Protocol of the Session on September 14, 2011

Dann werden wir sehen, ob es gelingt, trotz aller Interessengegensätze, die es in einem solchen Prozess natürlich gibt, zu einem halbwegs konsensfähigen Vorschlag für die zukünftige Struktur des Kommunalen Finanzausgleichs zu kommen.

Auf der anderen Seite reagiert die Landesregierung auf die Verschuldungssituation bei einem Teil der hessischen Kommunen mit der Errichtung eines kommunalen Schutzschirms. Wir wollen damit nicht nur einen substanziellen Beitrag zur Bekämpfung der kommunalen Verschuldungssituation leisten, sondern auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der hessischen Kommunen dauerhaft sichern und erhöhen.

(Norbert Schmitt (SPD): Wann kommt er denn?)

Was wir im Großen auf europäischer Ebene – im Übrigen auch hier in Deutschland von den Konsolidierungshilfeländern – verlangen, muss dabei im Kleinen auch für die Kommunen gelten, die den Schutzschirm in Anspruch nehmen wollen: Ohne zumutbare eigene weitere Konsolidierungsanstrengungen kann es keine Hilfen geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht hart, aber es ist der einzige Weg, um einen dauerhaften Konsolidierungserfolg auch auf dieser Ebene zu erreichen.

Über die konkrete Ausgestaltung reden wir im Moment intensiv, wie Sie wissen, mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Natürlich gibt es auf diesem Weg den einen oder anderen unterschiedlichen Akzent, weil es unterschiedliche Interessen in diesem Prozess gibt. Aber ich bin mir sehr sicher, dass wir es erreichen können, dass der kommunale Schutzschirm im kommenden Jahr in Kraft treten kann. Wir haben die entsprechenden Ermächtigungen im Haushaltsgesetzentwurf, damit wir den Schutzschirm entsprechend starten können.

Ich bin nach wie vor sehr zuversichtlich, dass es gelingt, im Einvernehmen mit der kommunalen Familie am Ende zu einem Ergebnis zu kommen. Dieses Einvernehmen zu erreichen ist etwas komplizierter, als par ordre du mufti etwas vorzugeben. Aber ich glaube, dass es klug ist, hier zu versuchen, zu einer gemeinsamen Vorschlagslösung zu kommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Beim zweiten Finanzausgleichssystem, in das wir als Land eingebunden sind, dem Länderfinanzausgleich, bleiben wir bei unserer bisherigen Haltung: Die hohe Belastung des Landes – im kommenden Jahr liegt sie vermutlich minimal unter der Belastung des aktuellen Jahres bei 1,9 Milliarden €, aber für 2015 müssen wir schon wieder mit einer Belastung von fast 2,4 Milliarden € rechnen – war und ist dauerhaft nicht akzeptabel.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sehen auf der Seite der Empfängerländer eine sehr unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft, darüber zu reden: von kategorischem Nein auf der anderen Rheinseite bis hin zu sehr interessanten Gesprächsperspektiven von Ländern, die sehr auf die Solidarität anderer angewiesen sind. Beispielsweise ein Land wie Schleswig-Holstein ist in der Situation, dass dort Mehreinnahmen über die unterschiedlichen Verrechnungssysteme zur kommunalen Ebene hin, aber auch hin zur nationalen Ebene über den Länderfinanzausgleich unter dem Strich zu Verlusten im Landeshaushalt führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses aberwitzige System müssen wir ändern, und dort werden wir weiter Druck machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um auch das klar zu sagen: Da bleibt als Ultima Ratio am Ende die Klage auf dem Tisch. Das ist keine Frage.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen einige Hinweise zur mittelfristigen Finanzplanung geben. Kern der Finanzplanung ist die konsequente Rückführung der Nettokreditaufnahme des Landes von knapp 2,3 Milliarden € in diesem Jahr auf 850 Millionen € im Jahr 2015. Das ist ein äußerst beachtlicher Konsolidierungserfolg, wenn dies gelingt.

