Protocol of the Session on June 8, 2011

(Ismail Tipi (CDU): Es geht um Hassprediger! Sie verniedlichen das! Unerträglich!)

und es verharmlost die Gefahr genauso, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Wilken für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube – und das will ich als Vorbemerkung sagen –, wir alle sind uns in der Facette der Ablehnung und der Bekämpfung jedweder fundamentalistischer, extremistischer, gewalttätiger, terroristischer – egal, mit welchem Wort Sie das belegen wollen – Personen und Organisationen in Ihrem Antrag einig. Aber damit beschäftigt sich Ihr Antrag nur auf den ersten Blick, und auf Ihre unsägliche Vermischung von Islamismus, Terrorismus und Integration, die Sie wieder einmal vornehmen, ist bereits eingegangen worden.

Ich will mich noch einmal mit einer ganz anderen Lesart Ihres Antrags und damit auch der Frage beschäftigen, ob Sie eigentlich Teil des Problems oder Teil der Lösung sind.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

In diesem Antrag geißeln hessische CDU und FDP alles und alle, die eine Integration und ein gedeihliches Zusammenleben aller Menschen in unserem Lande gefährden. Man könnte das so verstehen, dass sich die hessische CDU damit von ihren eigenen rassistischen Wahlkämpfen distanziert.

(Beifall bei der LINKEN – Ismail Tipi (CDU): Unverschämt!)

Herr Abgeordneter, die Bezeichnung „rassistischer Wahlkampf“ ist mit Sicherheit parlamentarisch ungebührlich. Ich bitte Sie, sich zu mäßigen.

Ich nehme das zurück und weise darauf hin, dass das ein Zitat aus Zeitungen zum damaligen Zeitpunkt, 1999, war. Aber ich benutze diesen Ausdruck hier nicht mehr.

Es war 1999, als in der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Bürger mit der Frage: „Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?“ an die CDUStände kamen. Oder im Wahlkampf 2008, als die hessische CDU mit Unterstützung der „Bild“-Zeitung titelte: „Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer“. – Es wäre gut,

wenn Sie sich mit diesem Antrag jetzt von diesen Praktiken distanzierten.

(Beifall bei der LINKEN)

Man könnte es ja auch so verstehen, dass sich die hessische CDU damit von ihrem ehemaligen Landesvorsitzenden und ehemaligen Ministerpräsidenten Koch distanziert; auch das wäre überraschend gut. Man könnte auch meinen, wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren, „demokratiefeindliche und menschenverachtende Äußerungen jeder Art zu verurteilen“, dass Sie versprechen, nie wieder mit rassistischen Untertönen zu arbeiten oder sie zu tolerieren; das wäre überraschend gut.

(Zuruf von der CDU: Da sind keine rassistischen Untertöne!)

Man könnte auch meinen, dass sich die hessische CDU endlich von den in unschöner Regelmäßigkeit erscheinenden unsäglichen Äußerungen ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im „Wetzlar Kurier“ distanziert; das wäre gut, das wäre überraschend gut.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter, ich muss Sie unterbrechen, weil sich Herr Bellino zur Geschäftsordnung gemeldet hat. – Bitte schön.

(Zurufe von der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber doch nicht während der Rede! – Doch nicht während der Re- dezeit!)

Herr Präsident! Sie haben vorhin zu Recht darauf hingewiesen, dass sich gewisse Begriffe nicht zur parlamentarischen Debatte eignen. Der Redner ist eine gefühlte Minute später wieder in diese Begrifflichkeit verfallen, indem er von „rassistischen Untertönen“ sprach, die er uns unterstellt. Ich weise das auf das Schärfste zurück und bitte, das zu Protokoll zu nehmen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das kann der Präsident sagen, aber nicht Sie! – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Kritik am Präsidenten!)

Das ist in Ordnung, damit kann ich auch umgehen. Deswegen sage ich auch, dass ich es vorhin moniert habe und Grund dazu hatte. Beim zweiten Mal habe ich keinen Grund gesehen. – Bitte fahren Sie fort, Herr Dr. Wilken.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE), zur CDU gewandt: Eigentor! – Gegenruf von der CDU: Unbelehrbar!)

Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, man könnte meinen, wenn man Ihren Antrag in allen Formulierungen liest, dass die hessische CDU und FDP ab sofort bei allen Religionsgemeinschaften und Kirchen aufpassen werden, nicht „andere Menschen allein ihres anderweiti

gen Glaubens, ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihrer persönlichen Lebensführung wegen“ – alles Ihr Antrag – zu diskriminieren.

