Protocol of the Session on November 16, 2011

Natürlich, Herr Lenders.

Bei Ihren aktuellen Steuersenkungsplänen darf es doch nicht sein, dass hier vor allem niedrige und mittlere Einkommen entlasten werden, sondern pauschal alle Steuerzahler, also auch Menschen mit sehr hohen Einkommen. Stattdessen gehört die Einkommensteuer eigentlich vom Kopf wieder auf die Füße gestellt – sprich: Sie können gern den Grundfreibetrag erhöhen, wenn Sie für eine Gegenfinanzierung durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes sorgen würden. Nichts dergleichen passiert, Ihnen geht es um Steuersenkung als Prinzip.

Es ist klar, dass diese Landesregierung mit der Schuldenbremse ein Instrument in der Hand hält, mit dem bald jegliche Kürzung gerechtfertigt werden soll. Anders kann ich die mittelfristige Finanzplanung kaum verstehen, in der ein Abbaupfad für die Neuverschuldung steht, der ohne zusätzliche Einnahmen auskommen soll. Ja, werte Kollegen von SPD und GRÜNEN, dieses Instrument haben auch Sie der Landesregierung in die Hand gegeben, und Sie müssen sich jetzt nicht wundern, dass es doch zu Steuersenkungen kommt. Wir haben gesagt, und dabei bleibe ich: Wir brauchen eine Steuersenkungsbremse und keine Schuldenbremse.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn mit einer Schuldenbremse wird letztlich nur Sozialabbau begründet und künftig begründet werden. Zu sehen ist das in der mittelfristigen Finanzplanung. Was Sie dabei vorhaben, ist geradezu aberwitzig. Sie kündigen an, dass Sie die konsumtiven Ausgaben um durchschnittlich 0,5 % steigen lassen wollen, und auch für die Personalausgaben kündigen Sie Ähnliches an. Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass es zu deutlichen Kürzungen kommen wird; denn Ausgabenanstiege unterhalb der Inflationsrate sind Kürzungen.

Beim Personal planen Sie dabei aber noch deutlich rabiater: Hierzu steht in der mittelfristigen Finanzplanung gleich die Ankündigung, dass Tarifsteigerungen durch „strukturelle Maßnahmen“, also Stellenabbau, erwirtschaftet werden müssen. Im Klartext: Wenn die Bediensteten des Landes zukünftig Besoldungsanpassungen wollen, müssen sie sich auf Mehrarbeit einstellen.

Ob es kurzsichtig oder einfach nur interessengesteuert ist, bleibt eigentlich gleich. Tatsache ist, dass Sie Schwerpunkte für diejenigen gesellschaftlichen Gruppen setzen, denen Sie sich besonders verpflichtet fühlen. So wundert es nicht, dass sich Hessen weiter eine European Business School leistet, aber gleichzeitig an der Ausbildung von Referendaren kürzen will. Wir sind immer noch gespannt auf die konkreten Änderungen.

(Holger Bellino (CDU): Das haben wir doch alles verkündet!)

Im Moment muss man aber feststellen: Sie wollen kürzen bei der Bildung für alle und weiter nicht sparen an Elitehochschulen.

(Holger Bellino (CDU): Waren Sie in Urlaub? Haben Sie nicht mitbekommen, dass sich das geändert hat?)

Wir kommen noch darauf zurück. Sie werden sicherlich noch einmal vorrechnen, im Haushaltsausschuss und in anderen Zusammenhängen, was Sie denn mit den Referendaren und dem Stellenabbau vorhaben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Über die EBS reden wir heute auch noch!)

Über die EBS reden wir sicherlich später noch einmal, das kommt in den Einzelhaushalten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das wollen sie nicht hören!)

Ein besonderes Kuriosum in Tagen des Energiegipfels ist aber die Kürzung des Etats für die Verkehrsverbünde. Da staunt man nicht schlecht, dass Sie Hessen als Land der Elektromobilität bezeichnen und auf der anderen Seite das Verkehrsmittel der Elektromobilität überhaupt, nämlich die Bahn, zusammenstreichen wollen. Ganz nebenbei: Viel mehr als beim ÖPNV hätte man beim Verkehrsflughafen Calden sparen können. Das wäre ein sinnvoller Vorschlag gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber für Fluglärm hat Schwarz-Gelb offenbar eine besondere Leidenschaft.

