Protocol of the Session on November 16, 2011

(Beifall bei der FDP und der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf euch wartet hier keiner mehr!)

Man muss auch immer zeigen, was passieren würde. Es würde sich dann grundlegend etwas ändern, es ginge wieder zurück in die andere Richtung.

(Wolfgang Greilich (FDP): Unterrichtsausfall!)

Ich gebe zu, wir werden dafür kämpfen, dass es nicht zurückgeht, sondern dass es weiterhin eine Situation gibt, in der Schulfrieden herrscht, in der Verlässlichkeit herrscht und in der hohe Bildungskompetenz auf beiden Seiten existiert, dass Hessen im Jahr 2020 an der Spitze der Länder steht, wenn es um Bildungspolitik geht. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will noch zwei Punkte aufgreifen, die mir besonders wichtig sind. Ich glaube, dass wir in Hessen als Flächenland, das eine nicht einfache demografische Entwicklung hat, verpflichtet sind, unsere soziale Infrastruktur so weiterzuentwickeln, dass die Menschen nicht nur im Ballungsraum gut leben können. Ich sage das einmal selbst, weil ich auf dem Land groß geworden bin. Die ländliche Struktur hat in vielen Fragen große Vorteile, sie hat an vielen Stellen mehr Lebensqualität; aber sie hat auch das Problem, dass sie von den Menschen mehr erfordert: längere Wege, Einschränkungen. Wir sind aufgefordert, alles dazu beizutragen, dass diese Infrastruktur weiterhin aufrechterhalten wird.

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung eine Idee verkündet, wie man das machen kann: den Stiftungsgedanken ins Land zu tragen, Bürgerbeteiligung auch dort zu forcieren. Der Sozialminister macht das an vielen Stellen mit seinem Engagement genauso, nämlich zu versuchen, über staatliche Rahmenbedingungen soziale Infrastruktur lukrativ zu machen – so will ich es einmal nennen. Denn eines ist doch klar: Kein Arzt, kein Pfleger usw., egal welcher Beruf, wird in eine Region gehen, wenn es sich zum Schluss nicht rechnet.

Wir reagieren genau auf diese Frage. Wir haben uns Ideen einfallen lassen, wie man das Älterwerden der Hessen an

vielen Stellen so unterstützen kann, dass Menschen auch im Alter weiterhin in ihren Häusern leben können und nicht in den Ballungsraum flüchten müssen. Da würde ich mir auch einmal wünschen, dass nicht immer nur die Aussage kommt: „Ihr macht zu wenig“, sondern ich glaube, wir haben in den letzten Jahren sehr kluge Ideen entwickelt, die wir jetzt sukzessive umsetzen. Auch da zeigen wir, wir kümmern uns um die großen Zukunftsfelder dieses Landes.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ein letzter Punkt. Ich gebe ehrlich zu – das habe ich bei Ihnen nicht so richtig wahrgenommen –, ich bin recht stolz auf das, was wir hier als Haushalt vorgelegt haben. Das kann man schon sagen. Wenn man die Nettoneuverschuldung um knapp 30 % senkt, ist das keine Aktion, die in irgendeiner Form wenig Kraft erfordert hat, sondern das hat viele Gespräche, viel Kompromisswillen bei allen Beteiligten erfordert. Das hat den Finanzminister genauso gefordert wie die Fraktionsvorsitzenden und alle Minister. Aber dass wir jetzt mit einer Nettoneuverschuldung von knapp 1,5 Milliarden € in diesen Haushalt gehen, ist ein großer Erfolg. Es wäre noch schöner, wenn da gar nichts stünde.