Ich glaube, wir wissen alle, dass diese Diskriminierungen nicht ausschließlich im Islam passieren. Das wäre gut, das wäre überraschend gut, wenn das mit Ihrem Antrag gemeint wäre. Doch allein, uns fehlt der Glaube – um mit dem Dichter zu sprechen –, oder uns fehlt das Vertrauen in einen solchen Umschwung Ihrer Politik und Meinung, wie Sie in Ihren Beiträgen heute Morgen auch schon deutlich gemacht haben. Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wenn Sie es schaffen, an diesem Pult in einem Satz Islamismus und Neokommunisten zu vermischen, dann weise ich das mit aller Schärfe zurück.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Vielleicht hätte es ja geholfen, wenn Sie sich stattdessen einmal mit den Ursachen von fehlender Integration befasst hätten, wenn Sie sich mit den Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, bei Schulbildung und Ausbildung von Migrantinnen und Flüchtlingen befasst hätten, wenn Sie sich die Frage gestellt hätten, warum Hunderte junge Menschen diesen Predigten lauschen wollen. Doch zu alldem sagen Sie in Ihrem Antrag nichts. Muss ich im Umkehrschluss davon ausgehen, dass Sie dies nicht als integrationsförderlich betrachten?

Wenn ich mir Ihre Politik so ansehe, muss ich das wohl bejahen. Stattdessen kommen Sie mit der Keule Ausreiseverfügung und Ausweisung. Damit lösen Sie doch kein einziges Problem, das Integration anbelangt, sie behindert oder sogar verhindert. Die Frage, wie Sie deutsche Staatsbürger ausweisen wollen oder ob Sie sie ins Rheinland abschieben wollen, ist bereits gestellt worden.

Es bleibt dabei, dazu stehen wir selbstverständlich, in Deutschland gelten unsere Gesetze und unsere Freiheitsrechte. Wer diese verletzt, wird angezeigt, angeklagt und gegebenenfalls von einem Gericht verurteilt. Das gilt für alle.

Doch Integration – das möchte ich zum Schluss noch einmal ganz deutlich sagen – ist nicht in erster Linie eine Frage der Gesetzesbrüche, sie ist eine Frage der Chancen in einer offenen Gesellschaft. Sie ist eine Frage von guter Bildung und guter Arbeit, und das ist das Gegenteil von Gängelung und Ausgrenzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Antrag ist bei allen schönen Worten unehrlich und schürt letztendlich mit dem Fokus auf islamische Prediger ausländerfeindliche Ressentiments. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): So ein Quatsch! – Ismail Tipi (CDU): Voll daneben! – Holger Bellino (CDU): Haben Sie nicht für Herrn Vogel das Rederecht gefordert?)

Das Wort hat Herr Innenminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine sehr geehrten Herren! Hessen ist ganz eindeutig ein Land der Zuwanderung. Wir Hessen haben Zuwanderung nie als

Bedrohung empfunden, wir Hessen haben Zuwanderung immer als Bereicherung empfunden.

(Beifall bei der CDU)

Das ist der Grund, warum hier Menschen aus aller Herren Länder immer willkommen gewesen sind, willkommen sind und in Zukunft sein werden. Deswegen haben sie auch immer wieder das Land Hessen als ihre Heimat gewählt. An einem Tag wie heute kann man feststellen: Sie haben unser Land bunter gemacht, sie haben unser Land vielfältiger gemacht, und sie haben durch die Zuwanderung unser Land in kultureller und in vielerlei anderer Hinsicht enorm bereichert.

Man kann eine Tatsache in Hessen nicht hinwegdiskutieren, nämlich die Tatsache, dass wir hier nicht nur über Integration reden, sondern dass wir uns in diesem Land Hessen seit vielen Jahren – insbesondere seit den zwölf Jahren, in denen wir hier regieren – ganz besonders stark und massiv um Integration kümmern. Wir realisieren Integration. Wir halten nicht nur die Parteitagsreden von Grün, Rot und Dunkelrot, wir haben es am Ende praktiziert. Wir sind in den vergangenen Jahren enorm vorangekommen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben einen Integrationsminister, der einen klaren Plan vorlegt. Er hat in diesem Zusammenhang zum Thema Schule sehr viel gesagt usw. usf. Sie können uns wirklich nicht vorhalten, dass es hier irgendeinen Mangel geben würde. Dass das funktioniert, hat natürlich auch damit zu tun, dass hier eines niemals außer Frage gestanden hat, nämlich dass derjenige, der hier leben will, auch unsere Sprache beherrschen muss.

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Wichtigste ist aber, dass jemand, der hier leben will, unsere christlich-abendländlich geprägte Werteordnung, die in den Ideen und Idealen des Grundgesetzes ihren Ausdruck finden, nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch respektiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das sind eben ganz große Ideale. Dazu gehört beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was ist mit der katholischen Kirche?)

Dazu gehört, dass es neben dem weltlichen Gesetz kein anderes Gesetz geben kann und geben darf. Dazu gehört im Übrigen auch, dass es eine Achtung des selbstbestimmten Lebens jedes Einzelnen gibt.

Das ist genau der Grund, weshalb wir nicht zulassen wollen, nicht zulassen sollen und auch nicht zulassen dürfen, dass eine Religion dafür benutzt und missbraucht wird – eine Religion, die eine Weltreligion ist und das gar nicht will –, Extremismus zu predigen, zu lehren und zu leben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das stelle ich bei dieser Debatte fest: Die große Mehrheit der Muslime, die in diesem Land leben, ist rechtstreu.