Die unverständlichste Maßnahme dieses Landeshaushaltes ist aber: Sie kürzen bei der Schwangerschaftskonfliktberatung in dem Wissen, dass dies für einige Träger, und zwar gerade solche, die einer Partei mit dem C im Namen eigentlich näher stehen als uns, das Aus bedeutet. Ich bin gespannt, wie Sie das in der Öffentlichkeit verkaufen wollen, wenn es in Hessen bald keine katholische Schwangerschaftskonfliktberatung mehr gibt. Diese Maßnahme ist nicht nur falsch, sie ist brutal, weil es um Menschen geht, die sich in extremen persönlichen Konflikten befinden. Hier zu kürzen, um eine Summe von 1,25 Millionen € zu sparen, ist zynisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber es hat System, dass diese Landesregierung Politik auf dem Rücken derjenigen macht, von denen sie glaubt, dass sie sich nicht wehren werden. Sie sehen auch bei den Kommunen alles in bester Ordnung. Die Kommunen selbst sehen das allerdings anders. In einer Stellungnahme des Hessischen Städtetages zum KFA können Sie etwa Folgendes lesen – ich zitiere –:

Seit Juni 2011 verbreitet Finanzminister Dr. Schäfer ein außerordentlich positives Stimmungsbild für die kommunalen Finanzen. Problematisch ist die Rolle, in die sich der Finanzminister angesichts seiner großen Meinungsmacht begibt: Er verbreitet Optimismus, statt seiner Sorge über das fortbestehende Finanzierungsdilemma aller hessischen Kommunen Ausdruck zu geben.

Statt also den Kommunen in einer schwierigen Lage zu helfen, sind sie es, die gegenwärtig den Kürzungszwang der Schuldenbremse am stärksten zu spüren bekommen: 344 Millionen € hat das Land den Kommunen für dieses Jahr schon genommen, um anschließend anzukündigen, dass es irgendwann einen sogenannten Schutzschirm geben soll – vermutlich aber auch nach dem griechischen Modell: Geld nur gegen Sozialabbau. Interessant ist schon die Vokabel vom Schutzschirm. Denn wovor will diese Landesregierung eigentlich die Kommunen schützen – außer vor ihr selbst?

Interessant ist auch, dass es für die Kommunen einen Schutzschirm geben soll, obwohl das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und viele Kommunen in Hessen auf längere Sicht ihre Haushalte nicht werden ausgleichen können. Ein Rettungsschirm wäre da angebrachter – eigentlich ein Rettungsschirm, den es schnell gibt. Aber er ist erst für 2013 vorgesehen. Die Kommunen in Hessen sind für diese Landesregierung offenbar nicht systemrelevant, und deshalb bleiben schnelle unbürokratische Rettungsmaßnahmen nur Banken vorbehalten.

Was aber Neoliberale und Konservative dabei gerade aus dem Blick verlieren, ist, dass es immer mehr Menschen gibt, die merken, dass Banken und Kasinos, diese als Finanzmarkt getarnten Zockerbuden, zwar systemrelevant sind, aber dass diese Menschen selbst als immer weniger wichtig für dieses System wahrgenommen werden – von Politikern, die unwillig sind, Politik für die Menschen zu machen.

Das Problem dabei ist, dass diese Politik gegen die Menschen gerade dabei ist, grandios zu scheitern. Denn es wird nicht gelingen, die Situation Griechenlands oder Italiens zu stabilisieren, wenn man diesen Ländern Rosskuren verordnet, die die Konjunktur endgültig abwürgen. Das wird möglicherweise gravierende Auswirkungen auch für Hessen haben. Denn wenn sich die Finanzmarktkrise zu einer erneuten weltweiten Rezession ausweitet – was wir alle nicht hoffen –, dann wird auch dieser Landeshaushalt Makulatur sein. Dann sind selbst die erhofften Steuermehreinnahmen dahin, und ich fürchte, dann wird diese Landesregierung nicht noch einmal die Kraft aufbringen, mit Konjunkturprogrammen gegenzusteuern – zumal dann auch das Ziel, den Haushalt bis 2020 auf eine Nettoneuverschuldung von null zusammenzustreichen, dahin ist.

Statt die Zukunft zusammenzustreichen, wäre es richtig, jetzt zu beginnen mit einem Umbau Hessens zu einem Land, das handlungsfähig und in die Zukunft ausgerichtet ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür brauchen wir nicht weniger Referendare, sondern mehr Lehrerinnen und Lehrer – und zwar deutlich. Wir brauchen bessere Bildung und Investitionen in erneuerbare Energien. Weil wir eine echte Energiewende brauchen, konnten wir auch dem Papier auf dem Energiegipfel nicht zustimmen. Janine Wissler wird gleich noch etwas dazu sagen.

