Protocol of the Session on August 31, 2017

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Was wollen Sie uns damit sagen?)

Abschließend will ich sagen: Kriege, Krisen und Konflikte in der Welt nehmen zu. Rüstungsexporte und Waffenexporte steigen. Millionen Menschen werden in die Flucht getrieben. Noch immer ist eine militärische Konfrontation zwischen NATO, USA und Russland nicht aus der Welt, und die Atomwaffen sind nicht verschrottet. In Deutschland wird sogar diskutiert, den Rüstungshaushalt um 30 Milliarden € zu erhöhen. Diese Mittel werden dann fehlen, um beispielsweise hessische Schulen zu sanieren oder auch die Kitabetreuung wirklich kostenfrei zu gestalten. Sie sehen, es gibt genügend Gründe, am Antikriegstag an vielen Orten in Hessen gemeinsam mit Gewerkschaften, Friedensinitiativen und der politischen Linken auf die Straße zu gehen und ein deutliches Zeichen für Frieden und Abrüstung zu setzen. Dazu sind alle eingeladen, die etwas dazu beitragen wollen, friedliche Konfliktlösungen voranzubringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schalauske. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege May von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Tageszeitungen oder andere Medien studiert und aufmerksam beobachtet, wie der Diktator des kommunistischen Staats Nordkorea mit Raketentests wie

derholt einen nicht gerade für seine Umsichtigkeit bekannten US-Präsidenten provoziert, wenn man wahrnimmt, dass Nordkorea auch ganz offen sagt, dass Pläne gemacht würden, die USA mit Atomwaffen anzugreifen, und wenn man liest, dass die Reaktion aus den USA heißt: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, also auch die Option, Atomwaffen einzusetzen, dann ist das in der Tat sicherlich ein Anlass, sich über das Thema Abrüstung zu unterhalten.

Niemand wird bestreiten, dass auch ein Landtag, der nicht für die Außenpolitik zuständig ist, der keine Kompetenz hat, Außenpolitik zu machen, trotzdem Meinungen zu Themen abgeben und Willensbekundungen verabschieden kann. Deswegen haben die Koalitionsfraktionen heute zu diesem Thema einen Antrag vorgelegt. Wenn man sich die Tagespolitik und die Gefährdungslagen ansieht, die ich gerade dargestellt habe, aus denen hervorgeht, dass ein Atomkrieg wieder greifbar, leider bedrohlich nahe, erscheint, dann sind Neuverhandlungen, neue Bestrebungen zur atomaren Abrüstung natürlich äußerst wünschenswert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))

Wenngleich ich feststellen muss, dass neue Verhandlungen, das Ziel einer atomwaffenfreien Erde doch sehr weit entfernt sind, so weit wie vielleicht schon lange nicht mehr. Das ist außerordentlich bedrückend; denn natürlich ist es so, dass ein Atomkrieg die Möglichkeit, gar die Wahrscheinlichkeit beinhaltet, dass alles Leben auf der Erde zerstört und beendet wird. Von daher ist es doch klar – ich glaube nicht, dass es darüber in diesem Plenum Streitigkeiten geben wird –, dass diese grausamste und verheerendste Waffe, die je von Menschenhand geschaffen wurde, nie wieder eingesetzt werden sollte.

(Beifall)

Nun hat sich Herr Kollege Schalauske über den kürzlich verabschiedeten Vertrag von 120 Staaten zum Verbot von Atomwaffen bereits eingelassen. Das ist ja auch das Thema des Antrags der LINKEN. Es ist Ihnen auch bekannt, dass die hiesigen Koalitionsfraktionen von CDU und GRÜNEN im 18. Deutschen Bundestag keine Koalition geschlossen haben. Das mag der eine oder andere bedauern, z. B. ich, aber das ist nun einmal so. Von daher kommt es regelmäßig vor, dass die Bundestagsfraktionen unterschiedliche Auffassungen und konträre Meinungen haben. Es ist tatsächlich auch so, dass in dieser konkreten Frage zu dem kürzlich verhandelten Vertrag zum Verbot von Kernwaffen bei CDU und GRÜNEN im Deutschen Bundestag unterschiedliche Auffassungen vorhanden sind. Das ist so festzustellen und richtig. Für uns GRÜNE war nämlich klar, dass wir es für notwendig erachtet hätten, dass Deutschland an den Verhandlungen teilnimmt und dem Vertrag beitritt. Die GRÜNEN im Bundestag haben die Bundesregierung von CDU und SPD dementsprechend nachdrücklich kritisiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jenseits der Frage, wie man konkret Außenpolitik macht, was, wie gesagt, Aufgabe des Deutschen Bundestages ist, war es uns wichtig, dass es eine Zusammenführung des gemeinsamen Zieles geben kann. Das ist auf Bundesebene schon passiert. Ich möchte deswegen auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages aus der 17. Wahlperiode verweisen, der auf eine gemeinsame Initiative von CDU/CSU,

SPD, GRÜNE und FDP zurückgeht, in dem festgestellt wurde:

Eine Welt frei von Atomwaffen ist keine Utopie, sondern eine konkrete Verpflichtung der Unterzeichner des Nichtverbreitungsvertrages.

