Bisher waren alle Reden sachlich. Da es um eine heute stattfindende Abschiebung geht, muss sich der Hessische Landtag zeitnah positionieren, auch wenn wir am Ende nicht zu der gleichen Auffassung kommen. Deswegen ist es von CDU und GRÜNEN wenig souverän, zu sagen: Wir machen das am Ende der Tagesordnung. – Die Hoffnung,
dass die Presse dann nicht mehr anwesend ist, wird sich sowieso nicht erfüllen; denn die Presse ist garantiert anwesend. Ich finde es aber auch gegenüber denjenigen geboten, die anderer Meinung sind, die heute demonstrieren wollen, dass sich der Landtag zeitnah positioniert.
Es gibt das vernünftige Angebot, den Antrag nach Tagesordnungspunkt 58 aufzurufen. Wir sind kompromissbereit; denn ich finde, es steht dem Landtag gut an, sich zu diesem Thema zu positionieren. Das Spielchen, den Antrag am Ende der Tagesordnung zu behandeln, wird diesem wichtigen und sensiblen Thema nicht gerecht. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der LINKEN.
Ich lasse zunächst über den Geschäftsordnungsantrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen, Tagesordnungspunkt 61 nach Tagesordnungspunkt 58 aufzurufen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktion DIE LINKE, Kollegin Öztürk und die Fraktionen der SPD und der FDP. Wer dagegen stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Kollege Bellino und Kollegin Dorn haben den Vorschlag gemacht, den Antrag unter Tagesordnungspunkt 61 heute am Ende der Tagesordnung aufzurufen. Ist damit gemeint, ihn vor den Beschlussempfehlungen aufzurufen?
Ich lasse darüber abstimmen, Tagesordnungspunkt 61 vor den Beschlussempfehlungen am Ende der Debatte aufzurufen. Wer dieser Auffassung ist, der gebe bitte ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Die SPD, DIE LINKE und Kollegin Öztürk. Enthaltungen? – Die Fraktion der FDP. Dann wird der Antrag Drucks. 19/4950, Tagesordnungspunkt 61, nach dem gemäß der bisherigen Tagesordnung letzten zu debattierenden Tagesordnungspunkt aufgerufen.
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend besserer Schutz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten durch eine Umgestaltung des Strafgesetzbuches erreicht – Gewalt gegen Einsatzkräfte ist inakzeptabel – Drucks. 19/4919 –
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon seit Längerem wirbt das hessische Innenministerium mit der Schutzschleife für Solidarität, einem Verbundenheitssymbol, in der Farbe Blau für die Polizei, in der Farbe Rot für die Feuerwehr und in der Farbe Weiß für die Rettungsdienste, weil die Menschen in Uniform für uns eine besondere Aufgabe wahrnehmen und unserer besonderen Aufmerksamkeit und Wertschätzung obliegen.
Seit Längerem bemühen wir uns auch darum, dass der Schutzparagraf verschärft wird. Ich darf mit Freude und Genugtuung feststellen, dass seit gestern das vom Bundestag beschlossene Gesetz Rechtskraft erlangt hat und wir es durch unsere Hartnäckigkeit erreicht haben, dass die Menschen in Uniform in der Ausübung ihres wichtigen Dienstes für unser Land einen besseren Schutz genießen.
Meine Damen und Herren, wer die Zeitungen aufschlägt, muss immer öfter von Vorkommnissen lesen, die von Gewalt und – ich sage es ganz deutlich – asozialem Verhalten zeugen. Da sind die Fälle von Gaffern, die an Unfallstellen nicht nur nicht helfen, sondern die Opfer auch noch filmen. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, werden die Rettungskräfte bei ihrer Arbeit behindert. Rettungsgassen werden oft nicht gebildet. Sie alle kennen den Fall, der sich Mitte März auf der A 5 zutrug, als die Feuerwehr endlich einmal 30 Blockierer angezeigt hat, weil sie die Rettungsgasse verstopft haben und den Rettungs- und Polizeifahrzeugen hinterhergefahren sind, um schneller durch den Stau zu kommen. Das ist ein völlig inakzeptables, asoziales Verhalten.
Meine Damen und Herren, die Aktualität und Wichtigkeit des Themas zeigt sich z. B. darin, dass die Polizei in Darmstadt anlässlich des Schlossgrabenfestes per Twitter Folgendes veröffentlicht hat – ich darf zitieren –: „Soeben wurde eine Rettungswagenbesatzung im Herrngarten angegangen. Das ist nicht tolerierbar. Hört damit auf.“ – Auch hier zeigt sich, wie asozial sich manche verhalten und Menschen, die für unseren Schutz und für unsere Sicherheit da sind, bei der Ausübung ihres Dienstes behindern.
Auch die „FNP“ hat in einem ausführlichen Artikel vom 19. Februar unter der Überschrift „Gebissen, getreten, getötet: Hessische Polizisten als Opfer“ einen Überblick über brutale Attacken und andere Widerlichkeiten gegeben, welche Polizeibeamte im Dienst ertragen müssen.
