allein das Statistische Landesamt bei uns in Hessen betrifft. Alle Statistischen Landesämter kommen nicht dazu, die Abschlüsse für das Jahr 2016 hinzubekommen. Ich kann das von mir aus auch nicht ändern. Ich kann nur entgegennehmen, welche Zahlen es gibt. Mit denen müssen wir hier am Ende zurechtkommen.
Um am Ende rechtssicher zu sein, kann ich auch nicht hingehen und sagen: Es gibt jetzt irgendeine Erhebung, die auf Basis eines anderen Gesetzes, nämlich des Bundeswahlgesetzes, gemacht worden ist. – Dort ist die Zahl der Wahlberechtigten festgestellt worden; aber nach den Regeln des Bundeswahlgesetzes und nicht nach denen des Landeswahlgesetzes. Insofern müssen wir uns darauf stützen, dass wir die Zahlen nehmen, die am Ende für uns der Maßstab sind.
Meine Damen und Herren, wir haben die Wahrung regionaler Besonderheiten immer großgeschrieben. Historische, politische, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenhänge spielten für die Frage der Wahlkreise und ihrer Zusammensetzung immer eine große Rolle. Wir haben die historisch verwurzelten Verwaltungsgrenzen – das ist hier schon angesprochen worden – immer in einer besonderen Form wertgeschätzt, z. B. in der Weise, dass wir die politischen Grenzen der Landkreise berücksichtigen, und natürlich auch, dass wir die Wahlkreise weiterhin in ihrer räumlichen Kontinuität behalten.
Es gibt einen Punkt, den wir zu beachten haben und der völlig unabhängig von der Frage ist, wie viele Wählerinnen und Wähler in dem einzelnen Wahlkreis wahlberechtigt sind oder nach dem Statistischen Landesamt erhoben wur
den. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir trotz der unterschiedlichen Bevölkerungsdichte noch Wahlkreise haben, die am Ende noch durch Abgeordnete bearbeitbar sind. Wir müssen ebenfalls dafür Sorge tragen, dass wir in den bevölkerungsschwächeren Bereichen noch eine parlamentarische Vertretung haben. Auch das ist mit zu berücksichtigen; auch das wollen wir hier mit dem Gesetzentwurf abbilden.
Meine Damen und Herren, es gibt hier keine absolute Wahrheit. Ich glaube, das, was hier an juristischen Hinweisen zum Thema Wahlrecht, Wahlkreiseinteilung dargestellt worden ist, ist zu großen Teilen korrekt gewesen. Wir haben die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sie ist korrekt, bezieht sich aber nicht unmittelbar auf unser Landtagswahlrecht. Wir haben ein Bundeswahlgesetz. Dort gibt es die Orientierungsgröße von 25 % Abweichung. Ja, das ist wahr. Wir haben in unserem Landesgesetz aber keine eigene Einteilung. Wir haben in unserem eigenen Landeswahlgesetz keine harte, trennscharfe Grenze, bei der wir eine Veränderung der Wahlkreise vornehmen müssen. Deswegen ist aus meiner Sicht das eine genauso gut vertretbar wie das andere.
Wir haben nunmehr die Situation, dass wir uns hier in unserem Kreise schon nicht darüber einig waren, ob wir etwas ändern müssen oder ob wir nichts ändern müssen. Meine Damen und Herren, ich habe großes Verständnis dafür, dass die Koalitionsfraktionen dann sagen: Wenn wir uns hier in unserem Kreise der Abgeordneten, um die es eigentlich geht, schon nicht darüber einig werden, ob der verfassungsrechtliche Rahmen korrekt ist und ob wir – in Anführungsstrichen – riskieren können, dass wir in eine Wahl gehen, die sich möglicherweise nicht an den rechtlichen Rahmen hält, dann müssen wir uns hier nicht gegenseitig irgendwelche Vorhaltungen machen. Wir sollten vielmehr zusehen, wie wir den Rahmen so fassen können, dass am Ende alle Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, einig darüber sind, dass das ein verfassungsrechtlich korrekter Rahmen ist.
Deswegen ist es klug, dass wir versuchen, im weiteren Verfahren möglichst im Einvernehmen das Landeswahlgesetz zu ändern. Den Schwellenwert einer 25-prozentigen Abweichung werden wir im Blick behalten. In dem Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen vorgelegt haben, ist das mathematisch korrekt abgebildet. Es gibt hier einen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Das ist völlig unzweifelhaft. Wir haben keine eigene Regelung im Landeswahlgesetz. Gleichwohl kann ich nachvollziehen, dass wir in den acht Wahlkreisen, in denen es eine Abweichung von mehr als 25 % gibt, eine Änderung herbeiführen. Im weiteren Verfahren werden wir uns in der Anhörung anschauen, wie die rein rechnerische Veränderung hält.
