Protocol of the Session on September 14, 2011

Das ist eine treffende Darstellung. Erst als es eng geworden ist, als Herr Weimar und Herr Koch den Haushalt nicht in den Griff bekommen haben, ist die Verfassungsgrenze umdefiniert worden. Das ist eine Tatsache.

(Beifall bei der SPD)

Ob es am Ende 360 Millionen € oder 511 Millionen € sind, das ist für uns gar nicht so einfach zu berechnen. Aber nach Ihrer heutigen Darstellung überschreiten Sie mit Ihrer Nettokreditaufnahme die Investitionen des Landes um 360 Millionen €. Das ist eindeutig verfassungswidrig.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt könnte man die Frage stellen: Ist die Wirtschaftslage so schlecht, hat es der Finanzminister so schwer, war die Verfassungsgrenze vielleicht nicht einzuhalten? Meine Damen und Herren, die enge Verfassungsgrenze wäre einzuhalten gewesen. Im Finanzplan aus dem letzten Jahr waren für dieses Jahr Ausgaben in Höhe von 16,124 Milliarden € vorgesehen – eine Ausgabensteigerung um 0,2 %, also nicht einmal sinkende Ausgaben. Ihr Finanzplan, Herr Finanzminister, uns vor einem Jahr vorgelegt, weist auf Seite 53 Ausgaben in Höhe von 16,124 Milliarden € aus. Innerhalb eines Jahres ist die vorgesehene Ausgabenbegrenzung im Zuge der Haushaltsberatungen und aufgrund der Wünsche der Ressortminister systematisch aufgeweicht worden, obwohl der Finanzminister eigentlich mit Leidenschaft und Engagement dagegenhalten müsste, weil er die Vorgabe hat, sich um die Finanzen des Landes zu kümmern. Hätte man die Planzahlen eingehalten, dann wäre auch die Verfassungsgrenze einzuhalten gewesen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Man hätte einfach nur die Finanzplanung, die Ausgaben nach Abzug der KFA- und LFA-Mittel, einhalten müssen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Der Finanzminister hätte nur seine eigenen Zielvorgaben einhalten müssen. Er hätte gar nicht mehr machen müssen, als seine eigenen Vorgaben einzuhalten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Planzahlen werden um 500 Millionen € überschritten. Aus einer Ausgabensteigerung um 0,2 % wurde eine Ausgabensteigerung um 3,2 %. Auf Bundesebene gibt es eine Ausgabensteigerung um 200 Millionen €. Der Haushalt auf Bundesebene ist aber um das 18- bis 19-Fache größer als der hessische Haushalt. Der Bund hat eine Ausgabensteigerung in Höhe von 6 Promille. Sie schaffen es auf 3,2 %. Das zeigt, die Haushaltsgrenze einzuhalten, sinnvoll zu sparen wäre möglich gewesen. Sie haben das nicht erfüllt. Wir haben zwar noch nicht alle Zahlen der anderen Ländern vorliegen, aber ich glaube, Sie sind das schwarze Schaf unter den Finanzministern. Alle anderen Finanzminister haben es geschafft, die Ausgabenbegrenzungen einigermaßen einzuhalten. Sie sind dazu nicht in der Lage.

(Beifall bei der SPD)

Dafür gibt es Ursachen. Ich komme wieder auf Ihren Finanzplan vom 25. August 2010 zu sprechen. Auf Seite 27 liest man: „Leitlinien für künftige Haushalte“. – Sie schreiben: „Im Rahmen künftiger Haushaltsaufstellungen

sind daher durchgängig die folgenden Leitlinien einzuhalten:“ Dann folgt eine Aufzählung.

„Alle Möglichkeiten zur Einnahmeerhöhung sind auszuschöpfen.“ Das ist nicht der Fall. Sie hätten z. B. die Grunderwerbsteuer anheben können, wie das andere Länder getan haben. Allein dadurch wäre ein dreistelliger Millionenbetrag als Einnahme möglich gewesen. Sie haben aber der Hotel-Nummer zugestimmt. Allein die Hotel-Nummer kostet das Land 31 Millionen €. Das sind Zahlen von Herrn Weimar.

