Protocol of the Session on April 3, 2014

Damit will ich zu meiner dritten Bemerkung kommen, die ich mir am heutigen Tage ausdrücklich nicht verkneifen kann. Wandel durch Annäherung – das ist das Prinzip, das die deutsche Sozialdemokratie durch viele wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Kooperationen entwickelt hat und das, so glaube ich, sehr erfolgreich war. Ich bin dem Kollegen Klose sehr dankbar dafür, dass er auf genau diese Bipolarität in den Beziehungen zur Volksrepublik China hingewiesen hat, die bei uns seit Jahrzehnten Gegenstand der Gespräche zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der KP Chinas ist, weil es uns in der Tat auch um die Menschenrechts- und Rechtsstaatsentwicklung und um die Frage der politischen Reformen geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin ausdrücklich der letzten sozialdemokratisch geführten Bundesregierung sehr dankbar für die Intensivierung des Rechtsstaatsdialogs mit der Volksrepublik China.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch deswegen, weil ich genau weiß – jetzt spreche ich einmal Herrn Klee und andere in diesem Raum an –, dass wenige Tage vor der Bundestagswahl und der Landtagswahl in der „Welt“ ein interessanter Artikel über das Dalai-Lama-Problem des SPD-Vorsitzenden stand. Gemeint war damals ich. Das stand in der Beziehung zu der Frage, warum ich mich kritisch zu Besuchen des Dalai Lama in Hessen geäußert habe. Herr Klee, ich will ausdrücklich zitieren, was Sie hier bei der Eröffnungsrede gesagt haben. Dort haben Sie formuliert:

Eine Regierung, die jetzt überlegt, Umerziehungslager zu beseitigen, kann uns nicht vorschreiben, wenn der Dalai Lama 2015 seinen 80. Geburtstag in Hessen feiern will, dies abzulehnen. Wirtschaftliche Interessen können und sollten nicht Menschenrechtsfragen geopfert werden. Ich kann nur die Freunde für einen Freund dazu animieren, aktiv zu bleiben. Der Dalai Lama ist in Hessen immer willkommen.

(Beifall des Abg. Horst Klee (CDU))

Dazu passt die Berichterstattung darüber, dass es in diesem Jahr keine offiziellen Besuche des Dalai Lama geben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will das gar nicht verschärft formulieren – auch weil meine Redezeit zu Ende ist.

(Manfred Pentz (CDU): Eitelkeiten!)

Was hat das mit Eitelkeiten zu tun, Herr Pentz? Ich nehme zur Kenntnis, dass in diesem Jahr offizielle Einladungen nicht stattfinden, für die es aus Ihren Reihen vor der Landtagwahl Kritik an meiner Person gab. Sie machen genau das, was ich vor der Wahl gesagt habe.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

Ich will jetzt nicht das W-Wort und H-Wort in diesem Kontext verwenden. Sondern ich will es mit Humor so sagen: Das erinnert mich dann sehr an das Gleichnis von dem Beschluss der Tiere des Waldes: Das geht uns Fische gar nichts an.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Danke schön. – Das Wort hat Staatsminister Schäfer.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will zunächst die Gelegenheit nutzen, mich namens der Landesregierung bei allen sehr herzlich zu bedanken, die durch zahlreiche Gespräche, Initiativen, Vorbereitungen und Verabredungen ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass es gelungen ist, die Ansiedlung der Clearingstelle für den Renminbi-Handel in Frankfurt zu ermöglichen. Das betrifft viele aus der Politik und aus der Wirtschaft, und ich glaube, wir haben alle – und das haben die Redebeiträge auch weitgehend verdeutlicht – einen Anteil daran gehabt, dieses Ergebnis zu erzielen. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ausdrücklich den Satz unterschreiben, dass das zwar eine erfreuliche Entscheidung des Augenblicks ist, sie aber wahrscheinlich in ihrer perspektivischen Wirkung von uns heute noch nicht erfassbar ist.

Wenn Sie sich die Prognosen der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung anschauen, dann ist das Verhältnis unserer nationalen deutschen Wirtschaftsleistung zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt ein bisschen mehr als 1:2. Wir haben in diesem Jahr im Bruttoinlandsprodukt von wahrscheinlich knapp 4 Billionen €, die Chinesen eines zwischen 9 und 10.

Im Jahr 2050 – das klingt noch weit weg, aber für die Frage, wie man langfristige Strategien anlegt, stellt das eine durchaus interessante Perspektive dar – wird die chinesische Wirtschaftsleistung nach allen Prognosen um den Faktor 6 im Verhältnis zu heute gewachsen sein, während wir, wenn alles so weiterläuft wie bisher, unser Inlandsprodukt maximal verdoppelt haben werden. Das heißt, die ökonomische Bedeutung Chinas wird im Verhältnis zu dem, was heute der Fall ist, noch sehr viel größer werden.

Deshalb sind wir gut beraten, uns darauf einzustellen. Auch alle Debatten über die Frage, ob man die ökonomischen Strukturen eines Landes dauerhaft in den marktwirtschaftlichen Strukturen des Weltmarktes etablieren kann, ohne gleichzeitig Freiheit in der Wirtschaft mit Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger zu kombinieren, ist wahrscheinlich eine der spannendsten Fragen in der internationalen Politik der nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Deshalb sind wir alle gut beraten, nicht kleinkarierte Debatten darüber zu führen, wer vor einem halben Jahr irgendwas irgendwem irgendwie gesagt hat.

