Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie das war. Herr Boddenberg, wie war es denn hier in Hessen? Es gab 150 verletzte Polizeibeamtinnen und -beamte, und es ist nicht in einem Fall zur Anklage gekommen.
Herr Boddenberg, nicht in einem einzigen. Es gab insgesamt 675 Ermittlungsverfahren in dem Zusammenhang. Davon sind in Hessen 645 eingestellt worden. Das sind 96 % Einstellungen.
Das ist kein Respekt gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten, wie hier der Rechtsstaat gehandelt hat.
Sie müssen sich schon einmal darum kümmern. Es gab lediglich sechs Verurteilungen für einen der schrecklichsten Tage der Polizei in ganz Deutschland.
(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg, Alexander Bauer (CDU) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Schauen Sie sich einmal an, was Ihre Kollegen der CSU in Bayern mit den Bildern der brennenden Fahrzeuge in Frankfurt machen. Da machen sie sich lustig.
So sei die Polizei in anderen Bundesländern aufgestellt – blühende Landschaften in Bayern dagegen. Sie machen hier noch nicht einmal eine ordentliche Aufarbeitung. Sie kümmern sich nicht um die Belange der Polizeibeamten, die dort verletzt wurden.
Aber ausgerechnet Sie stellen sich hierhin und reden von Verantwortung und lassen sich für ein Gesetz feiern, wofür Sie nichts können, was die Große Koalition gut gemacht hat.
Ich will Ihnen noch eines sagen: In Hessen haben wir noch ein anderes Problem: Wenn ein Delikt passiert, ist es wichtig, dass die Strafe sehr schnell folgt und dass Strafverfahren ordentlich und schnell durchgeführt werden.
Herr Klee, schauen Sie sich einmal die Bundesstatistik an. Hessen liegt in den Einstellungen von Strafverfahren ganz oben, gleich hinter Berlin – bundesweit.
(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört! – Horst Klee (CDU): Woran liegt es denn? – Günter Rudolph (SPD): Ja, woran liegt es denn?)
Meine Damen und Herren, wir haben zu 70 % Einstellungen bei Strafverfahren. Mit diesen Zahlen müssen Sie sich doch einmal auseinandersetzen. Wir haben Verfahrensdauern, die bundesweit mit die längsten sind. Die Strafverfahren bei den Jugendkammern in Hessen dauern durchschnittlich 7,4 Monate. Im Bund sind es nur 6 Monate. Beim Amtsgericht dauern die hessischen Strafverfahren 5 Monate, bundesweit nur 3,9 Monate. Das ist Ausdruck von Überlastung bei der hessischen Justiz und zu wenig Personal.
Meine Damen und Herren, da Sie sich hier für ein Gesetz feiern lassen: Ausgerechnet Sie reden in Ihrem Antrag unter Punkt 6
(Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU) – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Den hätten wir gerne im Protokoll, den Zwischenruf! – Günter Rudolph (SPD): Zwischenruf des Kollegen Klee: Die sind vielleicht fleißiger! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
vielleicht sollten Sie mir noch zuhören – von Wertschätzung. Meine Damen und Herren der CDU, Sie haben unter Punkt 6 etwas zur Wertschätzung der hessischen Polizei gesagt, und Sie sollten das einmal lesen. Sie reden von Wertschätzung der hessischen Polizei zusammen mit der Einführung der Kennzeichnungspflicht. Das wird bei der hessischen Polizei als Misstrauen gewertet, nicht als Wertschätzung.
Das ist vielleicht Wertschätzung gegenüber dem grünen Koalitionspartner, weiter nichts. – Letzter Satz, Herr Präsident. – Ausgerechnet Sie feiern sich für etwas. Sie haben keinerlei Wertschätzung für die hessischen Beamten.
Sie haben sie abgehängt bei der Einkommensentwicklung. Wir haben die höchste Anzahl Krankentage und die meisten Überstunden, und Sie reden hier von Schutz der Polizei. Sie sind bei dem Thema nicht glaubwürdig. Machen Sie erst Ihre Hausaufgaben, dann können wir weiter miteinander diskutieren.
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Michael Bod- denberg (CDU): Das ist der letzte verzweifelte Versuch, Innenpolitik zu machen!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser, auch für die letzten neun Sätze. Herzlichen Dank dafür. – Bevor Kollege Frömmrich das Wort ergreift, begrüßen wir gemeinsam auf der Besuchertribüne unseren langjährigen Kollegen und Freund Reinhard Kahl. Herzlich willkommen, lieber Reinhard. Du bist irgendwo ums Eck dahinten, gell?
