Protocol of the Session on June 7, 2011

Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 60:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (EHEC – Hessens Kliniken gut gerüstet) – Drucks. 18/4155 –

Das Wort hat Herr Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EHEC-Krise verunsichert die Menschen in unserem Land. Die 1.600 Fälle, die mittlerweile in Deutschland registriert worden sind – 680 davon mit besonders schwerem Verlauf – und die 25 Todesfälle zeigen den großen Ernst der Situation, der es definitiv gebietet, dass wir dieses Thema heute auch im Hessischen Landtag besprechen.

Die Situation ist deshalb ernst, weil immer noch fieberhaft nach der Infektionsquelle gesucht wird. Wo kommt dieses Bakterium her? Wo ist die Ursache? Wo ist der Ursprung? Natürlich muss man in einer Situation, in der die Menschen verunsichert sind, in der es um das Leben von Menschen geht, darüber reden, welche Strukturen zu verändern sind. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen. Aber ich gebe zu, meine Hoffnung war, dass wir sagen können, wenn wir heute über das Thema sprechen: Wir wissen, wo der EHEC-Erreger herkommt. – Das ist nicht der Fall. Das ist äußerst bedauerlich, weil viele Menschen wirklich sehr verunsichert sind, viele Menschen bestimmte Lebensmittel auch aufgrund der Warnungen und der Presseberichterstattung nicht mehr konsumieren, was natürlich Auswirkungen auf wichtige Wirtschaftsbereiche, z. B. die Landwirtschaft, hat.

Deshalb muss natürlich alles darangesetzt werden, dass wir zu einer Lösung dieses Problems kommen. Auf dem Gipfel, der gestern unter Leitung des Kollegen Bahr und von Frau Kollegin Aigner auf Bundesebene stattgefunden hat, hat der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Kollege Grüttner, versucht aufzuzeigen, welche Strukturen bestehen und welche Aktivitäten unternommen worden sind.

Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass wir in Hessen – das ist der gute Teil der Nachricht an die Bürgerinnen und Bürger – für schwierige Situationen gerüstet sind. Wir sind den Ärztinnen, Ärzten und dem Pflegepersonal in den Kliniken, wo die Kranken behandelt werden – vor allem in Fulda und in Frankfurt –, dankbar, dass dort eine so gute Arbeit gemacht wird. Einen herzlichen Dank an diese Institutionen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Natürlich werden die Menschen langsam ungeduldig. Das hat natürlich den Grund, dass wir der Sache nicht auf den Grund kommen. In solchen Situationen wird aus der Politik, aber auch aus der Öffentlichkeit häufig der Ruf laut: Wir müssen an den Strukturen sofort etwas ändern. – Ich will nicht verhehlen, dass es auch auf Bundesebene zwischen den Parteien einen heftigen Streit darüber gab, ob das, was gemacht wurde und gemacht wird, richtig oder falsch ist. Ich warne aber davor, dass wir diese Diskussion nach Hessen übernehmen. Wir müssen zwar darüber streiten, ob die Strukturen richtig sind – wenn es um Leib und Leben von Menschen geht, gehört immer alles auf den Prüfstand –,

(Beifall bei der FDP)

genauso richtig ist aber, dass wir jetzt ruhig und besonnen agieren und der Bevölkerung in einer solchen Krisensituation nicht sofort eine Antwort geben nach dem Motto: „Wir brauchen nur eine neue Institution, schon haben wir die katastrophale Krise in den Griff bekommen“. Das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb rufe ich zu Ruhe und Besonnenheit auf. Ruhe und Besonnenheit sind in dieser Situation der richtige Weg. Jetzt ist nicht die Zeit für kluge Sprüche und Schuldzuweisungen, wie ein Kollege auf Bundesebene sagte. Stattdessen müssen wir alles tun, damit die Forschung bei der Suche nach der Ursache Erfolge erzielt.

Was kann die Politik überhaupt tun? Das, was wir tun können und was wir in Hessen auch tun, ist, unsere Lan

desinstitutionen in ihrer Arbeit zu unterstützen, sie personell und materiell entsprechend auszustatten.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Alles andere wäre ein Skandal!)