Zweitens heißt es: „Auswirkungen möglicher Tarif- und Besoldungsanpassungen in den kommenden Jahren können allenfalls teilweise ausgeglichen werden.“ – Darauf bezog sich Ihr Zwischenruf, die Begründung der Erhöhung um 500 Millionen €. – Konkret geht es hier um einen Betrag von 160 Millionen €. Die Personalausgaben steigen aber um 200 Millionen €. Das ist also keine teilweise Reduzierung, kein teilweiser Ausgleich, aufgefangen in den Einzelhaushalten, sondern es handelt sich um eine Überschreitung. Auch diese Vorgabe ist nicht eingehalten.

Weiter heißt es: „Bis zum Ende der Legislaturperiode ist eine ausgeglichene Stellenbilanz sicherzustellen.“ Das kann ich nicht bestätigen. Angekündigt haben Sie es. Es ist aber fraglich, ob es gelingt. Angeblich ist das in der Staatskanzlei und an anderer Stelle eingeleitet worden. Wir werden uns aber anschauen, ob das oben, an der Spitze beginnt oder ob am Ende wieder die berühmte Putzfrau unter dieser Stellenpolitik leiden muss.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht so, dass man nicht auch da einsparen kann. Aber das muss dann bitte gleichmäßig auf allen Ebenen gemacht werden.

In seinen Leitlinien für die Aufstellung künftiger Haushalte schreibt der Finanzminister weiter: „Das Wachstum der konsumtiven Ausgaben ist dauerhaft auf 0,5 % zu begrenzen.“ Jetzt suche ich die Eckpunkte heraus, die Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung genannt haben. Konsumtive Ausgaben für das Jahr 2012: 4,3 Milliarden €. Das ist eine Steigerung um 5,6 %. Das steht auf Seite 46 des neuen Finanzplans. Steigen lassen wollte sie der Finanzminister gemäß seiner Leitlinie um 0,5 %. Meine Damen und Herren, dieser Finanzminister hat den Haushalt nicht im Griff, und das ist die Ursache dafür, dass er einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen muss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So war doch auch Ihre Rede angelegt. Ein bisschen mehr Passion und Leidenschaft dafür, dass die Finanzen in diesem Lande wieder ins Lot kommen, hätte ich vom Finanzminister schon verlangt.

(Beifall bei der SPD)

Nein, der Finanzminister ist ein finanzpolitisches Weichei, das allen Wünschen der Ressorts nachgibt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Er ist sozusagen brutalstmöglich schwach. Aus einer Ausgabensteigerung um 0,2 % eine Ausgabensteigerung um 3,2 % zu machen, aus einer Ausgabensteigerung um 40 Millionen €, die vorgesehen war, eine Ausgabensteigerung um 500 Millionen € zu machen – das ist Ihr Ergebnis.

Sie haben den Haushalt in der Tat nicht im Griff. Wie ich schon geschildert habe, laufen die Personalkosten davon. Das ist nicht aufgefangen worden, nicht einmal teilweise. Es ist sogar etwas draufgelegt worden. Die konsumtiven Ausgaben steigen.

Auch die Kosten für den Ausbau des Flughafens KasselCalden steigen. Wir sind für dieses Projekt. Aber, Herr Finanzminister, wir sind nicht dafür, dass Sie wegen mangelnder Kontrollen dieses Projekt finanziell nicht im Griff haben. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Da Sie das gesagt haben, reden wir jetzt einmal über Ihre Verfassungsgrenze. Um wie viele Millionen € sind Sie denn von Ihrer Verfassungsgrenze entfernt? Haben Sie das dem Haus einmal mitgeteilt? Wissen das Ihre Kollegen?

