Auf der Tribüne sitzt eine ganze Reihe von jungen Menschen, die ich immer wieder im Auge habe, wenn wir über Jugendliche, über junge Menschen, über Kinder reden. Wir müssen als Regierungspartei auch dafür sorgen, dass das alles bezahlbar ist. Um es gleich vorwegzunehmen: Was die SPD jüngst, nach der Veröffentlichung der Landesregierung zur Beitragsfreistellung von jeweils sechs Stunden des ersten, zweiten und dritten Kindergartenjahres, vorgestellt hat, ist in Bezug auf die Gegenfinanzierung, die Sie dort aufmachen
lieber Herr Merz –, doch abenteuerlich. Wir reden über eine weitere Milliarde Euro an Forderungen seitens der SPD in Bezug auf den hessischen Landeshaushalt. Wir sind schon jetzt bei 3 Milliarden € bzw. bei 3,5 Milliarden €, wenn wir das noch hinzunehmen. Das ist alles andere als eine solide Haushaltsführung mit Blick auf die Zukunft unserer Kinder, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Da wir bei der Frage der Qualitätsverbesserungen sind – der Minister oder auch Herr Kollege Wagner werden dazu nachher sicherlich noch einiges sagen –: Ja, wir nehmen zu dem, dass wir jetzt drei Jahre beitragsfrei stellen, die Qualitätsverbesserungen weiterhin in den Blick. Ich will noch einmal daran erinnern – jetzt werden Sie wieder kommen und sagen: „Jetzt bemüht nicht dauernd die Vergangenheit“, das mache ich aber trotzdem, auch wenn es Ihnen nicht gefällt –: Wir hatten 1999 im Landeshaushalt für diesen Bereich der hessischen Landespolitik 65 Millionen € stehen. Wir liegen heute bei dem gesamten Thema der Betreuungs- und Kitaförderung bei 500 Millionen €. Das ist, wenn Sie das für die letzten 18 Jahre nachvollziehen, eine jährliche Steigerung von über 12 %. Wir brauchen uns von Ihnen also nichts erzählen zu lassen. Was die Frage der Qualitätssicherung im Bereich U 3 sowie im Bereich der
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Unruhe bei der SPD – Glockenzeichen der Präsidentin)
Dann reden wir einmal über die kommunale Seite. Ich will für alle noch einmal festhalten: Die Kinderbetreuung ist eine originäre Aufgabe der kommunalen Ebene. Das ist auch richtig so.
Das hat damit zu tun, dass wir nach wie vor der Überzeugung sind, dass die Kommunalen viel näher an den jeweils sehr unterschiedlichen Bedarfen dran sind – in städtischen Milieus, in weniger städtischen Milieus oder in ländlichen Milieus gibt es unterschiedliche Sozialstrukturen, auch unterschiedliche Arbeitsmarktstrukturen sowie unterschiedliche gesellschaftliche Modelle. Dem wollen und werden wir weiterhin Rechnung tragen. Deswegen kann die Bertelsmann Stiftung gern weiterhin fleißig Studien veröffentlichen. Das ist doch völlig okay. Aber eines bleibt am Ende des Tages aus meiner Sicht kritikwürdig, nämlich dass dort immer mit sehr pauschalen Durchschnittszahlen gearbeitet wird, ohne die unterschiedlichen Strukturen, beispielsweise auch der hessischen Kommunen und Landkreise, zu berücksichtigen.
Da ich gerade bei der Bertelsmann Stiftung bin: Es ist ja schön, dass die sich mit allen möglichen Fragen der Zukunft beschäftigt, mit der Demografie, der Ganztagsschule, der Inklusion, der Kinderbetreuung und mit vielem mehr. Ich kann Ihnen eines sagen: In diesen Studien steht inhaltlich jeweils ganz vieles drin, aber es kostet immer ziemlich viel Geld – mal 2, mal 10 oder mal 15 Milliarden €. Die Bertelsmann Stiftung ist nicht die Landesregierung und auch nicht die Bundesregierung. Sie trägt ihren Beitrag zur Debatte über wichtige Zukunftsfragen bei, der notwendig ist; aber am Ende des Tages müssen wir die Verantwortung dafür tragen, dass das Ganze auch bezahlbar ist, und dahin gehend setzen wir die richtigen Prioritäten, Herr SchäferGümbel.