Alles andere wäre ein Skandal, Frau Kollegin SchulzAsche. Da sind wir uns einig. Da gibt es gar keinen Dissens. Das ist die Pflicht, die die öffentliche Hand zu erfüllen hat.

Wir sollten den Menschen in unserem Bundesland zweitens sagen, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in Hessen wirklich ganz hervorragend ist.

Drittens sollten wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir auch als Politik in dem Bereich die Verantwortung übernehmen, die wir haben, nämlich in dieser Frage zu Ruhe und Besonnenheit aufzurufen und keine Panik ausbrechen zu lassen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Richtig ist, dass die Behörden bei der Suche nach dem Erreger ein unglaublich großes Engagement gezeigt haben und dabei von den Bürgerinnen und Bürgern sehr unterstützt wurden. Die Zuständigen haben bisher mehr als 3.000 amtliche Proben gezogen und untersucht. Die gestrige Meldung, dass ein EHEC-Erreger auf einer Gurke in einer Mülltonne gefunden wurde, ist ein Hinweis darauf, dass der ursprünglich geäußerte Verdacht, es könnte etwas mit diesem Gemüse zu tun haben, möglicherweise zutreffend ist.

Wir warnen aber davor, bestimmte Gemüsearten zu stigmatisieren nach dem Motto: Da sitzt der Erreger. – Wir haben die Folgen in den letzten Tagen erlebt. Gerät ein bestimmtes Gemüse in Verdacht, wird in der Öffentlichkeit sofort der Fokus, das Spotlight auf dieses Gemüse gerichtet, und es wird nicht mehr gekauft. Die Folgen für die Landwirtschaft sind an vielen Stellen katastrophal. Ich habe unter anderem mit dem Vizepräsidenten des Hessischen Bauernverbandes, dem Kollegen Heidel, gesprochen. Die Bauern sind in dieser Frage in Angst. Das kann ich verstehen. Deshalb muss auch an dieser Stelle gesagt werden: Ruhe und Besonnenheit in dieser Frage zu bewahren ist ganz wichtig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Trotzdem sage ich abschließend: Ich teile das, was die Gesundheitsministerkonferenz gestern in Berlin beschlossen hat. In der Frage des weiteren Vorgehens geht Gesundheit vor allem anderen. Wenn es Hinweise gibt, müssen diese veröffentlicht werden. Das ist geschehen. Deshalb ist zwar vieles, was in den letzten Tagen passiert ist, ärgerlich, weil es Hinweise auf Gemüsesorten waren, die sich nicht als Hauptträger des Erregers erwiesen haben; in der Abwägung ist es aber notwendig, dass die Behörden die Bürgerinnen und Bürger zeitnah informieren.

Herr Kollege Rentsch, Sie müssen zum Schluss kommen.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Letzter Satz: Meine Bitte ist deshalb, dass wir versuchen, dieses Thema, das wir in Hessen auf einem bestimmten Niveau diskutieren, so zu

behandeln, dass die Sachlichkeit der Debatte erhalten bleibt, und dass der Gesundheitsminister die Menschen in Hessen weiterhin so gut informiert, wie er es getan hat. Wir können nur hoffen, dass die Forscher der Ursache bald auf den Grund kommen und dass die Menschen in Deutschland endlich wieder Gemüse essen können, ohne sich in Gefahr zu begeben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Frau Kollegin SchulzAsche, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Anfang Mai grassiert in Deutschland die EHEC-Epidemie. Inzwischen sind es bundesweit rund 1.600 Krankheitsfälle. Auch Hessen ist betroffen. Wir haben gestern von zwei neuen Fällen in Hessen gehört. Von daher gesehen, sind wir gespannt, was der Gesundheitsminister zu berichten hat.

