Lieber Herr Al-Wazir, ich mache mir die Sache nicht leicht, um das einmal sehr deutlich zu sagen. Ich kenne die Diskussionen um die Entwicklung des Frankfurter Flughafens länger als Sie. Das liegt an meinem Lebensalter. Ich habe verschiedene Dinge mitbekommen, die ein hohes Maß an Verantwortung haben entstehen lassen, um diese Probleme sorgfältig anzugehen. Ich erwarte, dass Sie das akzeptieren.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollen nur die Wahrheit sagen!)
Meine Damen und Herren, deswegen habe ich wenig Verständnis dafür, wenn diese Nöte und Sorgen, die ich unbestritten akzeptiere und zu analysieren versuche, politisch instrumentalisiert werden.
Deswegen halte ich nichts davon, den Menschen Maßnahmen zur Lärmminderung zu versprechen, die entweder bereits umgesetzt, aber nicht ausreichend sind, die die Menschen teilweise neu belasten oder die nachweislich nichts bringen. Herr Kaufmann, deswegen will ich mich mit einigen der Punkte sehr sachlich auseinandersetzen, weil ich glaube, dass es Sinn macht, darüber zu diskutieren, um punktuell, Schritt für Schritt, und es können immer nur kleine Schritte sein, eine Verbesserung herbeizuführen.
Erstens. Die Einführung des Steilstartverfahrens. Es wird der Eindruck erweckt, das finde nicht statt. – Es wird eingesetzt. Mit unserem optimierten Anflug erreichen wir eine Entlastung der Menschen. Allerdings: Wenn das Steilstartverfahren radikaler angelegt wird, würde das zu einer verstärkten seitlichen Schallausbreitung und damit zu neuen Lärmbetroffenheiten führen. Man muss sich mit dem Detail befassen.
Wir können steiler starten. Das führt partiell zu einer Entlastung. Wenn es aber noch mehr gehandhabt wird, führt es zu neuen Lärmbetroffenheiten und damit zu neuen Reaktionen von Menschen, die bisher nicht belastet waren.
Zweitens. Es wurde angesprochen, der Gleitsinkanflug solle praktiziert werden. – Der wird praktiziert. Wir können den Gleitsinkanflug aber nur dann intensiv nutzen, wenn nachts weniger Maschinen unterwegs sind. Im Moment prüfen wir, ob eine Ausweitung auf die Landebahn Nordwest möglich ist. Diese Ideen und Vorschläge diskutieren wir – Sie haben das etwas geringschätzig dargestellt; ich sehe das etwas anders – in der Taskforce sehr intensiv.
Ein drittes Beispiel. Sie fordern, wie das so schön heißt, den gebogenen Anflug. Verehrter Herr Kaufmann, der gebogene Anflug wird eingesetzt. Wir setzen ihn aber nur im Westen ein, weil im Osten sieben Gemeinden wegen neuer Betroffenheiten gegen diesen gebogenen Anflug klagen. Herr Al-Wazir, das ist gar nicht so weit weg von Ihrem Landkreis Offenbach.
Wir führen es ein und sind an anderer Stelle in der Situation, dass wir es nicht einsetzen können, weil dieses Anflugverfahren, der gebogene Anflug, von sechs oder sieben Gemeinden beklagt wird. Ich bestreite nicht die Berechtigung, das auf einmal zu beklagen. Wenn Sie sich das auf den Karten anschauen, dann sehen Sie, dass der Anflug normalerweise gerade ist und dass der gebogene Anflug auf einmal neue Gemeinden trifft, die sich dann wehren. Ich will damit nur deutlich machen, in welcher schwierigen Situation wir sind.
Viertens. Sie haben angeregt, die Bahnen gestaffelt zu nutzen, um Lärmpausen zu ermöglichen. Es war geplant, diesen Versuch in der Zeit zwischen 23 und 5 Uhr auszuprobieren. Das geht jetzt nicht, auf der Grundlage der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs.
Wir prüfen jetzt, ob dies morgens zwischen 5 und 6 Uhr gemacht werden kann. Wir sind also in einer Probephase.