Warum können wir das? Wir können es aus zwei Gründen. Wir haben gespart, und zwar nicht dumm gespart, wie es manchmal heißt, also einfach nur irgendetwas weggestrichen, sondern wir haben an Stellen Geld weggenommen, wo wir wissen, dass wir Strukturveränderungen benötigen, die dafür Sorge tragen, dass dieses Land besser aufgestellt ist. Das ist der Gedanke, der hinter unserer Finanzphilosophie steht. Wir wollen Hessen an allen Stellen strukturell besser aufstellen. Dieser Staat muss sich, wenn er das Geld der Bürger verwendet, an jeder Stelle fragen, ob er es richtig macht. Wir überprüfen diese Institutionen. Wir stellen sie nach Jahren an vielen Stellen neu und effizienter auf, sodass der Bürger gleiche Leistungen für effizienteren Mitteleinsatz bekommt. Meine Damen und Herren, was daran schlecht sein soll, würde ich gern von Ihnen einmal wissen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir tun etwas Zweites. Wir investieren in Bereichen, wo wir uns erhoffen – und die letzten Jahre haben es gezeigt –, dass wir einen Return on Investment bekommen. Ja, den bekommen wir. Unser Konjunkturpaket, das, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, hat dazu beigetragen, dass wir letztendlich ein Wirtschaftswachstum haben, wie es in kaum einem anderen Land vorhanden ist. Diese Mehreinnahmen zum Teil in weitere Strukturverbesserungen zu reinvestieren ist der richtige Weg, wenn man das erreichen will, was wir erreichen wollen: ein wirtschaftlich starkes Hessen mit hohen Steuereinnahmen auf der einen Seite und einem effizienten Staatsapparat, der seine Hausaufgaben macht, auf der anderen Seite.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sind Sie für Steuererhöhungen? Das ist etwas Neues!)

Herr Schaus, jetzt will ich einmal eine Anmerkung zu dem ungeheuerlichen Vorgang machen, den Sie heute Morgen abgezogen haben. Sie haben sich hierhin gestellt und haben die Struktur des Landtags kritisiert, obwohl wir dazu einen klaren Common Sense haben, der aber anscheinend für gesellschaftliche Gruppen wie die Linkspartei nicht gilt, dass man so etwas im Präsidium des Hessischen Landtags diskutiert. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich

wäre entsetzt, wenn der Landtag in seiner Verwaltungsstruktur nichts dazu beitragen würde, dass das Steuergeld der Bürger, das uns anvertraut ist, auch sorgsam und effizient ausgegeben wird. Was für ein Staatsverständnis haben Sie eigentlich?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist „privat vor Staat“!)

L’état c’est moi – das ist Ihr Problem. Sie glauben, Sie sind der Staat, und es ist Ihr Geld. Es ist nicht Ihr Geld. Dieses Geld ist uns treuhänderisch anvertraut worden, wir haben damit sorgsam umzugehen. Wenn eine Menschengruppe meint, dass Sie diesem Land guttun, dann lohnt sich wirklich ein Blick in andere Situationen Europas und in die Geschichte dieses Landes, was passiert, wenn Sie die Möglichkeit haben, die Menschen zu steuern und dieses Land quasi herunterzuwirtschaften. Das darf uns nicht passieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es ist ein fataler Gedankenüberbau, den Sie haben. Sie haben einen intellektuellen Überbau, der wirklich zeigt, dass Sie nicht nur den Staat mit der Politik vereinen wollen. Ich will jetzt gar nicht Frau Wagenknecht erwähnen, die sich jetzt noch über Frau Lötzsch hinweggesetzt hat. Auf der anderen Seite, wenn es konkret wird, sind Sie einfach die Geldausgeber, und das wollen wir nicht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Da wissen Sie aber mehr als wir! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über Frau Müller hinweggesetzt, nicht über Frau Lötzsch! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Sie einen niveaulosen Gag ausgelassen haben, ist schon schade!)

Das ist auch nicht falsch, aber dazu darf ich hier nichts sagen. Die persönlichen Angelegenheiten von Herrn Lafontaine gehören in die „Bild“-Zeitung und auf den Parteitag der Linkspartei. Da will ich mich zurückhalten.