Sie sind bei einem Haushalt, der Ausgaben in Höhe von 16,4 Milliarden € vorsieht, 11 Millionen € von Ihrer Verfassungsgrenze entfernt. Meine Damen und Herren, es braucht sich nur ein Schmetterling auf dieses Kartenhaus zu setzen, und schon bricht es zusammen. Das ist völlig offenkundig.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der erste Schmetterling ist schon im Anflug. Sie haben für dieses Jahr – darüber kann man reden; aber dann muss man an anderer Stelle Streichungen vornehmen – eine Besoldungserhöhung vorgesehen. Vom Prinzip her ist das richtig. Aber Sie müssen es am Ende finanzieren. Sie haben – aus unserer Sicht zu Recht – der Forderung nachgegeben. Allerdings sind wir uns wohl darin einig, dass das in diesem Jahr weitere 5,6 Millionen € Mehrausgaben mit sich bringt. Damit sind Sie bei einem Haushalt von derartigen Dimensionen nur noch 5,5 Millionen € von Ihrer eigenen Verfassungsgrenze entfernt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Der Herr Finanzminister hat angedeutet, dass er nicht weiß, wie die Steuerschätzung nächstes Jahr ausfällt. Er bibbert. Er hat heute sehr schön dargestellt – das wird nicht jedem aufgefallen sein, am allerwenigsten wahrscheinlich seinen Parteifreunden –, dass er einen Trick vorhat. Er hat gesagt, in diesem Jahr würden wir möglicherweise höhere Steuereinnahmen haben. Was macht er also? Er verwendet das Steueraufkommen nicht, um die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr zu reduzieren, sondern er parkt sie in einer Rücklage. Diese wird nächstes Jahr ausgeworfen.

(Zurufe von der CDU)

Sie lachen. Ist es nicht so? Wollen wir darauf wetten, dass es so kommt? Wie hoch? Ich gehe jede Wette ein, dass es so kommen wird. Die Steuermehreinnahmen, die in diesem Jahr aufgrund der guten Konjunktur hereinkommen, werden sozusagen in einer Rücklage geparkt, um nächstes Jahr ausgeworfen zu werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ob das reicht, es sich also sozusagen auspendelt, oder ob am Ende nicht doch ein Minus steht und auch dieser Schmetterling schon unterwegs ist, kann momentan nie

mand sagen. Wenn man sich so haarscharf an der eigenen Verfassungsgrenze bewegt, weiß man, dass nichts mehr passieren darf. Das Gebührenaufkommen darf nicht wackeln, und es darf keine Veränderungen beim Länderfinanzausgleich geben. Sie sagen immer, Hessen bewege sich besser durch die Krise als andere Bundesländer.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Wagner fragt sich gerade, ob das so ist!)

Wahrscheinlich hat er recht. Herr Wagner, falls Sie sich informieren lassen: Ich wäre bereit, Ihnen einige Zahlen zu erläutern.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Machen Sie das jederzeit, bitte! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt verlässt er den Saal!)

Zum Länderfinanzausgleich: Wenn beim Länderfinanzausgleich Zahlungen in Höhe von 10 oder 15 Millionen € hinzukommen, haben wir schon die eigene Verfassungsgrenze überschritten.

Herr Milde, Sie haben auf den Umweg der Klage verwiesen. Der Haushalt ist doch noch gar nicht beschlossen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ach so!)

Gut, Sie sind kein Jurist. Aber ich frage Sie: Wie soll ich denn gegen etwas klagen, was noch gar nicht beschlossen ist? Mir wird jetzt klar, wie in dem Land regiert wird. Vor allem sehe ich nun auch, wie die Unterstützung durch die Regierungsfraktionen aussieht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie gesagt, wir müssen sehen, was kommt und wie die November-Steuerschätzung ausfällt.

Ich komme auf ein ernstes Thema zurück – Sie haben es angesprochen –: die Situation der kommunalen Finanzen. Meine Damen und Herren, auch das hat etwas mit Ihrer Verfassungsgrenze zu tun. Der von Ministerpräsident Bouffier vor über einem Jahr angekündigte Schutzschirm kommt auch 2012 nicht. Er wurde groß angekündigt; aber klammheimlich wird er immer beiseitegeschoben.

(Zurufe von der CDU)