Protocol of the Session on September 27, 2017

Meine Damen und Herren, dieses Erbe tragen wir seither fort. Wir werden es auch in die Zukunft tragen. Und auch das ist gut so. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister Lorz, vielen Dank. – Ich habe noch eine Wortmeldung des Kollegen Kartmann. Herr Kollege, bitte schön, Sie haben das Wort. Sie haben fünf Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir uns gerade im Hessischen Landtag mit diesem Thema fundiert und in den verschiedensten Facetten auseinandersetzen können, hat der Herr Minister bewiesen. Herzlichen Dank dafür. Dass wir uns in diesem Haus auch berechtigt damit auseinandersetzen, liegt an der Struktur unseres Parlamentarismus. Ich bin schon ein paar Tage in diesem Haus. Ich weiß, mit was wir uns schon alles be

schäftigt haben. Manchmal hat man sich gefragt: Muss das sein?

Die Debatte über ein geschichtliches Ereignis vor 500 Jahren, mit dem sich – ich sage es einmal sehr salopp – Gott und die Welt in diesem Land beschäftigen, ist nicht nur erlaubt. Vielmehr ist es sogar wichtig und verpflichtend, dass sich der Hessische Landtag damit beschäftigt. Das soll mit unterschiedlichen Facetten geschehen. Ich will dazu inhaltlich gar keine Stellung nehmen.

Ich sage es deswegen noch einmal: Der Hessische Landtag ist der Ort, an dem wir das machen können. Er ist weder der falsche Platz, noch ist es das falsche Thema hier. Deswegen ist es richtig, dass wir uns mit dieser Frage beschäftigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es hat ein paar Aussagen gegeben. Herrn Kollegen Roth höre ich gerne zu. Ich höre ihm gerne zu; das ist gar keine Frage. Wir stimmen auch fast überall überein. Jetzt geht es aber um die Frage, dass ein paar Folgen der Reformation bestenfalls die Urenkel seien. Das mag sein. Aber mir mag einer erklären, ob es einen Urenkel ohne einen Urgroßvater geben würde. Deswegen hängt das zusammen.

Ich will noch etwas hinzufügen. Man kann sich mit dem Thema theologisch auseinandersetzen. Das ist nicht meine Absicht. Luther war kein Prophet. Er war kein Apostel. Er war kein Evangelist. Er war ein Bürger dieses Landes.

(Zuruf)

Ich kenne von ihm keinen Spruch, der in der Bibel steht. Ich glaube, das ist deswegen auch eine politische Debatte.

Es war ein politischer Vorgang. Die fundamentalsten Veränderungen wirken bis heute. Das wurde durch Luthers Bewegung in Gang gesetzt. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass es auch ein paar Entwicklungen gab, die wir heute nicht gerne sehen. In diesem Haus, dem Haus der freien Gedanken und der freien Rede, ist es erlaubt, ob nun sachlich, theologisch, sozialpolitisch oder ideologisch, über die Thematik Martin Luther zu reden.

Ich bin einmal gespannt, was wir nächstes Jahr am 5. Mai 2018 machen werden. Ihr könnt euch das schon einmal eintragen. Da wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Das ist doch das nächste Thema. Natürlich ist das eine Situation. Wir unterhalten uns im Ältestenrat über Gedenktage. Das wird sehr spannend werden.

Herr Kollege Roth, jetzt ist die Frage, ob wir dazu ein Symposium machen. Wir können gerne dazu eines machen. Der Vorteil bei Luther ist, dass wir noch fünf Jahre vor uns haben. Das ist das Jahr 2022. Dann kann man wieder darüber reden. Bis dahin ist der Pilgerweg vielleicht oft beschritten worden. Ich lade Sie herzlich ein, auf dem Pilgerweg nach Norden zu wandern. Dann kommen Sie bei mir vorbei. Das ist so in Ordnung. Ich lade Sie dazu herzlich ein.

Ich fand diese Debatte auch wegen ihrer teilweisen Kontroverse gut. Denn sie hat bewiesen, dass wir hier wirklich frei sind, über viele Dinge zu reden.