Die Abrüstungserwartungen dürfen nicht erneut enttäuscht werden. Auch Deutschland kann national und international auf vielfältige Weise einen wirksamen Beitrag zu einer Welt ohne Atomwaffen leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Aus dem eben Gesagten ergibt sich ganz deutlich, dass das Ziel von weltweiter atomarer Abrüstung ein überparteilich geteiltes Ziel der deutschen Politik ist. Genau deswegen haben wir heute als Koalition einen Antrag eingebracht, der eben genau dieses Ziel noch einmal benennt, und wir hoffen, dass sich eine große Mehrheit dieses Hauses hinter diesem Ziel, das wir heute noch einmal als Antrag auf den Weg gegeben haben, versammeln kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn jetzt Herr Schulz von der SPD den Abzug von Atomwaffen aus der Eifel fordert, dann ist das an sich sicherlich gut. Gleichwohl ist es schon ein bisschen skurril, wenn die SPD-Fraktion im Landtag beantragt, dass wir die Äußerungen von Herrn Schulz, der sich gerade in einer Bundestagswahlauseinandersetzung befindet, unterstützen sollen. Ich glaube, man kann nicht erwarten, dass andere Parteien dem nahetreten, den Wahlkampf der SPD in dieser Art und Weise zu unterstützen. Von daher ist diese Initiative von uns nicht zu befürworten.

Ich möchte aber noch einmal auf das Verbindende zurückkommen.

(Gerhard Merz (SPD): Ah!)

Daher möchte ich noch einmal auf den Beschluss des Deutschen Bundestages auf Initiative von CDU/CSU, SPD, FDP und LINKEN – nein, FDP und GRÜNEN; die LINKE war nicht mit dabei – zurückkommen, wo es heißt:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, – weiterhin mit großem Engagement für allgemeine und weltweite Abrüstung einzutreten … – sich auch bei der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzepts der NATO im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen; …

So die Beschlusslage des Deutschen Bundestages. Diesen Beschluss halten wir nach wie vor für maßgebend. Das sollte auch das Ziel sein, über das wir verhandeln müssen. Wenn man jetzt auf die Idee kommt, fünf Wochen vor einer Bundestagswahl das Thema noch einmal zu setzen, ist es für das Thema sicherlich gut. Ich äußere aber auch die Hoffnung, dass es auch das Ziel einer Bundesregierung fünf Wochen nach der Bundestagswahl ist, diesen Beschluss des Deutschen Bundestages zu verwirklichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Da wir heute über dieses Thema reden, möchte ich, auch im Hinblick auf die nahe bundespolitische Wahlentschei

dung, die Meinung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Besten geben: Wir halten es nicht für verantwortlich, dass die schwarz-rote Bundesregierung dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen nicht beigetreten ist. Wir möchten dies schleunigst ändern. Wir GRÜNE sprechen uns in unserem Bundestagswahlprogramm klar dafür aus, den Abzug der letzten Atomwaffen aus Büchel zu forcieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind alles Fragestellungen, die nicht in diesem Parlament zu verhandeln sind. Das muss auf Bundesebene diskutiert werden. Das wird die parlamentarischen Debatten des nächsten Deutschen Bundestages und die Arbeit der nächsten Deutschen Bundesregierung prägen.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal an Sie appellieren, dass wir, jenseits der Frage, wie man zu Zielen kommt, das Ziel, das uns alle eint, verabschieden sollten, nämlich dass sich dieser Landtag ganz klar zur weltweiten atomaren Abrüstung positioniert. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege May. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Grüger von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Es ist ein ernstes Thema, über das wir reden. Es verbietet sich daher ein Ansatz von Klamauk in dieser Frage. Die US-Atomwaffen, über die wir reden, die wahrscheinlich in Büchel stationiert sind, liegen nur 70 km von der rheinland-pfälzisch-hessischen Grenze und damit 70 km von Hessen entfernt. Für einen nuklearen Zwischenfall sind 70 km natürlich keine große Strecke.

Es geht aber gar nicht so sehr um einen möglicherweise drohenden nuklearen Zwischenfall, sondern es geht darum, dass wir weiterhin eine Welt vorfinden und in einer Welt leben, in der es diese nuklearen Waffen gibt. Es gibt davon mehr Waffen, als es benötigen würden, um unsere Welt mehrfach zu zerstören.