Ich möchte noch ein letztes Argument aufgreifen: die weiteren Gebührenerhöhungen, die lärmabhängigen Startund Landegebühren. Herr Kollege Kaufmann und Herr Grumbach, Sie haben es, glaube ich, angesprochen. Wissen Sie, wenn ich auf irgendetwas stolz bin – soweit man darauf überhaupt stolz sein kann, denn man macht letztendlich nicht mehr als seine Pflicht –, dann darauf, dass die lärmabhängigen Gebühren in meiner ersten Amtszeit eingeführt wurden. Wir waren der erste Flughafen, der die lärmabhängigen Gebühren eingeführt hat, um die Airlines Schritt für Schritt zu zwingen, weniger lärmintensives Gerät einzusetzen.
Herr Staatsminister, ich erinnere Sie an die Redezeit, die zwischen den Fraktionen vereinbart wurde.
Es tut mir leid. Ich habe ein Bedürfnis, diese Details auch hier darzustellen, damit sie nicht nur im Fachausschuss
diskutiert werden. Dort stoßen sie sogar häufig auf großes Verständnis; hier werden die gleichen Themen auf einmal zum Inhalt polemischer Auseinandersetzungen gemacht.
Meine Damen und Herren, die lärmabhängigen Startund Landegebühren fangen bei rund 26 € an, und die Höchstgebühr beträgt heute 69.000 €. Wir haben im Jahr 2011 im Verhältnis zu 2009 eine Erhöhung der lärmabhängigen Start- und Landegebühren von nahezu 70 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe versucht, anhand dieser Beispiele deutlich zu machen, dass wir uns bemühen, hier Veränderungen herbeizuführen. Glauben Sie mal nicht, dass es damit sein Bewenden hat. Ich bin mit dem Bund in einer Diskussion, die sehr grundsätzlicher Natur ist. Wir haben nämlich die Situation, dass wir eine Landeszuständigkeit für die Planung und Verwirklichung eines Flughafens haben. Aber die Fragen, wie die An- und Abflugrouten geregelt sind, werden auf einer anderen Ebene geregelt.
Ich habe das dargestellt, um deutlich zu machen, dass wir hier etwas tun, weil wir die Betroffenheit der Menschen in der Tat ernst nehmen. Vielleicht gelingt es mir noch einmal, das Problem aus unserer Sicht darzustellen, weil die Sozialdemokraten – Herr Grumbach, Sie haben das eben wieder getan, wie Herr Schäfer-Gümbel am vergangenen Dienstag – etwas behauptet haben, was ich so nicht im Raum stehen lassen kann. Sie sagen: Wir klagen gegen unsere eigene politische Absicht, und deswegen wird hier Revision eingelegt.
Darf ich noch einmal Ihre Zeit in Anspruch nehmen, Ihnen zu erläutern, was wie zustande gekommen ist? – Als der Planfeststellungsbeschluss erlassen worden ist, ist damals dargestellt worden, dass die Planfeststellungsbehörde wegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und zwar für die Flughäfen Brandenburg und Leipzig, zu dem Ergebnis kommt, diese 17 Ausnahmen aus Rechtsgründen zu verfügen, nicht weil es die politische Absicht war, sondern weil man sich aus Rechtsgründen verpflichtet gesehen hat, dies zu tun.
Was machen wir jetzt? – Es gibt mehrere Gründe. Herr Kollege Grumbach, ist es nicht nachvollziehbar, wenn damals das Bundesverwaltungsgericht nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde diese Auffassung vertreten hat, das Bundesverwaltungsgericht zu dieser gleichen Frage zu befragen, ob das für den Frankfurter Flughafen auch gilt? Ist es nicht sogar unsere Pflicht, dies deutlich zu machen, um auf diese Art und Weise Rechtssicherheit zu bekommen?
