Protocol of the Session on June 7, 2011

Weiterhin fordern wir die Regierung dringend auf, sich um die Belange der blinden Menschen mit ungesichertem

Aufenthaltsstatus zu kümmern. Mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus leben zu müssen bringt vielfältige Probleme mit sich, die ohnehin schon schwierig zu bewältigen sind. Neben den selten schönen Gründen für die Wanderungsbewegung und den Sprachschwierigkeiten stellt die Sehbehinderung als alleiniges Merkmal schon eine hohe Belastung dar, der man wenigstens mit finanziellen Mitteln hilfsweise begegnen kann. Wenn diese Personengruppe ausgenommen wird, ist diese Verweigerung wirklich mit nichts zu begründen. Wir fordern die Regierung deshalb auf, hier Abhilfe zu schaffen.

Zum Schluss. In Zeiten wie diesen freuen sich die Betroffenen schon, dass ihnen die Unterstützung nicht gekürzt wird. Trotzdem muss hier festgestellt werden: Von einem notwendigen Inflationsausgleich oder gar der Rücknahme vergangener Sparbeschlüsse ist bedauerlicherweise keine Rede. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Mick, Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute die Novelle des Landesblindengeldgesetzes. Das Gesetz hat für die blinden und sehbehinderten Menschen in Hessen eine sehr große Bedeutung. Als es im Rahmen eines Pakets zur Verlängerung der Geltungsdauer befristeter Gesetze und Rechtsvorschriften im Gegensatz zu den anderen dort enthaltenen Gesetzen als Einziges nicht um fünf, sondern nur um zwei Jahre verlängert wurde, ist das von den Betroffenen natürlich registriert worden und hat zu entsprechenden Diskussionen geführt. Dabei war nie beabsichtigt, das Landesblindengeld zu streichen, sondern es waren lediglich einige europarechtliche Anpassungen notwendig geworden, die diese Verlängerung nur um zwei Jahre notwendig gemacht haben.

Es stellte sich die Frage, wie die hessische Regelung mit dem Wohnsitzprinzip mit den Grundfreiheiten des EUVertrages vereinbar war. Das war deswegen wichtig, weil ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission drohte. Nun ist eine Regelung gefunden worden, die die europarechtlichen Probleme gelöst hat – der Minister hat schon darauf hingewiesen – und das Landesblindengeld den betroffenen Menschen weiter in gewohnter Höhe zukommen lässt.

Deswegen kann man auch sagen, dass sich das Gesetz im Prinzip bewährt hat. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es seit nahezu 30 Jahren unverändert fortbesteht. Die restlichen Anpassungen sind eher kosmetischer Natur gewesen – eine maßvolle Erweiterung des Adressatenkreises, dann Verbesserungen in der Verwaltungspraxis. Im Prinzip hat sich das Gesetz bewährt. Das ist in der Regierungsanhörung klar geworden, in der es von den Interessenvertretungen und von den Verbänden nahezu einhellig begrüßt wurde.

Natürlich, so ehrlich muss man sein, erreichen uns alle im Vorfeld einer solchen Gesetzesberatung auch – teilweise legitime – Forderungen von den Interessenvertretungen. Zum Beispiel ist die Berücksichtigung der hinzugezogenen Heimbewohner angesprochen und gebeten worden,

weitere Empfänger in das Gesetz mit aufzunehmen. Es ist klar, dass angesichts der Haushaltslage und der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung nicht alle diese Forderungen, für die man Verständnis haben kann, berücksichtigt werden können.

Entscheidend ist eine Botschaft, und das ist die zentrale Botschaft: Wir erhalten das Leistungsniveau des Landesblindengeldes auch in schwieriger Zeit aufrecht. Das ist ein Erfolg. Das zeigt, dass wir eine verlässliche Politik, eine Politik des Vertrauens für die blinden Menschen in Hessen machen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist schon vieles gesagt worden. Anhand der Wortmeldungen hat man gemerkt, dass bei diesem Thema große Einigkeit hier im Hause herrscht.

