Vielen Dank, Herr Minister. – Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Herrn Abg. Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der uns gerade vorgestellt worden ist, hat aus Sicht meiner Fraktion Licht und Schatten. Wir begrüßen zunächst, dass es eine neue Überarbeitung, einen neuen Gesetzentwurf gibt, der das alte Gesetz ablöst und nunmehr aus einem Guss neu formuliert wird.
Wir begrüßen auch, dass das Blindengeld zunächst einmal in der jetzigen Höhe erhalten bleibt. Das ist eine gute Nachricht für die betroffenen Menschen, die ja aus leidvoller Erfahrung in der Vergangenheit immer sehr hellhörig geworden sind, wenn es um Überarbeitungen geht, und mit Kürzungen rechnen mussten; das ist nicht eingetreten. Der Anwendungsbereich wird sogar maßvoll ausgeweitet – Sie haben es erwähnt –, sodass die Kinder von unter einem Jahr, die blind geboren oder früh erblindet sind, in den Geltungsbereich einbezogen werden. Den EU-rechtlichen Vorgaben wird Rechnung getragen, und dem Wunsch der Blindenverbände entsprechend bleibt auch der Landeswohlfahrtsverband Träger, auch das ist eine wichtige Nachricht. Den Blindenverbänden war es immer wichtiger, eine einheitliche Rechtsanwendung im gesamten Land Hessen zu haben, als sozusagen einen ortsnahen Leistungsträger, wie es ja in anderen Bereichen diskutiert wird. Hier ist es eigentlich völlig vernünftig, wenn der Landeswohlfahrtsverband das weiter macht.
Allerdings verbindet sich damit natürlich auch ein gewisser Trick der Landesregierung, auf den ich hinweisen möchte; denn es wird so getan, als wäre es eine Leistung, die das Land bietet. Bezahlt wird es aber faktisch von den Kommunen, da der Landeswohlfahrtsverband über die Verbandsumlage nahezu ausschließlich von den Kommunen finanziert wird und auch der kleine Anteil aus dem Finanzausgleich quasi kommunales Geld ist. Im Grunde genommen müssen also die Kommunen all das bezahlen, was die Landesregierung hier – inhaltlich völlig zu Recht – den blinden Menschen an Leistungen zugestehen will.
Es gibt auch noch ein paar andere kritische Punkte, die ich nicht verhehlen will: Da ist zunächst die sehr verzwirbelte „Verweiseritis“ in diesem Gesetzentwurf zu nennen. Dort wird mit ständigen Querverweisen auf Paragrafen, Absätze, Sätze, Ziffern, Buchstaben verwiesen, und es ist ex
trem schwer verständlich und außerordentlich schwierig herauszufinden, was in dem Gesetz tatsächlich gemeint ist. Ich meine aber, der Gesetzgeber sollte sich eigentlich darum bemühen, Gesetze so zu schreiben, dass sie auch verständlich sind – insbesondere für den Personenkreis, der dann davon betroffen ist.
Weitere Probleme ergeben sich natürlich auch noch aus der Abgrenzung und der Anrechung anderer Sozialleistungen. Es ist natürlich ohne Weiteres richtig, dass vorrangige Leistungen anderer Träger, die ebenfalls dem Ausgleich der blindheitsbedingten Nachteile dienen, auf das Blindengeld angerechnet werden. Das ist ohne jeden Zweifel vernünftig. Aber Sie wollen ja z. B. diejenigen, die nach dem Bundesversorgungsgesetz Leistungen beziehen, komplett vom Leistungsbezug ausgrenzen, und zwar auch dann – darauf hat jedenfalls der Landeswohlfahrtsverband in seiner Stellungnahme hingewiesen –, wenn diese in dem Betrag deutlich unter dem Blindengeld liegen. Das ist etwas, was unserer Ansicht nach nicht richtig ist und unverständliche Ungleichheiten schafft.
Es führt auch durchaus zu vermeidbarem Verwaltungsaufwand beim Landeswohlfahrtsverband; denn es gibt ein weiteres Scharnier, wo man beachten muss, dass es noch andere leistungsgesetzliche Regelungen gibt, nämlich das Blindengeld nach dem Sozialgesetzbuch XII, also der bundesgesetzlichen Regelung. Dieses ist – anders als das Blindengeld nach dem Landesgesetz – als Sozialhilfeleistung einkommens- und vermögensabhängig. Wenn Sie aber einen Leistungsausschluss des Landesblindengeldgesetzes normieren, bedeutet das, dass gleichzeitig beim Einzelfall geprüft werden muss, ob ein Anspruch nach dem Bundesgesetz besteht – das ist weitaus aufwendiger zu machen, weil dabei Einkommen und Vermögen geprüft werden müssen. Das, was Sie damit im Leistungsbereich möglicherweise einzusparen hoffen, werden Sie im Verwaltungsbereich wieder obendrauf legen. Das macht aus unserer Sicht wenig Sinn; auch das werden wir in der Anhörung ausführlich besprechen müssen.