Man sollte „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ lesen. Nicht alle haben das gelesen, warum auch. Wer das nicht will, soll wenigstens die 95 Thesen lesen, die auch

ein Abbild auf der Basis eines speziellen Themas des Ablasshandels sind, mit sehr vielen Inhalten. Wer will – nur die, die wollen; es wird keiner dazu gezwungen – und sich an dem orientieren möchte, was Luther gegen seine damalige Gesellschaftsstruktur hervorgebracht hat – in Ableitung von vor 500 Jahren bis heute –, der ist nach dieser Debatte erst recht herzlich eingeladen. Deswegen bedanke ich mich ganz herzlich für die Debatte. Ich hoffe sehr, dass Sie am Ende doch mitstimmen, auch wenn Sie dagegen stimmen – das wäre egal. Die Hauptsache ist, dass Sie mitstimmen; denn am Ende steht das Parlament, das Ja oder Nein zu einer Entwicklung sagen muss. Meine Aufforderung in diesem Sinne: Vielen Dank für die Debatte. Bitte stimmen Sie mit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kartmann. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich lasse damit zuerst über den Änderungsantrag der LINKEN abstimmen, Drucks. 19/5304. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Die Fraktion der FDP. Wer beteiligt sich gar nicht? – Die Fraktion der SPD. Somit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Ich lasse über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen, Drucks. 19/5280. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – FDP und DIE LINKE unter Nichtbeteiligung der SPD-Fraktion. Somit ist dieser Entschließungsantrag angenommen worden.

Wir können jetzt in die Mittagspause gehen. Ich unterbreche die Sitzung. Wir sehen uns um 15:30 Uhr wieder. Vielen Dank.

(Unterbrechung von 13:32 bis 15:31 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, ich hebe die Sitzungsunterbrechung auf.

Zunächst möchte ich auf der Besuchertribüne die Generalkonsulin der Republik Indonesien, Frau Wahyu Hersetiati, begrüßen. Herzlich willkommen im Hessischen Landtag.

(Beifall)

Eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Bürgerwille endlich achten – Windkraftausbau stoppen, Drucks. 19/ 5305. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 73 und kann gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 35 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 62 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Integration

und Antidiskriminierungspolitik in Hessen erfolgreich weiterentwickeln – Drucks. 19/5281 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster hat Herr Kollege Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Setzpunkt Integrationspolitik bedarf aus meiner Sicht einer Vorbemerkung. Bitte gestatten Sie mir dies.

Der vergangene Sonntag bedeutet eine Zäsur in der Bundesrepublik mit dem Einzug von offen rassistischen Rechtspopulisten in den Bundestag. Dieses Ergebnis der Bundestagswahl, vor allem das Ergebnis der Rechtspopulisten, ist nach Auskunft vieler Wahlforscher Zeugnis eines Protests.

Hinweise und Informationen, wogegen protestiert wurde, ergeben zweierlei Themen. Zum einen wird aufgeführt, dass diese Menschen eine kulturelle Einstellung haben und damit praktisch vieles von dem, was eine offene, tolerante und moderne Gesellschaft ausmacht, bekämpfen. Sie wünschen sich praktisch die Zeiten der Fünfzigerjahre zurück. Sie wünschen sich eine Gesellschaft ohne Nichtdeutsche, eine Gesellschaft, in der sich traditionelle Rollenbilder – verkürzt gesagt: die Frauen am Herd – wiederfinden, in der Homosexualität noch geleugnet wurde und strafbar war, in der Umweltprobleme nicht wahrgenommen wurden, geschweige denn, es eine Umweltgesetzgebung gab.

Diese Zeiten sind selbst dann, wenn man sie wieder herstellen will, nicht zurückzuholen. Die Fünfzigerjahre sind definitiv vorbei. Wir leben in einer komplexen und modernen Gesellschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wahlforscher geben einen zweiten Hinweis auf das Protestwahlverhalten. Damit komme ich auf unseren Setzpunkt zu sprechen. Es gibt Hinweise darauf, dass sich Teile dieser Menschen, die rechtspopulistisch gewählt haben, Sorgen um ihre soziale Sicherheit machen, dass sie sich Sorgen machen um den Zusammenhalt des Landes. Wir finden eine Situation vor, in der sich für diese Menschen Minderheiten anbieten, die als Ursachen für diese Probleme herangezogen werden. Ob Ausländer, ob jahrelang hier lebende Migranten, ob Geflüchtete, ob Schwule oder Lesben, ob Andersdenkende oder anders Aussehende, ob – in Anführungszeichen – „rot-grün versiffte“ Politiker, ob Christdemokraten, die mit humanen Entscheidungen in großer Verantwortung Geflüchteten geholfen haben, ob Engagierte für die Umwelt oder für ein vereintes Europa, sie alle sollen schuld sein an der schlechten Situation der Menschen, die dann extrem wählen. Das ist natürlich Unfug.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich komme aus Frankfurt. Im Jahr 1990 gab es dort eine ähnliche gesellschaftliche Situation. Damals gab es eine große Debatte über die Asylgesetzgebung und – Sie erinnern sich vielleicht noch – eine große Zustimmung für die Republikaner. Diese versuchten, auf dem Rücken von Asylsuchenden politischen Honig daraus zu saugen.

