Protocol of the Session on May 31, 2017

will die CDU jetzt für alle gefährdeten und helfenden Berufsgruppen eigenständige Strafrechtsparagrafen einführen? Für die Justizbeamten so und für die Finanzbeamten dann wieder anders – das wäre eigentlich die logische Konsequenz daraus.

Ich sage: Nein, das geht in einem Rechtsstaat nicht. Das ist nicht in Ordnung. – Es gibt Straftaten, also tatsächliche Bedrohungen und Angriffe, und dann gibt es Sanktionen für alle, unterschiedslos, ob für oder gegen einen Polizisten, oder für oder gegen eine Lehrerin. Alle Menschen sind laut Verfassung vor dem Gesetz gleich. Sie führen aber hier gesetzliche Unterschiede ein.

Vor einem halben Jahr haben wir uns noch in der Böhmermann-Affäre über den Straftatbestand der Beleidigung eines Staatsoberhauptes gewundert. Das will ich in Erinnerung rufen. Dass es so etwas überhaupt noch in Deutschland gibt, so wie in der Kaiserzeit, das hat doch alle sehr erstaunt. Alle waren sich damals darin einig, dass das schnell abgeschafft werden muss. Nun soll Ungleichbehandlung im Recht in anderer Form wieder eingeführt werden. Das geht nicht.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Der Vergleich ist sehr zutreffend an der Stelle, weil es um Gleich- oder um Ungleichbehandlung oder um Heraushebung geht. Das geht vor dem Gesetz nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich geht es der CDU auch darum, ein gesellschaftliches Signal zu setzen, dass man sich nämlich hinter die Polizei und die Einsatzkräfte stellt.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Herr Pentz, ein gesellschaftliches Zeichen zu setzen, ist okay. Da sind wir auch an Ihrer Seite, das ist überhaupt nicht die Frage.

Die SPD im Bundestag und die GRÜNEN im Landtag machen es nach einigem Hin und Her nun auch mit, wissend, dass es eigentlich nichts bringt. Das finden wir sehr bedauerlich.

Die Landesregierung könnte sogar wirkliche Anerkennung gesellschaftlicher Arbeit der Polizei und der Rettungskräfte zeigen, indem sie für eine bessere Ausstattung, für mehr Personal oder für eine gute Bezahlung sorgt. Das würde man auch in der Bevölkerung gut finden und auch als ein entsprechendes Signal verstehen. Das würde zudem keine Kollateralschäden hinterlassen. Dafür sind wir auch. Genau das machen Sie aber eben nicht. Deswegen bleibt diese Gesetzesverschärfung reine CDU-Symbolpolitik und geht an der Sache vorbei.

Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Ende kommen.

Die Straftaten sind als Straftaten normiert. Ihre besondere Verschärfung mit Blick auf einen Teil der Vertreter des Staats und der helfenden Dienste stimmt mit dem rechtlichen Gleichheitsgebot nicht überein. Deswegen werden wir den Punkten 1 und 2 des Koalitionsantrags zustimmen und die übrigen entscheidenden Punkte ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Das Wort hat Frau Abg. Nancy Faeser, SPD-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Die Regierungsbank ist „voll“ vertreten, sehe ich gerade! – Gegenruf des Ministers Peter Beuth: Ich bin da! – Günter Rudolph (SPD): Das ist ja völlig ausreichend bei einem Setzpunkt der CDU! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, wir sind erstaunt darüber, dass CDU und GRÜNE einen gemeinsamen Setzpunkt zu einem Gesetz einbringen, von dem Herr Greilich zu Recht meint, dass im Bund davon nicht mehr viel übrig geblieben ist, dem zum anderen aber der Koalitionspartner, der den gemeinsamen Setzpunkt macht, im Bund überhaupt nicht zugestimmt hat.

(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört! – Gegenruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das empfinden wir schon als eine etwas seltsame Anmutung. Inhaltlich sind wir doch ganz bei dem Gesetz, das die Große Koalition im Bund verabschiedet hat. Auch aus unserer Sicht nehmen leider die Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte stetig zu. Um ein paar hessische Zahlen zu nennen: Die Gewaltstraftaten gegen Polizeibedienstete sind in Hessen leider auf einem Höchststand von 1.420 Fällen. Das ist in der letzten Kriminalstatistik eine Steigerung von 18,7 % gewesen. Im Jahr 2016 sind 3.468 Polizeibedienstete, inklusive Wachpolizei und sonstigen Beschäftigten, Opfer geworden. Das ist ein Anstieg von 12,9 %. Meine Damen und Herren, das ist eine erschreckend hohe Zahl, da bestand dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD)

All diese Personen sind tagtäglich im Einsatz für alle Bürgerinnen und Bürger, um unseren demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen. Sie wirksam zu schützen, ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Deswegen ist die Änderung des Strafgesetzbuchs, § 113 ff. – eben nicht § 112 – sehr sinnvoll gewesen. Unser Bundesjustizminister hat bei der Einbringung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag darauf verwiesen, dass es nicht nur rechtsstaatlich geboten ist – Herr Schaus –, sondern dass wir es den Polizeibeamten, den Rettungskräften, der Feuerwehr und den Vollstreckungsbeamten schuldig sind, weil sie eine wertvolle Arbeit für den Staat leisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Strafverschärfung ist kein Allheilmittel, aber Strafverschärfung ist ein Mittel, damit der Staat sagen kann, dass er ein Verhalten missbilligt. Deswegen ist es im vorliegenden Fall angemessen.

