Protocol of the Session on March 23, 2017

Deutschland braucht eine qualifizierte Einwanderung, aber bitte gesteuert und nicht derart chaotisch und ungesteuert, wie wir das momentan organisieren.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen Einwanderung über ein Gesetz mit einem Punktesystem, das klare Kriterien für Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und Integrationswillen aufstellt. Wir brauchen dieses Einwanderungsgesetz, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wir wissen doch, dass wir jedes Jahr ca. 350.000 zusätzliche Fachkräfte brauchen. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz auch als Einladung zum Eintritt in unseren Arbeitsmarkt, um die sozialen Sicherungssysteme zu stützen. Zusätzliche Fachkräfte, die arbeiten, Steuern und Abgaben zahlen, stabilisieren auch in schwierigen Situationen das System.

Mit einem Einwanderungsgesetz würden wir auch erreichen, dass der Druck aus dem Asylsystem genommen wird, sodass wir die Hilfen, die Antragsberatung und die Beschleunigung der Verfahren auf diejenigen konzentrieren, die wirklich politisch oder religiös verfolgt sind, auch auf diejenigen, die in der zweiten Säule als Bürgerkriegsflüchtlinge auf Zeit in unser Land kommen. Daher wäre es

auch wesentlich humaner, über ein Einwanderungsgesetz zu steuern.

(Beifall bei der FDP)

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten in diesem Land kann ich die Position der Christdemokratie an diesem Punkt nicht nachvollziehen. Die Bevölkerung erwartet doch, dass man ihr über ein Einwanderungsgesetz aufzeigt, dass wir Möglichkeiten haben, Einwanderung zu steuern und nicht chaotisch abzuwickeln, dass es klare Kriterien gibt, die transparent sind und die entsprechend rechtstaatlich angewendet werden, um das Chaos endlich zu beenden. Ich glaube, es ist auch nur fair gegenüber den Einwanderungswilligen, transparent auf den Tisch zu legen, welche Bedingungen wir daran knüpfen, wie wir in unseren Arbeitsmarkt einladen und an wie viele wir jährlich diese Einladungen aussprechen. Das wäre ein faires Angebot an all diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen zuwandern wollen. Diese sollten wir nicht zum Missbrauch des Asylsystems drängen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Debatte ist ja nicht neu. Ruth Wagner hat diese Debatte bereits im Jahr 2000 im Bundesrat aufgegriffen. Im Jahr 2001 sind die Ergebnisse der Süssmuth-Kommission vorgelegt worden.

(Beifall bei der FDP)

Es sind also bereits brauchbare Vorschläge von Ihrer Parteifreundin gemacht worden. Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass die Süssmuth-Kommission bereits im Jahr 2001 darauf hingewiesen hat, dass eine Datenerhebung mit Foto usw. dringend notwendig ist.

Frau Kollegin Beer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Nach meiner Uhr habe ich noch 42 Sekunden.

Kollegin Beer, die Redezeit wurde von der Apparatur nicht angenommen. Ihre aktuelle Redezeit beläuft sich auf 5:30 Minuten.

Okay. Dann müsst ihr aber einmal an dem Apparat arbeiten, weil man sich ja nach der Redezeit richtet, die hier angezeigt wird. – Dann komme ich etwas verkürzt zum Schluss.

(Lachen und Zuruf des Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): „Verkürzt zum Schluss“!)

Wir wollen, dass es ein Einwanderungsgesetz gibt. Es ist ein Fehler, dass sich die Große Koalition im Bund auf ein Integrationsgesetz beschränkt. Es ist ein Fehler, dass die Landesregierung an dieser Stelle nicht handlungsfähig ist; denn das wird den Wohlstand in diesem Land schädigen, und das wiederum schadet Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Di Benedetto, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Bundesland Hessen hat bei der Bewältigung der ersten Schritte zur Aufnahme und Integration der hohen Zahl der Geflüchteten in den vergangenen eineinhalb Jahren bundesweit eine gute Figur gemacht. Das kann man im Großen und Ganzen auch aus der Sicht der Opposition sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Umso unverständlicher ist es, dass sich Hessen auf der Integrationsministerkonferenz wieder einmal gegen ein dringend benötigtes Einwanderungsgesetz ausgesprochen hat.

(Beifall bei der SPD)

Es ist für mich unbegreiflich, warum sich die hessische Union immer noch mit Händen und Füßen gegen ein modernes Einwanderungsgesetz stemmt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ein Einwanderungsgesetz wird nicht mehr Menschen nach Deutschland holen, meine Damen und Herren der Union, sondern kontrolliert genau diejenigen, auf die unser Arbeitsmarkt so dringend angewiesen ist. Was haben Sie daran auszusetzen?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die GRÜNEN fordern seit Jahren nicht nur in Berlin neue und zeitgemäße Einwanderungsregelungen. Was haben aber die GRÜNEN in Hessen in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht, bzw. was machen die GRÜNEN in Hessen? Sie sind in erster Linie darum bemüht, den schwarzgrünen Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Ob wir mit dieser Haltung die anstehenden Herausforderungen im Bereich Migration und Integration bewältigen können, das wage ich zu bezweifeln. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie noch so blitzschnell diesen Antrag eingebracht haben, der nichtssagend ist. Das ist der Beweis dafür, dass man Integration nicht so organisieren kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, unsere Republik wird im nächsten Jahrzehnt massiv vom demografischen Wandel betroffen sein. Sinkende Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung stellen die Wirtschaft, die Sozial-, die Gesundheitsund die Rentensysteme vor enorme Herausforderungen. Eine Einwanderung allein aus der Europäischen Union wird in vielen Branchen und Mangelberufen definitiv nicht ausreichen.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre verliert Deutschland über 6 Millionen Erwerbstätige. Selbst eine systematische Qualifizierung und Ausschöpfung des in Deutschland verfügbaren Potenzials an Erwerbspersonen werden nicht ausreichen, um diese enorme Lücke zu füllen. Deutschland ist daher dringend auf die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus den Drittstaaten angewiesen. Dazu brauchen wir