Die Stadt Frankfurt hat sich dieser Situation damals offen gestellt. Sie schuf ein Amt für multikulturelle Angelegenheiten, das heutige Amt für Integration. Die Aufgabe war so schlicht wie schwierig zugleich, nämlich die reale Situation wahrzunehmen, sie nicht zu leugnen, sich dieser zu stellen, die Probleme zu sehen und diese Probleme im konstruktiven Dialog mit allen Betroffenen gemeinsam zu lösen.

Dieses Amt und die folgende Phase der Integrationspolitik waren und sind der Boden des friedlichen Zusammenlebens in Frankfurt, wo 35 % der Menschen ohne deutschen Pass und aus 190 Nationen leben. Diese Integrationspolitik ist und bleibt die Grundlage des sozialen Zusammenhalts einer Großstadt. Diese Politik, die heute selbstverständlich ist, ist auch vorbildlich und erfolgreich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werben für diese Politik auch in Hessen. Eine gute Integrationspolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Realitäten einer komplexen Welt sieht, sie nicht leugnet, Probleme erkennt und Lösungen erarbeitet und diese mit den Menschen direkt diskutiert, die Menschen mitnimmt in die Welt mit den neuen komplexen Herausforderungen und Anforderungen, in der sich viele fragen, ob sie diese bestehen können. Eine gute Integrationspolitik muss ihre Bürger mitnehmen in einer modernen und sich immer schneller entwickelnden Gesellschaft. Das müssen wir, und das tun wir auch in Hessen mit unserer Integrationspolitik. Das ist unser Leitbild. Wir müssen unsere Politik erklären. Wir müssen die komplexe Welt erklären. Wir brauchen eine Politik, die die Probleme offen und ehrlich anspricht.

Das ist unbequem. Der Abgeordnete des Bundestags Tom Koenigs hat gesagt: Noch nie war Außenpolitik so viel Innenpolitik wie heute. – Wenn Kriege in der Welt stattfinden, so können bald danach Flüchtlinge zu uns kommen. Wenn Außenwirtschaftspolitik die heimische Wirtschaft anderer Länder massiv bedroht und dadurch die einheimischen Menschen verarmen lässt, wenn Klimawandel Länder überfluten oder versteppen lässt, werden Menschen dorthin kommen, wo die Welt, wo die Umwelt noch intakt ist. Das muss erklärt werden. Die Welt ist kleiner geworden. Deutschland ist keine Insel. Auch diese Erklärung ist ein Werben für eine kluge Integrationspolitik. Das zeichnet uns auch in Hessen aus. Wir gehen diesen schwierigen Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man für diese Probleme eine Wahrnehmung, eine Sensibilisierung geschaffen hat, dann muss man Lösungen anbieten. Diese Menschen müssen integriert werden. Sie müssen an demokratischen Diskussionen beteiligt werden. Wir müssen uns aber natürlich auch um die Betroffenen kümmern, um die Diskriminierten, um die Geflüchteten, um die Menschen mit Migrationshintergrund. Wir müssen ihnen Angebote machen. Diese Lösungen und Angebote fallen nicht vom Himmel. Diese müssen hart erarbeitet werden. Diese müssen gemeinsam diskutiert und entworfen werden. Dafür werben wir nochmals.

Mittlerweile ist eine große Bandbreite von Angeboten entstanden. Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die ineinandergreifen. Man muss sich aller Zielgruppen annehmen und diese in den Fokus nehmen. Das gilt für alle Zielgrup

pen, auch für diejenigen, die Verunglimpfungen ausgesetzt sind.