Die wichtigsten Änderungen sind sicherlich die Ausweitung des Schutzes insbesondere für die Rettungskräfte, also die Sanitäter, Feuerwehr, Katastrophenschutz, wie z. B. das THW. Das Ergebnis der öffentlichen Anhörung im Bundestag hat zusätzlich zu einer Strafbarmachung einer

Verhaltensweise geführt, was, wie ich finde, enorm wichtig ist: Das Behindern oder Verhindern von Rettungsmaßnahmen ist zukünftig strafbewehrt. Das bedeutet, wenn jemand – wir kennen die Bilder – eine Rettungsgasse behindert und die Sanitäter gezwungen sind, die Ausrüstung unter die Arme zu klemmen und über die Autobahn zu rennen, um helfen zu können, dann ist das zukünftig strafbewehrt. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Ausweitung, dass künftig Polizei- und Vollstreckungsbeamte eben nicht mehr nur bei Vollstreckungshandlungen, sondern grundsätzlich einen besonderen Schutz genießen, ist angemessen. Als normaler Bürger – Herr Schaus, das ist der Unterschied – kann ich mich den brenzligen Situationen entziehen. Ich kann es weder als Polizeibeamter noch als Feuerwehrmann, nicht als Sanitäter und nicht als Rettungskraft. Sie sind gezwungen, sich dieser brenzligen Situation auszusetzen. Gerade deshalb genießen sie einen außerordentlichen Schutz.

(Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist übrigens auch eine wichtige Änderung im Opferentschädigungsgesetz erfolgt, dass nämlich Polizisten, die attackiert werden und ihre Ansprüche nicht geltend machen können, weil bei den Tätern oft nichts zu holen ist, eine staatliche Entschädigung erhalten. Auch das finde ich gut und richtig.

Eine Strafverschärfung, das haben die Kolleginnen und Kollegen schon gesagt, reicht bei Weitem nicht aus und greift bei dieser Problematik zu kurz. Es bedarf sehr viel umfangreicherer Maßnahmen, wozu sicher auch, Herr Kollege Bauer, die Bodycam in Kriminalitätsschwerpunkten dazu gehört.

Was ich aber bislang bei allen Rednerinnen und Rednern vermisst habe: Wo ist eigentlich die Prävention?

(Heike Hofmann (SPD): Genau!)

Meine Damen und Herren, bei diesem Thema geht es darum, dass wir wollen, dass Jugendliche und Bürgerinnen und Bürger unseren Hilfskräften, der Polizei, der Feuerwehr und den Sanitätern, Respekt entgegenbringen und Achtung vor den Menschen haben, die anderen helfen. Das ist eine klasse Aufgabe für Sozial- und Bildungspolitik, den Kindern den notwendigen Respekt beizubringen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Ja, Herr Klee, auch die Eltern. Aber wir sind ein Haus, das insbesondere auch für die Bildungspolitik zuständig ist.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir hatten heute schon eine sozialpolitische Debatte über die Kinderbetreuung.

Ich finde es sehr bedauerlich, dass dieser Teilbereich hier überhaupt nicht erwähnt wird. Es ist ganz wichtig zur Gewaltvermeidung, die Prävention zu stärken.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der in diesem Zusammenhang außerordentlich wichtig ist. Es geht nämlich auch

darum, denjenigen nicht nur symbolträchtige Maßnahmen zu zeigen. Ich finde das mit der Schutzschleife gut. Aber das reicht nicht. Wir müssen nämlich als Staat denjenigen, die dort Opfer werden, auch zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist. Unser ehemaliger Kollege Gerold Reichenbach hat im Deutschen Bundestag ein gutes Beispiel genannt:

Mir hat ein Sanitäter, der angegriffen wurde – es kam dann auch zu einer Verhandlung und einer Verurteilung –, berichtet, dass er sehr enttäuscht war, da die Strafe … relativ niedrig ausfiel. Er sagte: Ich habe nach dem Urteil das Gefühl gehabt, ich sei so etwas wie Freiwild.

Auch darum geht es heute. Wichtig ist nämlich, dass Gewalt gegen Einsatzkräfte auch konsequent bestraft wird.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Michael Boddenberg (CDU))

Polizisten erwarten zu Recht, dass den Anzeigen konsequent nachgegangen wird. Es muss in Hauptverhandlungen zu einem Urteil kommen; denn nur so erfahren die Opfer Wertschätzung, und die Täterinnen und Täter Konsequenz. So weit im Bund, so weit die Idee, die offensichtlich allen gut gefällt. Aber was macht denn das Bundesland Hessen?

(Zurufe der Abg. Heike Hofmann und Marius Weiß (SPD))

Wie sieht das denn hier aus? Wie war denn die Reaktion Hessens auf die schlimmen Übergriffe auf die Polizei bei Blockupy im Jahre 2015? – Nur einem Berichtsantrag der SPD ist zu verdanken, dass es überhaupt aufgearbeitet wurde.

(Michael Boddenberg (CDU): Du liebe Zeit! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Boddenberg, Sie haben doch gerade geklatscht. Wir haben gerade festgestellt, wie wichtig es ist, die Straftaten zu verfolgen.

(Alexander Bauer (CDU): Woran liegt es denn?)