Ich will noch eine Bemerkung zum Gehörlosengeld machen, das vom Kollegen Decker angesprochen wurde. Wie ich werden sicher viele andere von Ihnen die Stellungnahme des Gehörlosenbundes mit der Forderung nach der Einführung eines Gehörlosengeldes erhalten haben. Es war in der Presse zu lesen, dass es ein Thema ist. Ich selbst habe schon Kontakt zu Vertretern des Gehörlosenbundes gehabt.

Zunächst muss man sagen, dass man aus deren Sicht für diese Forderung Verständnis haben muss. Das ist ganz klar. Es ist nachzuvollziehen, dass sie diese Forderung erheben. Wir müssen aber ehrlich mit der Sache umgehen. Es ist klar, dass angesichts der jetzigen Haushaltsdiskussion und der jetzigen Haushaltlage schwer Raum dafür ist, neue Leistungstatbestände zu schaffen.

Wir sollten diese Forderung dennoch nicht einfach vom Tisch wischen und zur Tagesordnung übergehen, sondern diskutieren, wie wir schauen können, dass notwendige Verbesserungen nicht heute, nicht morgen, aber zumindest mittelfristig angegangen werden können. Durch die UN-Behindertenrechtskonvention erleben wir momentan einen starken Paradigmenwechsel. Der gesamte Bereich der Leistungen für behinderte Menschen ist im Wandel begriffen. Vielleicht haben wir etwa über die Einrichtung des persönlichen Budgets Möglichkeiten, zu Verbesserungen für die Betroffenen zu kommen und da, wo Not am Mann ist und Hilfe erforderlich ist, mittelfristig Verbesserungen herbeizuführen.

Aber zu dem hier diskutierten Punkt des Landesblindengeldes kann man die Botschaft wiederholen: Das Landesblindengeld bleibt in gewohnter Höhe erhalten. – Das ist ein Erfolg für die blinden Menschen in Hessen. Insofern freue ich mich auf konstruktive Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Damit liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Vereinbarungsgemäß überweisen wir nach der ersten Lesung den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das somit beschlossen.

Als letzten Tagesordnungspunkt für heute rufe ich Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV

Gesetzes und zur Änderung der Verordnung über die Schiedsstelle nach § 80 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Drucks. 18/4111 zu Drucks. 18/3725 –

hierzu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 18/4136 –

Zunächst der Bericht des Herrn Abg. Rock.

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIVGesetzes und zur Änderung der Verordnung über die Schiedsstelle nach § 80 des Zwölften Gesetzes Sozialgesetz, Drucks. 18/3725; hierzu der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/3992: Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrages Drucks. 18/3992 – und damit in der aus der Anlage zur Drucksache ersichtlichen Fassung – in zweiter Lesung anzunehmen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Vielen Dank. – Das Wort hat in der Aussprache zunächst Herr Abg. Decker für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Novellierung des sogenannten Hessischen OFFENSIV-Gesetzes ist zunächst schlichtweg nötig geworden, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die bundesgesetzlichen Ermächtigungen zum SGB II umgesetzt werden können. So kam der Gesetzentwurf der Landesregierung auch recht nüchtern und auf den ersten Blick nichts Besonderes darstellend unaufgeregt daher.

Künftige Aufgabenwahrnehmung nach Weisung statt Selbstverwaltung, die Zulassung weiterer Optionskommunen erfolgt durch das zuständige Ministerium, die Optionskommunen heißen künftig kommunale Jobcenter usw., usw. – die Dinge sind uns bekannt. Manches ist folgerichtig und logisch, einiges bei denen, die es umsetzen müssen, eher umstritten. Anderes wiederum ist okay.

Meine Damen und Herren, richtig Drive ist in diese Novelle allerdings mit dem Änderungsantrag der CDU und der FDP gekommen. Er kam uns wie aus den Wolken kurz vor Ausschusssitzungsbeginn auf den Tisch geflattert. Kernpunkt dieses Änderungsantrages ist: Die Kommunen sollen die Ermächtigung erhalten, selbstständig darüber zu entscheiden, ob sie künftig die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschalieren wollen – auf den ersten Blick ein Akt der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Eine solche grundlegende Änderung dem Ausschuss so kurzfristig – verzeihen Sie mir den Ausdruck – vor den Latz zu knallen, war schon nicht ganz gentlemenlike. Auch das hat sicherlich dazu geführt, dass wir sehr kritisch damit umgegangen sind.