Das Gleiche gilt im Prinzip auch für blinde Menschen, die in stationären Einrichtungen in Hessen leben, ohne dass sie bereits vorher mindestens zwei Monate ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hessen hatten. Diese wollen Sie ja ebenfalls vom Leistungsbezug ausschließen. Das sind im Grunde genommen Menschen, die in anderen Bundesländern oder vielleicht auch im Ausland wohnen und nach Hessen ziehen, in irgendwelche Einrichtungen gehen – z. B. weil Kinder oder Enkel hier in Hessen wohnen und sie eben familiennah untergebracht werden möchten –: Diese werden dann vom Blindengeldbezug ausgeschlossen, wenn sie nicht mindestens zwei Monate vorher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hessen hatten.
Auch hier ist zu berücksichtigen, dass für diesen Personenkreis – sogar in aller Regel – ein Leistungsanspruch nach SGB XII besteht, also dem Bundesgesetz, der dann entsprechend überprüft werden muss und damit beim Landeswohlfahrtsverband zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand führt; denn diejenigen, die in Heimen und Einrichtungen leben, sind in aller Regel nicht so gut gestellt, die Mittel selbst aufbringen zu können, sondern sind auf Sozialleistungen angewiesen.
Wir werden also noch einigen Klärungsbedarf in der Ausschusssitzung haben. Ich freue mich ebenso darauf wie der Minister. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir halten eine Novellierung des Landesblindengeldgesetzes für geboten. Das Gesetz besteht – der Minister hat es vorhin angeführt – seit nahezu 30 Jahren mehr oder weniger unverändert. Das Ziel des Gesetzes, blinden und stark sehbehinderten Menschen den Mindestmehrbedarf für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zukommen zu lassen, ist nach wie vor richtig und wird von uns voll und ganz unterstützt. Dem Grunde nach wäre aus unserer Sicht eine Anpassung bereits schon zu einem früheren Zeitpunkt durchaus sinnvoll gewesen; denn in der Tat hat sich die Verwaltungspraxis ständig verändert, ferner zwingen einschlägige Rechtssprechungen infolge von zig Klageverfahren dringend zum Handeln.
Meine Damen und Herren, auch das unaufhörliche Zusammenwachsen Europas und demzufolge immer mehr notwendig werdende EU-gesetzliche Regelungen erfordern eine EU-taugliche Novellierung und Anpassung dieser gesetzlichen Regelung. Es gibt also gleich mehrere gute Gründe, die diese gesetzliche Anpassung notwendig machen.
In jedem Fall begrüßen wir, dass auch Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, künftig einen Anspruch auf Blindengeld erhalten sollen.
Wie es bei einer neuen gesetzlichen Regelung üblich ist, hat die Landesregierung eine Anhörung durchgeführt. Die Anhörung des Landtags wird demnächst folgen. Der Sozialpolitische Ausschuss wird übermorgen in der Früh darüber beraten.
Die Anhörung der Landesregierung hat bei den beteiligten Verbänden im Grundsatz Zustimmung zu den gesetzlichen Neuregelungen gezeigt. Gleichwohl fordern die Verbände noch eine Reihe von Ergänzungen bzw. Änderungen, so z. B. die Einbeziehung von Asylbewerbern und zugezogenen Heimbewohnern – das wurde eben schon erwähnt –, die künftig anspruchsberechtigt sein sollen, bis hin zu einem anrechungsfreien Mindestbehalt von 50 % des Blindengeldes.
Meine Damen und Herren, all diese Vorschläge müssen wir in die weiteren Beratungen einbeziehen. Wir werden sorgfältig zu prüfen haben, ob und inwieweit sie Berücksichtigung finden können.
Das ist gut, danke schön. Eine trockene Materie. – Dies gilt im Besonderen auch für die Stellungnahme des Landeswohlfahrtsverbandes, der das Gesetz in der Praxis umsetzen muss. Sie enthält ebenfalls eine Reihe von Änderungsvorschlägen und Klarstellungen, die für die weitere Handhabung des Gesetzes unumgänglich erscheinen. Herr Kollege Dr. Jürgens hat es eben schon ausführlich dargestellt; ich kann es mir an dieser Stelle ersparen.
Meine Damen und Herren, die Anhörung des Landtags wird den notwendigen Diskussionsrahmen für alle diese Vorschläge und Wünsche bringen. Es spricht aus unserer
Auch die Forderung des Landesverbandes der Gehörlosen auf eine Gleichstellung bedarf einer eingehenden Beratung. Die Herstellung eines Junktims allerdings zwischen den erhobenen Forderungen einerseits und der Verabschiedung des novellierten Blindengeldgesetzes andererseits erscheint uns problematisch; denn die dringende Notwendigkeit einer baldigen Verabschiedung des Gesetzes ist an dieser Stelle unumstritten. Gleichwohl sind die Anliegen der Gehörlosen nachvollziehbar. Deshalb müssen wir sie ebenfalls in unsere anstehenden Beratungen einbeziehen und sehr ernsthaft prüfen.