Ein weiteres perverses Beispiel für diese erschreckende Fehlentwicklung ist die Debatte in manchen Bundesländern, ob wir unsere Polizeien mit sogenanntem Spuckschutz ausstatten müssen, weil Beamte bei einer Ingewahrsamnahme von Personen immer häufiger ekelerregend bespuckt und aufs Übelste behandelt werden. Die Tatsache, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir unsere Einsatzkräfte schützen können, ist an Perversion und Irrationalität nicht zu überbieten.
Es hat schon seine Gründe, dass die Hessische Landesregierung das Jahr 2017 zum Jahr des Respekts ausgerufen hat. Das war eine gute Entscheidung; denn es mangelt in allen möglichen Lebenslagen genau daran, am Respekt gegenüber dem Nächsten. Trotzdem ist Respekt kein Selbstläufer und im Alltag nicht selbstverständlich. Das wissen wir alle. Davon können insbesondere unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten seit Jahren ein trauriges Lied singen. Der Respekt, den man früher einmal dem Schutzmann wie selbstverständlich entgegenbrachte, ist heute bedauerlicherweise der Respektlosigkeit gewichen, einer Respektlosigkeit, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Polizisten werden angegriffen, nicht als Privatperson, sondern aufgrund ihrer besonderen Verantwortung als Repräsentant staatlicher Gewalt. Polizeibeamte werden gewürgt,
getreten, geschlagen, beleidigt, bespuckt. Damit nicht genug: Polizeifahrzeuge werden sabotiert, wie erst neulich auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums Frankfurt geschehen, wo Verbrecher Radmuttern an Privatfahrzeugen von Beamten lösten.
Die Täter findet man überall: Hooligans, Kleinkriminelle, Reichsbürger, die den Staat komplett ablehnen, Mitglieder anderer Parallelgesellschaften, Rechts- und Linksradikale. Um ein Beispiel zu nennen: In Berlin wurden im letzten Jahr 584 Beamte allein im Umfeld eines sogenannten linken Wohnprojektes in der Rigaer Straße – zu gut Deutsch: in der Hausbesetzerszene – verletzt. Auslöser dieser Brutalität war das Aufschreiben eines Falschparkers vor besagtem Objekt durch Polizisten – wie in so vielen anderen Fällen ein ganz banaler Anlass für völlig inakzeptable Gewaltausbrüche.
Im vergangenen Jahr mussten wir allein in Hessen 1.420 Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte verzeichnen, über 200 Fälle mehr als im Jahr zuvor. Jeder Fall ist ein Fall zu viel.
Wir Christdemokraten empfinden es als nicht länger hinnehmbar, dass die, die anderen Hilfe leisten, beleidigt oder körperlich angegriffen werden. Wir müssen die besser schützen, die uns schützen. Das ist unsere Auffassung.
Wir sind auch der Meinung, dass der Erosion des Rechtsbewusstseins Einhalt geboten werden muss. Dem Gewaltmonopol des Staates muss Geltung verschafft werden. Vor vielen Jahren hat allein schon die Uniform den Beamten geschützt. Das ist heute leider bei Weitem nicht mehr der Fall. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Helme verbessern, ob wir neue Protektoren anschaffen, wie wir die Schutzplatten verstärken. Das ist eine Entwicklung, auf die wir wahrlich nicht stolz sind, die aber zeigt, dass wir alles tun, um die Dienstausrüstung zum körperlichen Schutz unserer Polizeibeamten zu verbessern, weil es einfach notwendig ist. Das ist eigentlich ein sehr trauriges Signal.
So stolz und so zufrieden wir sind, dass in Hessen die Bodycam entwickelt wurde: Auch das ist ein Indiz dafür, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Die Polizei hat gesagt: Wir müssen dokumentieren, was uns im Alltag in der Ausübung unseres Dienstes passiert. Wir wollen aufnehmen, wie wir angegangen und beleidigt werden. – Die Bodycam, die mittlerweile flächendeckend im Einsatz ist, ist zwar eine gute Maßnahme, die auf alle Beteiligten eine heilsame Wirkung hat, ihr Ursprung ist jedoch Ausdruck einer wirklichen Fehlentwicklung: mangelnder Respekt vor der Polizei in unserem Land.
Meine Damen und Herren, jetzt ist ein Gesetz in Kraft getreten, das unsere Unterstützung erfährt. Damit werden die Polizeibeamtinnen und -beamten schon bei allgemeinen Diensthandlungen geschützt, d. h. auch bei Attacken im täglichen Dienst, die keinen Bezug zu einer Vollstreckungshandlung haben. Die bisherige Regelung sah einen solchen Schutz nur im Rahmen von Vollstreckungssituationen vor.