Ich habe ihm gerade gewunken. Er ist für den Präsidenten nicht sichtbar. Reinhard, herzlich willkommen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Präsident! Ich hätte mir gewünscht, dass wir an diesem Punkt die Gemeinsamkeiten betonen und sagen, was für ein wichtiges Thema wir gemeinsam aufgreifen und in den Mittelpunkt der Debatte stellen. Ich weiß nicht – ich habe ja auch lange Oppositionsarbeit gemacht –, ob es sinnvoll ist, bei jedem Punkt der Tagesordnung, der von anderen kommt, den Versuch zu unternehmen, am Ende sozusagen das Trennende anstatt das Gemeinsame zu betonen.
Die Gemeinsamkeit besteht doch darin, dass wir denen danken sollten, die sich jeden Tag für die Sicherheit, für den Schutz und für die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land engagieren und diesen sicherstellen. Das sollte uns doch gemeinsam tragen. Polizei, Feuerwehren und Rettungsdienste leisten eine herausragende Arbeit für unsere Gesellschaft, riskieren unter Umständen das eigene Leben, um andere zu schützen oder anderen zu helfen. Wer diese Arbeit leistet – bei den Feuerwehren und bei den Rettungsdiensten sogar in großen Teilen ehrenamtlich –, hat unseren Respekt, unseren Dank und unsere Unterstützung verdient.
Deshalb ist es so schändlich, wenn wir immer öfter erleben müssen, dass Polizistinnen und Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute bei ihrer Arbeit beleidigt, behindert, bespuckt und angegriffen werden. Wir fordern – das sollten wir gemeinsam tun, Kollegin Faeser – den Respekt gegenüber denen ein, die andere schützen – den ganzen Tag und das ganze Jahr über.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den strafrechtlichen Schutz für diesen Personenkreis zu verbessern. Durch das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“, das die Bundesregierung vorgelegt hat, wurde diesem Anliegen Rechnung getragen. Wer Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte angreift, greift unseren Rechtsstaat und unsere Gesellschaft an und muss deshalb auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Wir sind uns auch bewusst, dass das Strafrecht allein die steigende Zahl von Übergriffen nicht verhindern kann. Diese strafrechtlichen Maßnahmen können bestenfalls abschreckende Wirkung haben. Sie können möglicherweise helfen, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Übergriffe auf Menschen, die anderen Menschen helfen, ein besonderes Unrecht darstellen.
Was wir aber neben dem Strafrecht brauchen, ist ein Strauß von weiteren Maßnahmen. Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber, warum es zu diesen Respektlosigkeiten kommt, warum es zu immer mehr Verrohung in unserer Gesellschaft kommt, warum die Hemmschwellen bei Gewalt immer mehr sinken. Darüber brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen ist es auch richtig, dass die Landesregierung diese Initiative mit der Schutzschleife eingebracht hat. Es ist wichtig, damit man ein solches Thema in den öffentlichen Raum stellt und darüber diskutiert wird. Ich frage mich sowieso – das tun wahrscheinlich alle, die im Bereich der Innenpolitik tätig sind –, wenn man diese Bilder von
angegriffenen Polizeibeamten oder von behinderten Feuerwehrleuten und Rettungskräften sieht, was im Kopf solcher Menschen eigentlich vorgeht, die diese Menschen angreifen, die anderen nur helfen wollen. Das frage ich mich.
Wenn man schaut – wie nächste Woche beim Hessentag –, wie die jungen Anwärterinnen und Anwärter vereidigt werden, wenn man zu den Feuerwehrleuten geht und mit den Rettungskräften spricht, die jung und sehr engagiert sind und die helfen wollen, dann ist es wirklich überhaupt nicht verständlich, dass es Leute gibt, die diese Rettungskräfte angreifen. Deswegen müssen wir gesellschaftlich klarstellen, dass diese Menschen unseren Schutz verdienen und wir uns gemeinsam für diesen Schutz einsetzen.
Wir brauchen aber auch Maßnahmen, die präventiv wirken und die verhindern, dass Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder Polizei überhaupt angegriffen werden. Repression, also das Strafrecht, ist die eine Seite, Prävention und gesellschaftliche Debatte die andere. Der beste Schutz für Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte ist die Verhinderung von Angriffen auf diesen Personenkreis.