Gemessen an einem Abbaupfad, mit dem die Verschuldung des Jahres 2010 in linear gleichmäßigen Schritten auf null im Jahr 2020 zurückgeführt wird, kommen wir damit auf dem Weg zur Null deutlich schneller voran. Zieht man die Verlaufslinie in der Finanzplanung über den aktuellen Finanzplanungszeitraum hinaus weiter, dann würden wir rein rechnerisch Ende 2018/Anfang 2019 die Nulllinie erreichen und damit früher, als verfassungsrechtlich vorgegeben, in Hessen einen Haushalt ohne neue Schulden erreichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, als Finanzminister hätte ich natürlich nichts dagegen, wenn wir dieses Ziel bereits noch früher erreichen würden. Aber angesichts einer Vielzahl von Unwägbarkeiten – man braucht in der Tat in diesen Tagen nur die Zeitung zu lesen – müssen wir bei den Planungen für die kommenden Jahre durchaus mit Optimismus, aber am Ende mit der notwendigen Vorsicht vorgehen. Deshalb haben wir im Unterschied zu dem, was ich Ihnen noch in der letzten Debatte zur Schuldenbremse vorgetragen habe, eine etwas vorsichtigere Planung Platz greifen lassen, um den Unsicherheiten der Märkte, die wir im Moment sehen, und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Steuereinnahmen Rechnung zu tragen.

Wir dürfen uns allerdings nicht der Illusion hingeben, dass der in der Finanzplanung enthaltene Abbaupfad ein Selbstläufer ist. Im Gegenteil, er stellt hohe Anforderungen an die finanzpolitische Disziplin in den kommenden Jahren, und er steht nicht zuletzt unter dem Vorbehalt dauerhaft stabiler gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Aber er erfordert auch eines – ich habe es mehrfach in diesem Hause gesagt –: dass wir von diesen Ritualen, die wir uns in der finanzpolitischer Debatte angewöhnt haben, Abstand gewinnen. Vielleicht gelingt es ja mit dieser Haushaltsdebatte.

Seitdem der Haushaltsentwurf das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, habe ich auf der einen Seite die Kritik gehört, die Verschuldung sei zu hoch, sogar mit der Behauptung, sie verstoße gegen die Verfassung – selbstverständlich unter großzügiger Außerachtlassung der Entscheidungen des Staatsgerichtshofs zu diesem Thema, unter großzügiger Außerachtlassung dessen, was alle anderen Bundesländer in dem Zusammenhang machen.

Herr Kollege Schmitt, selbst als Sie das gemacht haben und diese Dinge bei der Betrachtung außer Acht gelassen haben, haben Sie sich am Ende auch noch verrechnet. Wenn Sie Vorwürfe erheben, dann rechnen Sie die Grenzen richtig aus. Es sind nur noch 360 statt 512 Millionen €. Es zeigt ein bisschen die Solidität Ihrer Art, zu arbeiten und zu rechnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Auf der anderen Seite höre ich in den letzten Tagen und Wochen nur Stimmen, die sagen, wo wir mehr Geld ausgeben sollen, immer nur die Frage, wo weniger gekürzt und mehr ausgegeben werden soll.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Genau so ist es!)

Meine Damen und Herren, dies passt nicht zusammen. Entweder Sie sagen, Sie wollen mehr ausgeben; dann müssen Sie mehr Schulden machen. Oder Sie sagen, Sie wollen weniger Schulden machen. Dann müssen Sie auch sagen, wo wir substanziell an anderer Stelle einsparen sollen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich komme zum Schluss.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie sind am Ende!)

Eine Finanzpolitik mit Ziel und Augenmaß ist die richtige Antwort auf die aktuellen Herausforderungen. Der Haushalt 2012 und die mittelfristige Finanzplanung bieten genau das: klar definierte, ehrgeizige Zielvorgaben, die mit Augenmaß, aber auch der notwendigen Konsequenz umgesetzt werden.

Haushalt und Finanzplan zeigen aber auch: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Die kontinuierliche Rückführung der Nettoneuverschuldung bis hin zur Null ist notwendig, aber auch möglich. Auf diesem eingeschlagenen Weg wird die Landesregierung weiter vorangehen, und hierfür erbitte ich die Zustimmung des Hohen Hauses. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Schäfer. – Bevor wir in der Rednerfolge fortfahren, freue ich mich, als besonderen Gast den Bischof der Evangelischen Kirche von KurhessenWaldeck begrüßen zu dürfen. Seien Sie uns willkommen, Herr Prof. Dr. Hein.