(Beifall bei der SPD)

Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben erst einmal dafür gesorgt, dass angesichts einer solch bedeutenden Änderung wenigstens noch eine schriftliche Anhörung durchgeführt wurde. Meine Damen und Herren, und siehe da, es ergab sich ein sehr durchmischtes Meinungsbild. Natürlich gab es dafür von den einen Zustimmung, von den anderen aber vehemente Ablehnung, z. B. von den Sozialverbänden, aber auch vom Mieterschutzbund.

Interessant war die Einlassung der Kommunalen Spitzenverbände. Wer gedacht hatte, es käme von daher ein himmelhoch jauchzendes „Wunderbar“, der sah sich am Ende getäuscht. Die Begründung der Änderung fiel aus unserer Sicht eher nüchtern und knapp aus. Es wurde sogar darauf hingewiesen, dass mit dieser Wahlfreiheit in Hessen die Gefahr besteht, einen Flickenteppich unterschiedlicher Handhabungen entstehen zu lassen: Die einen tun es, die anderen tun es nicht. Die einen tun es auf dieser Bemessungsgrundlage, die anderen auf jener Bemessungsgrundlage.

Meine Damen und Herren, aber was ist die richtige Bemessungsgrundlage? – Genau darin liegt für uns einer der Knackpunkte, warum wir diesem Gesetzentwurf so nicht zustimmen können.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marcus Bock- let (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir wollen nicht verhehlen, dass Pauschalierung durchaus ihre Vorteile haben kann – gewiss. Viele Fachleute sagen uns aber, dass diese neue bundesgesetzliche Regelung zur Pauschalierung schlichtweg zu kompliziert ist und zu viele Fallstricke enthält. Das heißt im Ergebnis mehr Arbeit für die Kommunen, angreifbare Entscheidungen und damit mehr Klageverfahren. Und wer will das, meine Damen und Herren?

Das ist wahrlich nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung im Zuge der Umsetzung des SGB II die Kommunen mit unzureichenden Regelungen im Regen stehen lässt. Die so unbedenklich an die örtlichen Träger weiterzugeben, halten wir für schlichtweg falsch. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf zumindest in seiner heute vorliegenden Fassung ab – das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Leif Blum (FDP): Sie haben noch zwei Tage Bedenkzeit!)

Ich glaube nicht, dass Sie innerhalb von zwei Tagen in der Lage sind, daraus so ein Ding zu basteln, das zustimmungsfähig wird.

Ich will noch anfügen, dass wir dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Er entspricht unserer Intention. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte an dieser Stelle noch einmal meinen Unmut über die Art und Weise äußern, wie die Landesregierung ihre Politik mit der Macht der Mehrheit durchzusetzen versucht hat und es noch tut.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Macht der Mehrheit?)

Es gab keine Notwendigkeit, eine so wichtige Regelung wie die Pauschalierung der Kosten der Unterkunft mit einem solchen Zeitdruck durchzupeitschen. Das OFFENSIV-Gesetz musste verabschiedet werden. Aber die Möglichkeit der Pauschalierung hätte jederzeit später behandelt werden können. Nichts zwingt zu dieser Eile außer dem Bedürfnis, den Kommunen das Sparen zulasten der Armen zu vereinfachen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh!)

Die Folge wird sein, dass die Justiz überall dort, wo die Pauschalierung eingeführt wird, durch eine Welle von Gerichtsverfahren belastet wird, da die Vorgaben so unpräzise sind, dass nur Murks dabei herauskommen kann. DIE LINKE lehnt diesen Gesetzentwurf ab, nicht nur, weil er schlecht gemacht ist, sondern auch, weil er inhaltlich falsch ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die weitere Dynamik, die sich jetzt entfalten wird, ist klar. Denn die Möglichkeit der Pauschalierung der Kosten der Unterkunft trifft auf kommunale Haushalte, die vor allem von den immensen eichelschen Steuersenkungen marode gemacht und in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind. Was das bedeutet, steht in den Stellungnahmen. Die angemessenen Standards werden vor dem Hintergrund der jeweiligen Finanzsituation definiert werden. Es ist ein Kostensenkungswettlauf zwischen hessischen Städten und Gemeinden zu befürchten.