Wir brauchen Investitionen in die Zukunft nachfolgender Generationen und keine Schuldenbremse, die begründet, warum an der Bildung gespart werden muss. Damit das alles zu finanzieren ist, brauchen wir aber keine Zukunftsfonds, bei denen Landeseigentum verschleudert wird, sondern wir brauchen eine Vermögensteuer. Es ist ja nicht so, dass Hessen arm wäre. Die öffentlichen Kassen sind nur leer, weil eine neoliberale Politsekte immer dann, wenn der Haushalt sich dem Ausgleich nähert, nach Steuersenkungen für Reiche schreit.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Damit muss aber Schluss sein, und ich bin optimistisch, dass damit bald Schluss sein wird; denn die Menschen begreifen, dass der Sozialstaat nicht gekürzt wird, weil die Griechen oder gar sie und ihre politische Klasse, die sie vertreten, selbst über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern dass es immer nur weniger Geld gibt, weil einige we

nige über unsere Verhältnisse gelebt haben, als sie glaubten, man könnte Renditen von 25 % realisieren.

Ich habe am Wochenende an der Umzingelung des Frankfurter Bankenviertels teilgenommen und dabei prächtige Menschen kennengelernt,

(Jürgen Lenders (FDP): Das wundert mich jetzt nicht!)

Menschen, die aufgebrochen sind, die Verhältnisse, die uns alle bedrücken, zu verändern. Da gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen, aber Übereinstimmung darin, dass unsere Gesellschaft gerechter werden muss. Vielleicht sollten wir diese Haushaltsberatungen auch dazu nutzen, an diesem Ziel zu arbeiten. Wir als LINKE sehen uns dazu verpflichtet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat nun Frau Kollegin Wissler, ebenfalls für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um noch ein paar Bemerkungen zu dem Energiegipfel zu machen, der letzte Woche seine abschließende Sitzung hatte.

Ich muss zugeben, nach der Debatte eben und nach den Presseberichten der letzten Tage bin ich heilfroh, dass DIE LINKE dem Abschlussbericht dieses Energiegipfels nicht zugestimmt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn der sogenannte Konsens, der beim Energiegipfel gefunden schien, hielt nicht einmal 24 Stunden. Das finde ich auch wenig überraschend; denn an den entscheidenden Stellen ist eben kein Konsens gefunden worden. Deshalb haben wir dem Abschlussbericht nicht zugestimmt. Ich halte es für sinnvoller, von vornherein zu sagen, wir stimmen dem nicht zu, als erst Ja zu sagen und das hinterher zu zerpflücken.

Zwar hat der Energiegipfel dazu beigetragen, das will ich gern zugeben, dass CDU und FDP in Hessen die energiepolitische Steinzeit allmählich verlassen. In der Gegenwart sind sie aber noch lange nicht angekommen; von Zukunftsweisendem will ich an der Stelle gar nicht reden. Der Ministerpräsident hat gesagt, politische Zukunft habe nur der, der zukunftsfähig sei. Herr Ministerpräsident, wenn das stimmt, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass Sie sich bald wieder mit voller Kraft Ihrer Anwaltskanzlei widmen können. Ich glaube, dass wir dann auch einen Großteil Ihrer Fraktion verabschieden können. Denn zukunftsfähig ist das sicher nicht, was Sie uns hier als Haushalt vorlegen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Rührend! – Dr. Walter Arnold (CDU): Warten wir einmal ab!)

Der Abschlussbericht enthält Punkte, die in die richtige Richtung weisen. DIE LINKE unterstützt auch einige Ergebnisse dieses Energiegipfels, beispielsweise das Ziel, 2 % der Landesfläche als Windvorranggebiete auszuweisen. Wir begrüßen es außerordentlich, wenn CDU und FDP ihren Kampf gegen angebliche „Windkraftmonster“

endlich einstellen. Die Windenergie ist die Energie der Zukunft; das weiß jeder vernünftige Mensch. Aber für die FDP, die vor einem halben Jahr noch eine Wahlwerbekampagne gegen Windkrafträder gemacht hat, ist diese Erkenntnis sicherlich beachtlich.

Meine Damen und Herren, es gibt in Hessen einen wirklichen Fortschritt, zu dem hat nur leider die Landesregierung herzlich wenig beigetragen. Der größte Fortschritt in der hessischen Energiepolitik des letzten Jahrzehnts ist, dass die Schrottmeiler in Biblis nie wieder ans Netz gehen werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

CDU und FDP haben die Risiken der Atomkraft und die Störanfälligkeit der Reaktoren in Biblis jahrelang verharmlost und beschönigt. Es muss nicht nur mit der Atomkraft Schluss sein, sondern auch mit der Verbandelung zwischen Politik und Energiekonzernen. Meine Partei bekommt keine Spenden von RWE und E.ON, und das ist auch gut so, weil wir uns nicht zum Handlanger von Konzernen machen lassen.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Hallo, das machen wir auch nicht! Das ist eine unerhörte Unterstellung!)

Herr Bellino, ich habe nicht gesagt, dass Sie sich zum Handlanger machen; aber wenn Sie sich angesprochen fühlen, dann spricht das für sich. Ich habe Sie nicht angesprochen.

(Holger Bellino (CDU): Sie haben das Geld der SED auf Ihren Konten!)