Künftig – das war unser Ziel – sind Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren möglich. Die Mindeststrafe liegt bei drei Monaten. Künftig – das war uns ebenfalls wichtig – genießen auch Rettungskräfte diesen gesetzlichen Schutz. Zudem stellt das Gesetz auch – diese Problematik wurde eingangs erwähnt – das Gaffen an Unfallstellen und das Blockieren von Rettungsgassen unter Strafe. Das sind drei wichtige Maßnahmen, die wir schon lange gefordert haben und die jetzt endlich umgesetzt worden sind.
Dem Kernanliegen der CDU-geführten Koalition, das der Initiative für den Schutzparagrafen 112 zugrunde liegt, ist endlich Rechnung getragen worden. Unser Innenminister Peter Beuth hat diese Initiative bereits 2015 auf den Weg gebracht. Es ist auch seiner Hartnäckigkeit zu verdanken, dass diesbezüglich schon auf der Innenministerkonferenz 2016 Einigkeit erzielt werden konnte und dass dies jetzt endlich in das Strafgesetzbuch Eingang gefunden hat. Herr Minister, diese Beharrlichkeit hat sich wahrlich ausgezahlt.
Jeder – und jede –, der den Beruf des Polizeibeamten ergreift, weiß, dass diese Laufbahn das Risiko bedrohlicher Begegnungen und tätlicher Konflikte birgt. Aber die Beamtinnen und Beamten, die von Berufs wegen für den Schutz ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger eintreten, sind kein Freiwild, an dem Straßenkriminelle, Staatsverächter oder alkoholisierte Großveranstaltungsbesucher ihre Aggressionen abreagieren können. Das sind Menschen in Uniform, die unseres Schutzes bedürfen.
Auch deshalb haben wir uns dafür starkgemacht, dass diese Gesetzesverschärfung kommt. Aber sie allein wird das Problem nicht lösen. Das ist ganz klar.
Aber wir als Gesetzgeber haben die Pflicht, alles zu unternehmen, was sinnvoll ist und umgesetzt werden kann, damit Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte besser geschützt werden.
Eine Mindeststrafe von drei Monaten für Angriffe auf Menschen, die uns schützen, die sich für die Sicherheit unserer Gesellschaft einsetzen und tagtäglich ihren Kopf dafür hinhalten, ist wahrlich keine unmäßig harte Androhung. Ich denke, es war allerhöchste Eisenbahn, dass das kommt. Diese Gesetzesverschärfung ist ein Baustein für mehr Respekt und damit auch ein Beitrag zu einem besseren Schutz unserer Schutzleute.
Ich bin mir sehr sicher, die Botschaft wird sich schnell verbreiten, dass Attacken auf Ordnungshüter keine Petitesse, sondern eine schwere Straftat sind, die mit einer Geldstrafe nicht ausreichend geahndet werden kann. Allen muss klar sein: Wer meint, gesellschaftliche Grenzen ausloten und Autoritäten herausfordern zu können, indem er Beamte angreift, wird strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Mit dieser Gesetzesänderung können und werden wir die besser schützen, die uns schützen. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten am Anfang dieser Debatte klarstellen, dass wohl wir alle uns darin einig sind: Beamte, die von Berufs wegen für unser aller Schutz eintreten, sind kein Freiwild, an dem Politrandalierer, Kriminelle oder alkoholisierte Besucher irgendwelcher Großveranstaltungen ihre Aggressionen abreagieren können. Darüber besteht Einigkeit.
Deshalb zielt der Antrag der Koalition zumindest in seinen ersten beiden Punkten durchaus in die richtige Richtung. Sie wollen, dass wir die Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte, auf Feuerwehrleute und auf Rettungskräfte verurteilen. Wir fordern Respekt gegenüber diesen engagierten, zu einem großen Teil ehrenamtlich tätigen Mitbürgern, die in der Tat unter Zurückstellung ihrer persönlichen Interessen für die Allgemeinheit einstehen. Das sind die Menschen, die uns in Notlagen immer wieder helfen. Wir müssen ihnen den entsprechenden Respekt erweisen und sie auch vor Übergriffen schützen.
In Punkt 2 Ihres Antrags beschreiben Sie mehr die Situation. Sie beschreiben das Phänomen: die unerträgliche Tatsache, dass mit 1.420 Gewaltstraftaten gegen solche Einsatzkräfte im Jahr 2016 ein Höchststand in diesem Bereich erreicht worden ist. Dabei wurden – wiederum eine gestiegene Zahl – fast 3.500 Polizeibedienstete als Opfer verzeichnet. All das ist nicht hinnehmbar. Deswegen werden wir den Punkten 1 und 2 Ihres Antrags zustimmen.
Ich beantrage daher schon jetzt eine getrennte Abstimmung über diese beiden Punkten – wobei es bei dem Rest allerdings etwas interessanter wird. In dem Zusammenhang will ich auf das eingehen, was Kollege Bauer vorgetragen hat und was auch in diesem Antrag steht.
Ich will zwei Punkte herausgreifen; denn diese machen es deutlich: Das, was Sie hier betreiben, ist der Versuch, zu kaschieren, dass im Wesentlichen nichts erreicht worden ist, sondern dass Sie sich mit Symbolpolitik beschäftigen.