Ich wiederhole dies bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, weil Sie uns vorwerfen, dass wir mit den kommunalen Kolleginnen und Kollegen nicht ordentlich umgingen:
Wir haben einen Kommunalen Finanzausgleich, der übrigens im nächsten Jahr um ein Mehrfaches zulegen wird – da bin ich sehr sicher, und daran dürfen Sie mich im nächsten Jahr gern erinnern –, im Vergleich zu dem, was wir den Kommunen jetzt als Mitfinanzierer und als – ich sage es noch einmal – originärer Aufgabenwahrnehmer „zumuten“. Bisher war das dritte Kindergartenjahr frei; und das haben wir voll aus dem Kommunalen Finanzausgleich finanziert. Jetzt machen wir es für die Eltern drei Jahre lang beitragsfrei, und zwar nicht fünf Stunden wie bisher, sondern sechs Stunden am Tag. Wir übernehmen mit dem Landeshaushalt die Hälfte all dieser Kosten. Das ist neu; das ist gut; und das zeigt erneut, dass wir bei den Kommunen sind und ihnen dabei helfen, ihre Aufgaben zu finanzieren.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gerhard Merz (SPD): Wer trägt denn die andere Hälfte?)
Herr Merz, ich könnte jetzt noch einmal all die Dinge aufzählen, die wir in den letzten Jahren für die Kommunen bereits übernommen haben und aktuell übernehmen. Dafür reicht die Zeit aber nicht. Wir werden in diesem Plenum, weil es uns wichtig war, auch über einen weiteren Punkt reden, nämlich über die Hessenkasse, mit der wir den Kommunen beim Abbau von 6,1 Milliarden € an Kassenkrediten helfen.
Ich könnte über viele weitere Dinge reden, aber ich will zum Schluss kommen und eines sehr deutlich sagen: Die Reaktionen in der letzten Woche waren seitens der Betroffenen, der Eltern, einhellig, und könnten es die Kinder in einem Alter von drei, vier, fünf oder sechs Jahren artikulieren, hätten sie es wahrscheinlich ähnlich formuliert. Bleiben wir aber einmal bei den Eltern: Diese freuen sich durch die Bank darüber, dass ihnen das Land bei der Beitragsfinanzierung der Kindergartenbesuche hilft, und zwar in einer Größenordnung, die für die Eltern in drei Jahren pro Kind eine Entlastung von 5.000 € netto bedeutet. Das ist die größte Entlastung, die Eltern in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren erfahren haben.
Herr Schäfer-Gümbel, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, was mich noch mehr freut, ist, dass viele Eltern, die sich darüber freuen und sich in den Tageszeitungen zitieren lassen, einen zweiten Satz sagten, nämlich dass sie dieses Geld sparen wollten, um es in die Zukunft, in die Bildung und Ausbildung ihrer Kinder zu investieren. Das war genau der Zweck, den wir verfolgt haben. Ich bin den Eltern für diese verantwortliche Haltung dankbar, und ich freue mich auf die weitere Auseinandersetzung, die mit dem heutigen Tage sicherlich nicht enden wird.
Herr Schäfer-Gümbel, ich hoffe, Ihre Laune wird zunehmend ein bisschen besser, wenn Sie einsehen, dass die Landesregierung von CDU und GRÜNEN nicht nur in diesem Bereich gemeinsam erfolgreich Politik macht, sondern dass das, was Sie zu Herrn Müntefering gesagt haben, möglicherweise nicht stimmt. Sie haben gesagt, was Herr Müntefering sagte, nämlich: „Opposition ist Mist“, sei falsch. – Na ja, wenn es für Sie so schön ist – ich darf das einmal so interpretieren –, dann belassen wir es doch dabei. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss sagen, mich freut der Wettbewerb, der hier im Landtag bezüglich der Befreiung von Kindertagesstättengebühren stattfindet.