Mein letzter Punkt: Länderfinanzausgleich. Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben es auch angesprochen. Wir haben dazu als Koalition eine klare Beschlusslage. Wir wollten dort im vergangenen Jahr eigentlich einen ganzen Schritt weiterkommen. Wir hatten vor, mit den drei Geberländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Thema Länderfinanzausgleich endlich zu Ergebnissen zu kommen. Wenn man mit Bundesländern etwas vereinbart, ist man auch der Hoffnung, dass „Pacta sunt servanda“ nicht nur eine Floskel ist. Wir konnten nicht damit rechnen, dass Herr Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, einen Tag, nachdem er sein Amtszimmer bezogen und seinen Dienstwagen übernommen hatte, sofort kalte Füße bekommen hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Ablenkungsmanöver, die jetzt aus Baden-Württemberg kommen, was man alles vorher machen müsste, bis es zu konkreten Verhandlungen und sogar bis zu einer Klage kommt, sind doch offensichtlich. Sie wollen es letztendlich verzögern, sie wollen keine Entscheidung. Deshalb bin ich dankbar, dass Volker Bouffier genauso wie Thomas Schäfer, unsere Protagonisten, die dieses Land nach außen vertreten, auch mit den anderen Bundesländern dieses Jahr zur Klärung nutzen werden. Dieses Jahr

muss es eine Klärung geben. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn Baden-Württemberg leider aussteigt – die Äußerungen sind eindeutig, Baden-Württemberg ist faktisch ausgestiegen –, müssen wir es ohne Baden-Württemberg machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Uns geht es um die hessischen Bürgerinnen und Bürger. Wir haben für die hessischen Bürgerinnen und Bürger Verantwortung wahrzunehmen und nicht für die Menschen in Baden-Württemberg oder Bayern. Wir sind mit der größte Nettozahler, 2 Milliarden € im Schnitt zahlen wir an andere Bundesländer. Wer dieses Thema weiterführen möchte, sollte sich an Herrn Kretschmann wenden. Wer es beenden möchte, sollte sich an uns wenden. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat nun Herr Kollege van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Moral von der Geschichte: mehr Gummibärchen!)

Gut. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will zunächst auf die Vorgänge der letzten Tage eingehen und die Erkenntnisse aus den rechtsradikalen Morden hier zum Thema machen. Ich glaube, man kann nicht einfach darüber hinweggehen.

Es ist jetzt notwendig, tatsächlich eine komplette Aufklärung ins Visier zu nehmen, und zwar eine Aufklärung, die nicht in irgendwelchen Geheimstuben passiert, sondern die Öffentlichkeit muss breit über die Vorgänge informiert werden. Denn Sie wissen, nach Art. 139 des Grundgesetzes sind wir alle gefordert, im Kampf gegen den Faschismus Farbe zu bekennen. Ich gehe davon aus, dass es Aufgabe aller ist, den Faschismus zu verhindern. Deshalb werden wir auch weiterhin in diesem Zusammenhang aktiv bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf meines Erachtens kein Wegducken und kein Aussitzen der Skandale geben, sondern hier gehört Öffentlichkeit hin. Mein Kollege Herr Schaus wird nachher noch genauer darauf eingehen. Im Zusammenhang mit dem Haushalt ist natürlich auch wichtig, dass es uns darauf ankommt, die Kürzungen zurückzunehmen, die bei den Programmen gegen die Rechtsextremen angegangen werden. Die Rücknahme der jüngst eingeführten Extremismusklausel steht hier sicherlich auch zur Debatte. Von daher gehe ich davon aus, dass diese Bildungsarbeit ausgebaut werden muss; und das ist auch eine Aufgabe, die im Haushalt erledigt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn man den Ausführungen folgt, die der Herr Ministerpräsident und jetzt auch die FDP hier getan haben, so könnte man sich geradezu in einem Paradies wähnen: prima Haushaltsentwurf, prima Konjunktur; Schulden sind eigentlich gar keine da, und

ansonsten können wir auch noch einige Millionen an Steuergeldern verschenken.

Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 geht davon aus, dass Hessen nächstes Jahr mit Einnahmen von etwa 20,5 Milliarden € rechnen kann. Dem stehen 22 Milliarden € an Ausgaben gegenüber. Bei Anwendung der Grundrechenarten kommen wir zu dem Schluss: Sie wollen weniger einnehmen, als Sie ausgeben. Aber auch hier vermelden Sie nur Erfolge, weil Sie weniger Schulden machen als im Vorjahr. Wenn ein Politiker der LINKEN einen derartigen Quatsch erzählte, dann würden Sie ihm den Verstand absprechen.

Jetzt erwarten Sie neue Einnahmen unter dem Motto: „Alles wird gut“. Nichts wird gut bei den Finanzen, sage ich. Der Sachverständigenrat sagt in seinem aktuellen Gutachten, dass das Bruttoinlandsprodukt 2011, in diesem Jahr also, um 3 % zunehmen wird, im nächsten Jahr aber nur noch um 0,9 %. Die EU schätzt diesen Zuwachs nur noch auf schmale 0,5 %. Wohlgemerkt: für den Fall, dass nichts Dramatisches passiert, dass wir nicht dennoch wieder die eine oder andere Bank retten müssen, damit die Boni wieder fließen können. Das müsste dann von den Bürgern finanziert werden. – So viel zu dem Stichwort „privat vor Staat“.

Weniger Schulden als noch 2011 sind nicht das Verdienst der Landesregierung; es ist das Verdienst einer positiven Konjunktur, also das Verdienst der Menschen, die sich immer noch nicht darauf verlassen können, dass sie einen gesetzlichen Mindestlohn für ihre Arbeit erhalten.

(Holger Bellino (CDU): Und der politischen Rahmenbedingungen!)

Sie wollen jetzt der FDP mit kleinen Geschenken wieder in Richtung 5-%-Hürde helfen und reden lieber wieder einmal über Steuergeschenke. Herr Rentsch, ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern: Mit 5,4 % bekommt man sechs Sitze. Das waren so unsere Erfahrungen.

(Florian Rentsch (FDP): Mit 5,0 % auch, sage ich nur!)

Jetzt wissen Sie, dass es bei den großen Haushaltsposten nichts mehr zu kürzen gibt. Aber die Konflikte sind auch jetzt schon innerhalb der Regierungskoalition kaum übersehbar. Beim Thema Referendare warten wir noch immer darauf, ob die Kultusministerin ihr Amt aufgeben muss oder ob in Hessen wieder einmal bei der Bildung gekürzt wird.

Gleichzeitig verweigern Sie sich aber auch Vorschlägen für Einnahmeverbesserungen. Wir haben Ihnen bereits in den Vorjahren und besonders 2010 vorgeschlagen, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen – fast die einzige Steuer, deren Höhe das Land selbst bestimmen kann. Hier in Hessen tut sich Schwarz-Gelb aber deutlich schwerer als beispielsweise in Schleswig-Holstein, wo die Grunderwerbsteuer schon höher ist als in Hessen. Warum Sie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer hier in Hessen ablehnen und warum dies in Schleswig-Holstein in Ordnung gefunden wird, hätten wir gern einmal von Ihnen gehört.

Vielleicht wäre bei einer höheren Grunderwerbsteuer auch verhindert worden, dass beispielsweise in Frankfurt die Quadratmeterzahl des Leerstandes laut „Frankfurter Rundschau“ auf 2,1 Millionen m2 angewachsen wäre; man hätte dort wahrscheinlich etwas rationaler agiert. Diese 2,1 Millionen m2 Leerstand bedeuten etwa, dass wir dort 70.000 Studenten auf jeweils 30 m2 unterbringen könnten.

Noch ein wichtiger Akzent dabei ist: Wir bräuchten nicht einmal Miete zu nehmen, weil das schon alles über die Abschreibungen finanziert ist. Das wäre ein guter Hinweis, wie man aus diesem Leerstand trotzdem noch Kapital schlagen kann.

(Jürgen Lenders (FDP): Das aus Ihrem Munde!)

Natürlich, Herr Lenders.