Ich denke, es ist das Bemühen wert, dass wir versuchen, als Abgeordnete die Basis für die Wahl unseres nächsten Landtags weitgehend einvernehmlich hinzubekommen. Dafür möchte ich zumindest werben. – Vielen Dank.
(Holger Bellino (CDU): Jetzt will er sich entschuldigen! – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Für was? – Weitere Zurufe)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Den letzten Worten des verehrten Herrn Innenministers entnehme ich, dass wir im Innenausschuss tatsächlich darüber beraten werden, wie wir ein rechtssicheres Landtagswahlgesetz schaffen können. Die FDP hat bereits Wahlkreiskandidatinnen und Wahlkreiskandidaten nominiert. Am 18. November wird der Landesparteitag stattfinden. Man hätte auch abwarten können, bis festgestellt worden ist, ob das Gesetz verfassungskonform ist oder in Ihrem Sinne geändert wird. Das wissen Sie jetzt aber noch gar nicht. Herr Rock, das ist jetzt aber nur eine leicht polemische Bemerkung. Lassen wir das jetzt einmal an dieser Stelle.
Herr Innenminister, es kann ja nicht sein, dass Sie zu Recht sagen, in Hessen gebe es keine Normierung, wie viel Prozent Abweichung zulässig sind. Das wird man wahrscheinlich in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren regeln müssen.
Schauen Sie sich bitte die Rechtsprechung des hessischen Staatsgerichtshofs vom 14.06.2006 an. Da wird explizit gesagt, dass man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht 1 : 1 auf Hessen anwenden kann.
Wir würden gern von Ihnen wissen, wie Sie zu den Zahlen kommen. Natürlich gibt es unter den GRÜNEN den einen oder anderen Oberschlauen bzw. den einen oder anderen, der meint, oberschlau zu sein. Natürlich gibt es eine kleine Abweichung zum Bundeswahlgesetz, das vorsieht, dass derjenige, der im Ausland lebt, wahlberechtigt ist. Entsprechendes sieht das hessische Landtagswahlgesetz nicht vor. Das ist mit Blick auf die Anzahl aber auch eher zu vernachlässigen.
Herr Innenminister, wir verstehen immer noch nicht, warum es nicht möglich ist, aktuelle Zahlen zu bekommen, aktuelle Zahlen, die zumindest näher an der Realität sind als Zahlen aus dem Jahr 2015. An dieser Stelle sind Sie doch angreifbar.
Sie sagen zu Recht, dass es in Frankfurt Wahlkreise gibt, in denen die Abweichung 24,8 % beträgt. In Frankfurt zeigt sich eine Entwicklung, weil nicht die Einwohnerzahl maßgeblich ist, sondern die Wahlberechtigung. Das ist übrigens durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig entschieden.
Ich bin Ihnen übrigens für den Hinweis dankbar, wie die Fläche berücksichtigt wird. In Frankfurt wird dann die Diskussion zu führen sein, wie man die Personen berücksichtigt, die nicht wahlberechtigt, aber Einwohner sind. Das ist eine ganz spannende Diskussion, obwohl das eigentlich abschließend vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden ist.
Deswegen stellt sich die Frage, wie man Wahlkreise zuschneidet, ohne dass dabei der Geruch entsteht, dass das parteipolitisch motiviert ist. Sie haben zu Helsa noch nichts sagen können. Zu Eiterfeld und zu Groß-Rohrheim haben Sie auch noch nichts sagen können. Im Gegensatz zu Ih
(Alexander Bauer (CDU): Das ist doch SPD-Hochburg! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Was hat das denn damit zu tun? – Glockenzeichen des Präsidenten)
(Norbert Schmitt (SPD): Das ist Ihre Überlegung! Typisch! – Weitere Zurufe von der SPD – Glockenzeichen des Präsidenten)
Herr Bauer, dann haben Sie das Problem nicht verstanden. Hier geht es nicht um irgendwelche Hochburgen.
Am Sonntag haben wir erlebt, dass möglicherweise Wahlergebnisse dabei herauskommen, von denen wir alle betroffen sind.
Der Innenminister hat einen Spagat zu machen. Eigentlich sagt er, dass wir eine umfassende Wahlkreisreform brauchen. Das teilen wir. Nun macht die FDP Druck. Das wundert mich. Vielleicht sind das aber auch Vorboten einer schwarzen Ampel oder Ähnliches. Das weiß ich jetzt nicht. Das ist mir aber auch egal.
Jedenfalls geht es darum, die Wahlkreise so einzuteilen, dass das nachvollziehbar ist. Das ist der Vorwurf, Herr Innenminister, den wir Ihnen machen. Sie haben einen Gestaltungsspielraum, den Sie aber nur in eine Richtung nutzen. Das ist der entscheidende Punkt. Sie nutzen ihn links. Sie könnten ihn aber auch rechts nutzen. Das werfen wir Ihnen an dieser Stelle vor.