(Timon Gremmels (SPD): Naja!)

Herr Schäfer-Gümbel, diesen letzten Teil Ihrer Rede hätten Sie sich entspannt sparen können. Das hat den Staatsmann völlig zerstört, den Sie hier gegeben haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden es nur gemeinschaftlich schaffen, auf diesen in China noch vorhandenen Widerspruch nach Möglichkeit ein Stück weit Einfluss zu nehmen, damit die chinesische Führung selbst zu der Erkenntnis gelangt – ich wiederhole es –, dass Freiheit in der Ökonomie am Ende nur eine Chance hat, sich zivilisiert zu entfalten, wenn sie mit Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger kombiniert ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Um dazu einen Beitrag zu leisten, war die hessische Politik in der Vergangenheit gemeinschaftlich immer sehr stolz, einerseits gute Kontakte zur offiziellen chinesischen Führung zu haben und andererseits die Freundschaft zum Dalai Lama niemals zu verleugnen. Das sollte gemeinsame Basis unserer Arbeit bleiben. Ich wiederhole: Ein allzu kleinteiliges Scharmützel darüber, wer was wann wem gesagt hat, hilft uns da weder in der Anerkennung unserer Position, noch in der Kommunikation zur chinesischen Führung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden jetzt noch einige Mühen haben, all die technischen Fragen, die dazu gehören, so miteinander auf die Reihe zu bekommen, dass daraus in einem ersten Schritt eine Clearing-Bank, danach eine Clearing-Stelle wird, an der auch alle mitwirken und sich am Wirtschaftsprozess beteiligen können.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Es ist mehr als ein guter Tag nur für Frankfurt. Es ist ein guter Tag für Hessen. Es ist ein guter Tag für die Bundesrepublik Deutschland – und wahrscheinlich auch für die gesamte Eurozone, dass die chinesische Führung eine Entscheidung getroffen hat, an den Standort Frankfurt, den Sitz der EZB, der Hauptstadt der Regulierung der Finanzmärkte, hinzugehen und nicht an eine andere der möglichen Stellen in Europa. Das ist ein gutes Signal für unser Land. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 53, Drucks. 19/285, abgehalten.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung – Drucks. 19/250 –

und hierzu den

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucks. 19/291 –

Das Wort hat Herr Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die vereinbarte Redezeit je Fraktion beträgt zehn Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist mir eine sehr große Freude, diesen Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung heute einzubringen. Mit diesem Gesetzentwurf erweitern wir die Möglichkeiten der Kommunen, sich wirtschaftlich zu betätigen, behutsam und mit Umsicht.

Mit diesem Gesetzentwurf wird es den Kommunen möglich, Akzente bei der Energiewende und bei der Breitbandversorgung zu setzen. Das ist eine wichtige und richtige Weichenstellung, die wir heute vornehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Genau so umsichtig, wie wir bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen vorgehen, so groß und bedeutsam ist es, dass wir den Kommunen diese Möglichkeit bei der Energieversorgung einräumen. Dieser Gesetzentwurf, vom Umfang her relativ überschaubar, ist ein Meilenstein für die Energiewende in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist ein Meilenstein für die Energiewende, weil wir die Kommunen mitnehmen. Wir nehmen das Engagement der Kommunen wahr, würdigen es und geben den Kommunen die Möglichkeit, bei der Erzeugung, der Speicherung und der Einspeisung erneuerbarer Energien tätig zu werden. So nutzen wir das große Potenzial, das es in unseren Kommunen für die Energiewende gibt. Die hessischen Kommunen sind für uns Partner und unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Diese Änderung ist auch deshalb so bedeutsam, weil wir – hoffentlich alle gemeinsam – an einem großen Ziel arbeiten. Wir wollen in Hessen das Zeitalter der erneuerbaren Energien beginnen und gestalten. Wir wollen in den kommenden fünf Jahren den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung verdoppeln. Unser langfristiges Ziel ist eine tatsächliche Versorgung aus erneuerbaren Energien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dieses große Ziel wollen wir erreichen, indem wir nicht mehr auf Atomkraft setzen, mit all ihren unübersehbaren Risiken. Wir wollen heraus aus der Kohlekraft mit all ihren Belastungen für das Weltklima. Wir wollen hin zu erneuerbaren Energien, die umweltverträglich sind und bezahlbar bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir die hessischen Kommunen. Das wird mit diesem Gesetz möglich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

An den Kommunen, die sich bislang schon wirtschaftlich betätigen können – es gibt für einige Kommunen eine Altfallklausel –, sehen wir, was möglich ist, wenn man das kreative Potenzial der Kommunen sich zur Entfaltung bringen lässt. Es gibt einige Kommunen, die sich schon sehr mutig auf den Weg begeben haben. Dort werden Investitionsvolumen in der Höhe zweistelliger Millionenbeträge geplant. Dort werden Pläne für Arbeitsplätze in unserem Land, für regionale Wertschätzung, für Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen vorgelegt, und wir wollen, dass künftig alle hessischen Kommunen diese Möglichkeit nutzen können.