Der vielfache nukleare Overkill, der denen, die in der Zeit des Kalten Krieges aufgewachsen sind, noch ein vitaler Begriff ist, besteht weiterhin. Das ist ein bisschen aus dem Blickfeld gerückt, weil es viele andere Themen gibt. Aber spätestens seitdem wir uns über das Thema nukleare Proliferation unterhalten, seitdem es die reale Befürchtung gibt, dass Kerntechnik, aber auch Kernsprengstoffe oder -mittel reichen, um mit dreckigen Bomben Terror zu verbreiten, ist klar, dass der einzige Weg aus dieser Gefahrensituation tatsächlich die nukleare Abrüstung ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das betrifft natürlich auch Hessen. Es ist gerade schon angesprochen worden. Wir haben im Hessischen Landtag über diese Fragen schon in den Fünfzigerjahren diskutiert. Wir haben auch in den Achtzigerjahren darüber diskutiert, als die Friedensbewegung ihren Hochpunkt hatte und wir über den NATO-Doppelbeschluss und die Nachrüstung gesprochen haben. Auch da spielte das Thema im Hessischen

Landtag eine große Rolle. Es ist von daher natürlich ein Thema, dessen wir uns als Landtag annehmen sollten, nicht nur wegen der geringen Entfernung zu Büchel.

Es betrifft natürlich auch die Menschen in unserem Land. Die Bürgerinnen und Bürger in Hessen haben ein Recht, zu erfahren, wie die Fraktionen im Hessischen Landtag über diese Fragen denken. Insofern ist es auch zu begrüßen, dass es diesen Antrag gibt. Wir als Sozialdemokraten begrüßen den Initialantrag der Linkspartei. Wir begrüßen das als Sozialdemokraten auch insofern, als wir einen Parteivorsitzenden haben – das ist auch schon angesprochen worden –, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass dieses Thema nach wie vor auf der Tagesordnung steht. Er hat es damit auch wieder auf die Tagesordnung gehoben.

Es ist richtig, man kann natürlich sagen, es ist Wahlkampfgetöse. Das ist es aber keineswegs. Es ist ein konsequenter Hinweis darauf, was der Kernpunkt sozialdemokratischer Politik ist.

Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass wir den gemeinsamen Antrag der Bundestagsfraktionen von CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.03.2010 haben. Es ist ein gemeinsamer Antrag, der gemeinsam verabschiedet wurde, im Übrigen auf Initiative einer Hessin. Heidemarie Wieczorek-Zeul hat dies massiv vorangebracht. Wir verdanken ihr, dass wir diesen gemeinsamen Antrag haben. Insofern sollte es hier eigentlich recht wenig Konflikt um die Grundrichtung geben, um die es hier geht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Antrag ist übertitelt: „Deutschland muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen“. In diesem Antrag geht es auch um die Frage, wie wir eigentlich damit umgehen, dass wir wahrscheinlich in Büchel noch 20 Atombomben haben. Damit aufgerufen ist auch die Frage der nuklearen Teilhabe. Im Zweifelsfalle könnten auch Jets der Bundeswehr damit bestückt werden. Solange wir diese Waffen haben, stellt sich die Frage der nuklearen Teilhabe. Wenn wir diese Waffen nicht mehr haben, wenn es diese Waffen auf deutschem Boden nicht mehr gibt, ist damit die Frage der nuklearen Teilhabe obsolet, weil es sie auf deutschem Boden nicht mehr gibt.

Die Frage der nuklearen Teilhabe beantwortet sich automatisch über die Frage der Abrüstung in Deutschland. Aus unserer Sicht ist es ein entscheidender Punkt für die deutsche Außenpolitik, sich weiterhin für Abrüstung, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, einzusetzen. Dafür muss Deutschland aber auch selbst ein Signal setzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das ist nichts anderes als das, was der Parteivorsitzende der SPD wieder auf die Agenda gesetzt hat. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir brauchen dieses Signal aus Deutschland, um damit auch klarzumachen, auch anderen Ländern, dass sie sich dem anschließen müssen, damit wir zu einer weltweiten nuklearen Abrüstung kommen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, deswegen werden wir, um dieses Signal zu unterstreichen, den ersten beiden Punkten des Dringlichen Entschließungsantrags der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sinne des gemeinsamen Antrags vom 24.03.2010 im Bundestag – auf den in diesem Antrag auch ein bisschen, hinsichtlich der Formulierungen, rekurriert wird – zustimmen.

Dem dritten Punkt können wir so nicht zustimmen, weil es ein bisschen schwach formuliert ist, zu schreiben:

Der Landtag nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass unter anderem im Kontext des Vertrags der Vereinten Nationen...

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist freundlich formuliert!)