Herr Kollege Rentsch, Sie haben völlig recht. In einer solchen Situation heißt es – ich glaube, die Opposition hat das in den letzten Wochen auch getan –, Panik zu vermeiden und die Regierung und die handelnden Stellen zu unterstützen, damit sie konsequent handeln können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn Sie das so darstellen, stellen sich zwei Fragen. Die erste Frage bezieht sich auf die Unzufriedenheit mit der Kommunikation. Das Krisenmanagement auf der Bundesebene wird zunehmend hinterfragt. Das ist auch richtig so. Das muss man machen, wenn es so lange dauert, einen Erreger zu identifizieren und einer Quelle zuzuweisen.

Dass dort einiges nicht richtig läuft, sehen wir an der Verunsicherung, die in der Bevölkerung entsteht. Die Spitznamen für Landwirtschaftsministerin Aigner und für den Gesundheitsminister, nämlich „ungeaignert“ und „unsichtbahr“, kommen nicht von ungefähr, sondern beschreiben die Verunsicherung, die durch das Krisenmanagement der Bundesregierung bundesweit entstanden ist.

Aber es stellt sich eine zweite Frage. Ich gebe Ihnen völlig recht, wenn Sie sagen, es geht darum, Panik zu vermeiden. Dann muss man sich natürlich fragen, warum die FDPFraktion in Hessen heute eine Aktuelle Stunde mit der Überschrift „EHEC – Hessens Kliniken gut gerüstet“ beantragt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn die hessischen Kliniken nicht gut gerüstet wären, hätten wir hier eine von der Opposition beantragte Aktuelle Stunde, und wir würden den Rücktritt des Gesundheitsministers fordern. Was soll eigentlich diese Aktuelle Stunde? Sie sind doch diejenigen, die versuchen, dieses Thema für Ihre Zwecke populistisch hochzuziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich mache das an einem weiteren Punkt deutlich. Gestern ist über „dpa“ gemeldet worden, dass es in Hessen drei neue EHEC-Fälle gibt. Praktisch gleichzeitig erscheint eine Presseerklärung des Herrn Ministers, in der er beklagt, dass die Finanzierung der Betreuung in den Krankenhäusern unter Umständen nicht gesichert sei. Er verweist auf eine Sitzung im Juni. In dieser Situation sehe ich es als einen weiteren Beitrag zur Verunsicherung der Bevölkerung an, wenn der Eindruck erweckt wird, es sei nicht klar, ob die Krankenhäuser wirklich in der Lage seien, die Kranken zu betreuen. Damit tragen Sie eher zur Verunsicherung als zur Klärung der Angelegenheit bei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz kommt aus Hessen. Der Vorsitz ist ein turnusmäßig übernommenes Amt; das ist kein Grund, hier eine Aktuelle Stunde durchzuführen, um die eigenen Profilneurosen zu pflegen. Wir sind bei der Infektionsbekämpfung. Das steht an erster Stelle dessen, was in Hessen passieren muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Holger Bellino (CDU): Jetzt einmal sachlich! – Florian Rentsch (FDP): Peinlich!)

Deswegen fordere ich Sie auf, Ihre Hausaufgaben zu machen. Wir haben bisher den Eindruck, dass Sie sie einigermaßen gut machen. Aber dann konzentrieren Sie sich bitte auch darauf. Kümmern Sie sich zusammen mit Ihrer Kollegin Puttrich um die Personalausstattung der Lebensmittelüberwachung und der Gesundheitsämter. Kümmern Sie sich um die Kommunikationskanäle zwischen den verschiedenen Stellen: von den Kommunen zum Land und natürlich auch bis zum Bund. Kümmern Sie sich darum, und hören Sie damit auf, weiter zur Verunsicherung beizutragen.

(Florian Rentsch (FDP): Wir sind an einer sachlichen Debatte interessiert! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Unterstützen Sie alle Stellen, die damit befasst sind, endlich die Herkunft des Erregers zu klären, damit diese Epidemie gestoppt werden kann. Das ist Ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es aber nicht, hier eine Aktuelle Stunde zu beantragen und weiter zur Verunsicherung der Bevölkerung beizutragen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Weitere Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Rentsch, wenn es Ihre Idee war, zu informieren – –