ein klares und transparentes Einwanderungsgesetz, das für inländische Arbeitgeber genauso wie für potenzielle Arbeitskräfte aus dem Ausland leicht verständlich und anwendbar ist und die Akzeptanz von Einwanderung in der deutschen Bevölkerung erhöht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie mich auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen, über den wir in den vergangenen Monaten leider immer wieder debattieren mussten und der für mich in Zusammenhang mit einem modernen Einwanderungsgesetz steht. Der neue Aufstieg des Rechtspopulismus und der damit einhergehende Anstieg rassistischer Gewalt in Deutschland erfordern ein klares Bekenntnis zu Deutschland als einem Einwanderungsland.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen hinter den Menschen, die unser Land und unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten bereichern. Wir stehen für ein offenes und tolerantes Deutschland, ein Deutschland, das sich nicht abschottet, sondern Einwanderung in kontrollierter und für alle nachvollziehbarer Weise erlaubt. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsgesetz, um glasklar zwischen Arbeitsmigration und Zuwanderung aus anderen Motiven zu trennen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Die gegenwärtig gültigen Regelungen im Bereich des legalen Zugangs von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt gleichen eher einem Chaos, und sie bringen eben nicht den gewünschten Erfolg. Das sehen wir tagtäglich. Es gibt übrigens annähernd 50 Einwanderungsregelungen; da blicken oft auch die Profis nicht richtig durch. So kann es nicht bleiben.

Ein Einwanderungsgesetz im Sinne meiner Partei – ich muss meine Rede leider kürzen, aber das möchte ich abschließend in aller Deutlichkeit sagen – berührt den gesamten Asylbereich in keiner Weise. Die Aufnahme von Geflüchteten ist weiterhin eine humanitäre Verpflichtung und kann daher auch nicht durch ein Einwanderungsgesetz geregelt werden.

Ich fordere die schwarz-grüne Koalition abschließend auf, endlich ihre Blockadehaltung aufzugeben, damit das dringend benötigte Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Bauer, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland hat eine lange Zuwanderungsgeschichte. Die Zuwanderung in den vergangenen Jahrzehnten geschah nicht in einem rechtsfreien Raum. Illegale Einwanderung war und ist zwar ein Dauerproblem, aber es gab zu allen Zeiten in unserem Land auch legale Zuwanderung auf der Basis deutscher Gesetze, auf der Grundlage von Abkommen und Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, kurzum: auf der Basis deutschen Rechts.

Von einer „Chaotisierung“ zu sprechen, ist nicht angebracht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der FDP)

Ich möchte deshalb gleich zu Beginn deutlich machen, dass es bei uns keinen Zustand völlig ungeregelter Migration gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bücher um das Zuwanderungsrecht füllen in Bibliotheken ganze Regale.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Im Mittelpunkt steht dabei das Aufenthaltsgesetz. Es umfasst Regelungen, z. B. für Zuzugsmöglichkeiten ausländischer Ehepartner von Deutschen, für Zuzugsmöglichkeiten von Fachkräften und Studenten und vieles andere mehr. Man könnte es plakativ so zusammenfassen: Deutschland hat bereits ein Einwanderungsgesetz; es heißt Aufenthaltsgesetz.

Nach Auffassung der CDU muss Folgendes gelten. Die Aspekte der Migration sind vielfältig: Asylrecht, Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiärer Schutz, legale Einwanderung. Damit verbunden sind wichtige Fragen der Integration, des Aufenthalts- und des Leistungsrechts. Auch zum Staatsangehörigkeitsrecht gibt es einige Fragen. Um diese Dimensionen der Einwanderung auf eine systematische, sachgerechte und politisch kluge Weise miteinander zu verbinden, wollen wir als Union ein Dachgesetz schaffen. Dafür tritt die CDU ein.

(Beifall bei der CDU)

Um es noch einmal zu betonen: Wesentliche Fragen, die den Aufenthalt und die Integration von Ausländern in Deutschland betreffen, sind schon heute geregelt. Deutschland hat in den Jahrzehnten vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes und erst recht in den letzten Jahren so viele Zuwanderer aufgenommen wie kaum ein anderes Land dieser Welt. Die Zuwanderer haben sich teilweise gut in unsere Gesellschaft integriert, aber es gibt, ehrlicherweise gesagt, auch Probleme.