Das ist ganz nach meinem Geschmack. DIE LINKE hat im Februar 2016 einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Elternbeiträge, zur Entlastung der Kommunen, zur Verbesserung der Qualität und zur Entkomplizierung eingebracht. Zu dem, was wir jetzt bekommen, kann man nur sagen: Das geht immerhin in die Richtung zur Durchsetzung unserer Forderung, und das zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, dass wir hier sind.
Allerdings schreiben wir uns den Erfolg nicht auf unsere Fahnen; denn es sind die vielen Elterninitiativen, die kommunalen Parlamente, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, egal welcher Couleur, gewesen, die in den letzten Wochen und Monaten Briefe über Briefe geschrieben haben. Es sind die Landrätinnen und Landräte gewesen, und es war die SPD, die damals, im Februar, mit dem kleinmütigen Antrag nachgezogen ist und dieses Thema zum Wahlkampfthema erkoren hat. Es ist aber auch eine massive Belastung, die die Eltern zu tragen haben, die durch kommunale Steuern und Abgaben, genauso wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger, belastet sind und zusätzlich hohe Kitagebühren zu tragen haben. Diese sind in letzter Zeit immer höher geworden. Das muss man doch auch einmal sagen.
CDU und GRÜNE haben schlicht und ergreifend Angst, dass sie im nächsten Jahr die Quittung für ihre verfehlte Politik bekommen. Sie haben die Kommunen ausgeblutet – in der letzten Wahlperiode war die FDP auch dabei –, halten die Kommunen am Gängelband und haben ein KiföG verabschiedet, von dem sie gesagt haben, es stelle nur die Untergrenze für Qualität und Personal dar, und die Kommunen könnten gerne eine bessere Ausstattung realisieren. Sogar von Freiheit der Verantwortung war die Rede, aber nur bis zum Bericht des Landesrechnungshofs. Der schlug allen defizitären Kommunen ihre über das KiföG hinausgehenden Qualitätsstandards um die Ohren. Wer kein Geld hat, darf sich keine Qualität, keine gute Bezahlung des Personals und keine höheren Personalschlüssel leisten.
Jetzt haben wir eine neue Situation, jetzt können wir uns aber freuen, Hosianna. Wie es aber mit der Freude ist, so wird sie sich bei dieser Landesregierung nicht lange halten. Die frohe Botschaft war kaum im Land angekommen, da rannten die Eltern den Kitas bereits die Türen ein und fragten, ab wann sie keine Beiträge mehr bezahlen müssten, ob auch in den Kinderhorten und in der Nachmittagsbetreuung der Schule oder in den U-3-Betreuungseinrichtungen die Gebührenfreiheit eingeführt wird. Den Erzieherinnen kommt dann die unangenehme Aufgabe zu, erklären zu müssen, dass dies nur für zwei Jahrgänge und nur für sechs Stunden gilt.
Von der Landesregierung wurde nichts bezüglich der Kindertagespflege und zu den Kindern gesagt, die ein Jahr länger in die Kita gehen. Überall wurden die Grundmodule auf etwas mehr als fünf Stunden festgelegt. Jetzt beginnt die Arbeit von Neuem. Sechs Stunden Aufenthalt in der Kita bedeuten gerade im ländlichen Raum, dass mehr Kinder am Mittagessen teilnehmen werden. Das muss organisiert werden. Ganz zu schweigen davon, dass alle von der Ankündigung überrascht wurden. So ist das eben, wenn man einen Schnellschuss im Wahlkampf macht. Dann
Wir wissen jetzt auch, dass wir alles unter Geschwätz subsumieren können, was von den Regierungsfraktionen im Plenum und im Ausschuss zur Qualitätsentwicklung der Kitas gesagt wurde. Am 5. August verkündete Marcus Bocklet in der Presse: „Für die Eltern gebührenfreie Angebote sind erstrebenswert, aber zunächst stehen der Ausbau der Plätze und deren Qualität im Vordergrund.“ – So schnell können sich im Wahlkampf Positionen verändern, wenn befürchtet wird, dass die Wählerinnen und Wähler genug davon haben, immer stärker belastet zu werden.