Herr Grumbach und Herr Schäfer-Gümbel, deswegen noch einmal: Es ist schlicht und ergreifend falsch, dass wir das Motiv hätten, aus diesen Gründen Revision einzulegen. Ich habe Ihnen dies mehrfach dargestellt, und das will ich noch einmal wiederholen: Wir wenden uns gegen die Begründung, die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung formuliert hat. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat – das müssen Sie sich bitte anhören, weil ich von Ihnen erwarte, dass Sie nicht wider besseres Wissen etwas anderes sagen – unser Planungsermessen eingeschränkt, aus Gründen des Landesentwicklungsplans. Das halten wir für bedenklich.
Genau aus diesem Grund wollen wir Rechtssicherheit und Rechtsklarheit haben. Meinen Sie, wir könnten uns das nicht viel einfacher machen?
Glauben Sie denn, dass wir allen Ernstes nicht darüber nachdenken, welche Bedeutung eine solche Entscheidung für strukturpolitische Vorhaben in der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft hat?
Glauben Sie, wir machen uns da keine Gedanken? Es mag sein: Wir reden gemeinsam auf dem Energiegipfel über Infrastruktur. Dort haben wir die gleichen Fragen, wie wir so etwas schnell, vernünftig und rechtlich sauber hinkriegen können. Das sind die Motive und die Gründe, warum wir Klarheit haben wollen.
Ich will noch einen dritten Punkt ansprechen. Wir haben gesagt: Wir wollen möglichst schnell wissen, welche Kriterien uns das Bundesverwaltungsgericht an die Hand gibt, um möglicherweise eine Nachbesserung vornehmen zu können oder zu müssen. Wir wollen wissen, nach welchen Kriterien dies zu erfolgen hat. Das ist schneller – das habe ich mehrfach dargestellt –, als wenn wir die Entscheidung gleich akzeptiert hätten.
Noch eines, meine Damen und Herren: Es sind mehrere Revisionen. Das ist richtig. Wir werden sehen, was das Bundesverwaltungsgericht dazu sagt.
Zusammengefasst: Glauben Sie wirklich, dass es sich niemand in der Landesregierung und den Koalitionsfraktionen leicht macht, mit diesem Thema umzugehen. Aber ich lasse es nicht zu, dass Sie uns die lautere Absicht absprechen, hier Verbesserungen für die Menschen herbeizuführen. Wir fühlen uns beidem verpflichtet: dem wirtschaftlichen Fortschritt und dem Bedürfnis der Menschen nach mehr Lärmschutz. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Minister Posch. – Das Wort hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Posch, ich habe mich nach Ihren Ausführungen noch einmal zu Wort gemeldet, weil es eine ganze Reihe von Punkten gibt, die wir so nicht stehen lassen können. Ich will zunächst noch etwas zu dem sagen, was Sie am Anfang versucht haben. Deswegen will ich noch einmal feststellen, was ich in den letzten Jahren immer und immer wieder in diesem Haus festgehalten habe. Die einzige Fraktion, die in diesem Haus behaupten kann, dass sie uneingeschränkt auf dem Boden der Mediation steht, ist die sozialdemokratische Landtagsfraktion.
Denn die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat immer und immer wieder darauf Bezug genommen und dar
auf hingewiesen, was Herr Hahn in seiner Polemik immer wieder eingebracht hat, dass Nachtruhe auf der einen Seite und Ausbau des Frankfurter Flughafens zwei Seiten einer Medaille sind. Sie haben das hier immer wieder zum Thema gemacht und erwartet, dass das auch umgesetzt wird. Das ist der Punkt. Herr Hahn, das ist aus einem einfachen Grund polemisch: Denn Sie haben anschließend das Gegenteil von dem gemacht, was Sie hier eingefordert haben.
Der zweite Punkt ist, dass wir Ihnen vorhalten – und da kommen Sie auch nicht raus, Herr Posch, mit Ihren Hinweisen auf unsere Fraktion –, dass es doch, wenn Sie nach Inbetriebnahme der Nordwestlandebahn eine Arbeitsgruppe einrichten, die sich noch einmal mit der Frage nach dem Flughafensystem, den An- und Abfluglinien, und der Frage, welches Verfahren eingesetzt wird, beschäftigt, offensichtlich ein Widerspruch zum Mediationsergebnis ist, denn das hätten Sie die letzten zwölf Jahre schon machen können.