(Allgemeiner Beifall)

Wir eröffnen die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

(Günter Schork (CDU): Jetzt entschuldigt er sich!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Haushaltsplanentwurf, der vorgelegt wurde und heute durch den Finanzminister eingebracht wurde, ist in seinen Strukturdaten, aber auch den Details völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der SPD)

Obwohl es ein Allzeithoch bei den Steuereinnahmen gibt – nach Länderfinanzausgleich sind es 14,9 Milliarden € –, ist der Haushalt mit einer Nettokreditaufnahme in Höhe von 1,5 Milliarden € verfassungswidrig. Dies ist aus unserer Sicht nicht zu akzeptieren, und es ist auch dramatisch. Sie müssen sich vorstellen: Wir hatten noch nie so viele Steuereinnahmen, nachdem die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich abgezogen worden sind.

Der Höchststand war im Jahr 2008; er lag bei 14, 2 Milliarden €. Dieser Höchststand vor der Krise wird jetzt um 700 Millionen € überschritten. Dennoch „schafft“ es – ironisch gemeint – dieser Finanzminister, 1,5 Milliarden € aufzunehmen. Das ist ein Armutszeugnis für Sie, Herr Dr. Schäfer.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Haushaltsplanentwurf ist auch verfassungswidrig. Sie sind wahrscheinlich ein viel zu guter Jurist, um das nicht zu wissen. Ich will Ihnen einmal vorlesen, wie sich die Dinge in Hessen entwickelt haben. Bis zum Jahre 2004 war es Staatspraxis in Hessen, dass die Investitionen im KFA von den Investitionen abgezogen wurden. Wir haben darüber auch in der SPD diskutiert. Jörg Jordan hat damals gesagt: „Wir müssen uns einmal anschauen, ob man das vielleicht auch anders machen kann.“ Wir haben darüber geredet, haben in die Verfassung geschaut – bei den GRÜNEN gab es eine ähnliche Diskussion –, und zum Schluss haben wir gesagt: „Nein, das können wir nicht machen, das ist eindeutig gegen die Bestimmungen der Verfassung. Wir müssen die Investitionsleistungen im KFA davon abziehen.“ Wir haben das getan, auch in Zeiten, als uns das schwergefallen ist, als wir im laufenden Haushalt um 300 oder 400 Millionen DM gekürzt haben. Trotzdem haben wir gesagt: Wir müssen die Verfassungsgrenze einhalten.

Erst die Landesregierung unter Herrn Ministerpräsidenten Koch, Herrn Finanzminister Weimar und Herrn Innenminister Bouffier hat damit angefangen, diese Verfassungsgrenze aufzulösen. Bis zum Jahr 2004 war in diesem Hause völlig unstrittig, dass die enge Verfassungsgrenze die Grenze ist, an die man sich zu halten hat. Diese Grenze wird jetzt permanent umdefiniert.

(Beifall bei der SPD)

Ich lese aus den Bemerkungen des Rechnungshofs dazu vor – Bemerkungen für das Jahr 2010, Seite 148 –:

Die vielfach thematisierte Unschärfe des Investitionsbegriffs hat – wie bereits seit dem Haushaltsjahr 2005 –

also in Ihrer Regierungszeit –

auch im Haushaltsjahr 2009 Auswirkungen auf die Berechnung der Kreditobergrenzen. Noch im Haushaltsjahr 2004 hatte das Land bei der Berechnung der Kreditobergrenzen die gesamten Investitionsausgaben um die Investitionsausgaben aus dem Steuerverbund des Kommunalen Finanzausgleichs reduziert.

Das ist eine treffende Darstellung. Erst als es eng geworden ist, als Herr Weimar und Herr Koch den Haushalt nicht in den Griff bekommen haben, ist die Verfassungsgrenze umdefiniert worden. Das ist eine Tatsache.