Sie müssen fast überall im Land höhere Grundsteuern bezahlen. Sie erleben vielfältig Erhöhungen bei Straßenbeiträgen, bei der Nutzung der Schulkinderbetreuung, von Schwimmbädern, Bibliotheken und Jugendeinrichtungen, solange es diese überhaupt noch gibt, und überall auch umfängliche Angebotsverschlechterungen. Die Menschen haben die Nase voll von Ihrer Politik, deswegen brauchten Sie jetzt ein Bonbon. Ich an Ihrer Stelle hätte auch Angst.
Noch ein zweites Beispiel. Frau Wiesmann hat uns bei jeder Gelegenheit, wenn es um die Beitragsfreiheit ging, kritisiert, dass die Befreiung von Elternbeiträgen nur noch die Reichen bevorzuge. Was ist jetzt? Sollen wir sagen, die CDU bevorzugt die Reichen?
Ach so, das machen nur wir, Entschuldigung. – Vielleicht hat sie auch das Argument erkannt, dass es dringend notwendig ist, gerade die Familien zu entlasten, die knapp über den Befreiungsgrenzen liegen. Diese Familien haben ein Einkommen, das nicht hoch genug ist, aber höher als das Existenzminimum. In vielen Kommunen müssen sie den vollen Kitasatz zahlen. Es gibt eben nicht überall gestaffelte Gebühren.
Wir haben ein grundsätzlich anderes Bild von Kita und frühkindlicher Bildung. Für uns ist sie ein Teil des Bildungssystems. In einer anderen Herangehensweise als in der Schule erleben die Kinder Lernprozesse wie das Zusammenleben in einer Gruppe, Erfahrungen in der Natur, Kreativitätsentwicklung und einiges mehr. Bildung muss für Eltern wie für Kinder gebührenfrei sein.
Hier darf es keine Hürden und keine Überlegungen geben, wie viel Bildung ich mir für mein Kind leisten kann und was nicht mehr drin ist.
Es gibt genug Möglichkeiten, die Reichen zur Finanzierung dieser Daseinsvorsorge heranzuziehen. Deshalb spricht man auch von „Steuern“, damit gesellschaftlich wichtige Arbeit gut finanziert wird, und dies von Menschen, die zum Teil nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld noch anfangen sollen. Auf der Einnahmenseite ist noch eine Menge Luft nach oben. Dann könnten wir uns die Kosten für gute Bildung auch leisten.
Wo bleibt denn jetzt Ihre viel gepriesene und geforderte Qualität? 50 Millionen € will Schwarz-Grün in zwei Jahren dafür ausgeben. Das wären durchschnittlich 520 € pro Monat pro Kita. Es gibt widersprüchliche Aussagen darüber, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Minister Grüttner sprach in der Vorstellung davon, dass das Geld für den Übergang in die Schule eingesetzt werden soll; dann heißt es: für Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. All das ist Stückwerk. Wenn die Kommunen von den hohen Lasten der Kindertagesbetreuung entlastet werden würden, wären sie auch in der Lage, den Personalschlüssel so zu gestalten, dass die Einrichtungen Personal für Fortbildungen freistellen könnten. Dann brauchte man kein Bonbönchen obendrauf.
Wir brauchen bundesweit gültige Mindestqualitätskriterien, damit Eltern nicht solch unterschiedliche Bedingungen von Bundesland zu Bundesland, von Kommune zu Kommune erfahren müssen, wie wir es dem aktuellen Ländermonitor der Bertelsmann Stiftung entnehmen können.