Meine Damen und Herren, alles Weitere werden wir in den folgenden Beratungen zu besprechen haben. So weit unsere Auffassung heute zur ersten Lesung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion begrüßt die Neufassung des Gesetzes über das Landesblindengeld. Der Minister hat schon ausgeführt, dass es nicht nur darum geht, hier eine Neufassung zu verabschieden, weil das Gesetz zum 31. Dezember 2011 ausläuft, sondern auch weil es erheblichen Anpassungsbedarf an die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis gibt.
Wir finden, dass das Gesetz in seiner jetzt vorgelegten Form schon viele Probleme löst und deshalb ausdrücklich zu begrüßen ist. Für die Betroffenen sicherlich eine der wichtigsten Botschaften ist, dass es trotz der angespannten Haushaltslage keine Abstriche bei der Leistungshöhe geben wird. Ich finde es auch begrüßenswert, dass die Anpassung an das EU-Recht erfolgt; denn es bedeutet auch eine Freizügigkeit für Menschen mit Sehbehinderungen innerhalb der Europäischen Union. Auch wenn dies nur eine kleine Facette ist, Freizügigkeit noch weiter zu ermöglichen, so ist es doch ein weiterer Baustein.
Von allen wurde bisher begrüßt, und ich finde es auch richtig, dass das Gesetz nun noch ausgeweitet wird, dass auch Kinder unter einem Jahr von diesem Gesetz profitieren können. Es ist wahr, dass gerade in diesem Bereich der ersten Hilfe und Früherkennung sehr viel getan werden kann und auch Kosten anfallen, sodass das wirklich zu begrüßen ist.
Wenn es stimmt, was Herr Dr. Jürgens gesagt hat, dass es Möglichkeiten gibt, es einfacher zu formulieren und zu verbessern, so werden wir das im Sozialpolitischen Ausschuss gern miteinander besprechen. Natürlich kann man nie gegen Vereinfachungen sein, aber sie müssen präzise das wiedergeben, was gewünscht ist.
Schön ist, dass jetzt auch die Zuständigkeiten eindeutiger geregelt werden und es nicht mehr zu Unklarheiten kommt wie in der Vergangenheit.
Eines will ich noch korrigieren. Die kleine Sondersitzung des Sozialpolitischen Ausschusses findet nicht morgen, sondern übermorgen statt.
Dann sollten wir prüfen, was man noch verbessern kann. Dafür sind wir durchaus offen. Auch ich freue mich auf die Beratung und die Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Kollege Utter. Mit einer trickreichen Art und Weise für eine gute Sache zu werben, das ist schon in Ordnung. – Damit kommen wir zu Frau Kollegin Schott. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mich zu fortgeschrittener Stunde ganz kurz fassen, trotzdem noch einmal daran erinnern – das haben wir vorhin schon gehört –, dass auch die Gehörlosen fordern, in den Wirkungskreis der berechtigten Personen aufgenommen zu werden. Wir finden, auch sie haben einen erheblichen finanziellen Mehraufwand, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Leider ist der Forderung nicht nachgekommen worden, aus Sicht der LINKEN zu Unrecht.
Aus der Regierungsanhörung ergeben sich noch einige andere Kritikpunkte. Wir haben das eine oder andere hier jetzt schon gehört. Ich will nur ganz kurz darauf eingehen, man hätte Abhilfe schaffen können bei der unpräzisen Formulierung der in Deutschland ansässigen Unternehmen, weil man schon differenziert nachfragen kann, was Arbeit ist, die hier stattfindet und damit zu berücksichtigen ist.
Es ist bedauerlich, dass auf den Hinweis zum Personenkreis der in eine Einrichtung nach Hessen zuziehenden Menschen nicht eingegangen worden ist. Auch das haben wir eben schon mit hinlänglicher Begründung gehört; deswegen will ich das nicht noch ausführlich wiederholen.
Ebenso bedauerlich finde ich, dass es keine Härteklausel für Menschen mit einer Pflegestufe gibt. Das muss man doch genauer betrachten; denn Pflegegeld wird nicht zwingend im Zusammenhang mit der Sehbehinderung geleistet, sondern kann auch aufgrund anderer Erkrankungen geleistet werden. Dann ist nicht nachzuvollziehen, warum dieses Pflegegeld Einfluss auf die Zahlung des Blindengeldes haben sollte.
Weiterhin fordern wir die Regierung dringend auf, sich um die Belange der blinden Menschen mit ungesichertem