Protocol of the Session on May 18, 2011

E.ON will bis zum Jahr 2020 einen Anteil an erneuerbaren Energien von 25 % erreichen; RWE landet bei mageren 14 %. Ich stelle fest: Das alles ist weit entfernt vom 35-%Ziel der Bundesregierung. Deshalb sage ich: Selbst die wenig ambitionierten Ziele der Bundesregierung werden sich nicht erreichen lassen, solange die großen Vier 80 % des deutschen Energiemarktes beherrschen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Alle reden vom Energiesparen – nur die großen Vier nicht. Das liegt in der Natur der Sache. Denn wer etwas

verkauft und daran verdient, der hat kein Interesse, dass daran gespart wird.

E.ON will bis zum Jahr 2020 10 % mehr Strom produzieren, RWE 41 % und Vattenfall sogar 54 % mehr. Der Großteil dieser Steigerungen soll durch Atom und Kohle geleistet werden.

Meine Damen und Herren, das zeigt: Die Energieversorgung ist bei privaten, gewinnorientierten Konzernen einfach in den falschen Händen. Denn kurzfristiges Gewinnstreben und nachhaltige Energieerzeugung vertragen sich nicht.

Die Atomkraftwerksbetreiber setzen auf Großkraftwerke – sogar im Bereich der erneuerbaren Energien; sie setzen einseitig auf Offshore – und beschweren sich dann über die hohen Kosten. Selbstverständlich kostet es mehr Geld, Windenergie auf dem Meer zu gewinnen statt an Land. Deshalb müssen dezentrale Strukturen bei der Energiegewinnung die Richtung sein, in die wir gehen. Denn das schafft regionale Wertschöpfung und sichert Arbeitsplätze vor Ort.

(Beifall bei der LINKEN)

CDU und FDP führen immer die angeblich fehlende gesellschaftliche Akzeptanz an, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Das ist bemerkenswert. Denn bei Kohle- und Atomkraftwerken hat Sie das Thema der Akzeptanz nie beeindruckt. In diesem Fall haben Sie immer großzügig über gesellschaftliche Mehrheiten hinweggesehen. Jetzt aber, da es um die erneuerbaren Energien geht, verstecken Sie sich hinter einer angeb lichen Skepsis der Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Aber die Frage der Akzeptanz ist auch nicht unabhängig von der Frage des Eigentums. Es ist doch logisch: Wenn mir ein großer Konzern ein Windrad in den Vorgarten stellen will, von dem ich keinen Nutzen, sondern nur Beeinträchtigungen habe, wäre ich auch dagegen – vor allem dann, wenn das Verfahren noch völlig intransparent ist. Wenn sich aber vor Ort Menschen zusammensetzen und überlegen, wie sie den Ausbau erneuerbarer Energien stemmen können, und darüber demokratisch entscheiden, dann ist das doch etwas ganz anderes. Es gibt die Bürgermeister, die eine Solaranlage auf das Dach der Schulsporthalle gebaut und gesagt haben: Ja, die Gewinne daraus kommen dem Sportangebot zugute.

Deshalb müssen vor Ort Menschen in transparenten Verfahren entscheiden können. Vor allem darf der Gewinn nicht in die Tasche von irgendwelchen Aktionären fließen, sondern die Gewinne müssen vor Ort, in der Kommune, bleiben und dort auch den Menschen zugutekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Wissler, kommen Sie bitte zum Schluss.

Vielen Dank, ich komme zum Schluss. – Wir brauchen einen radikalen Umbruch in der Energiewirtschaft, und ich glaube, das werden wir nicht im Konsens erreichen. Wer den Ausstieg aus der Atomkraft will, muss bereit sein, sich mit den Atomkonzernen anzulegen. Deshalb: Wer E.ON

und RWE an einen Tisch holt, um mit ihnen einen Konsens zu suchen, der hat schon verloren.

Damit Schwarz-Gelb sich nicht weiter zum Büttel der Energiekonzerne macht, brauchen wir Druck von unten. Wir brauchen gesellschaftlichen Druck. Deshalb freuen wir uns, dass am 28. Mai im Rahmen bundesweiter Demonstrationen wieder Menschen auf die Straße gehen. Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich an diesen Protesten zu beteiligen, sei es in Frankfurt oder anderswo.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Auf dem Weg zum Rednerpult ist schon Herr Kollege Rock für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Als ich den Setzpunkt der SPD gesehen habe, habe ich erst einmal überlegt: Worum geht es überhaupt, was haben die vor?

(Dr. Thomas Spies (SPD): Genau das ist das Problem mit der FDP! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann habe ich mir das Papier von Herrn Beuth besorgt, auf das Sie doch abstellen, da ich normalerweise keine internen CDU-Diskussionspapiere lese. Ich habe mich informiert, was Herr Beuth in dem Papier geschrieben hat. Sie alle haben hier wenig Bezug auf dieses Papier genommen, sondern haben eine ganz andere Debatte geführt, auf die ich gerne eingehe. Das ist ein billiger Aufhänger gewesen, um hier wieder eine Debatte zu führen, die wir schon sehr oft geführt haben.

(Beifall bei der FDP)

Das möchte ich hier gleich feststellen: Herr Beuth hat in diesem dreiseitigen Papier ein oder zwei Dutzend Positionen aufgeschrieben, von denen Sie wahrscheinlich jederzeit zwei Drittel mittragen würden. Sie versuchen jetzt, hier etwas zu konstruieren, was ich so nicht nachvollziehen kann. Wenn irgendjemand sich die Mühe macht, das Papier zu lesen – es ist nicht so dick –, dann wird er das, glaube ich, auch in der Form feststellen.

Herr Schäfer-Gümbel, ich muss feststellen, Sie sind hierher gekommen und haben sich erst einmal künstlich aufgeregt, so habe ich den Eindruck gehabt. Sie haben Dinge erzählt, die wir an dieser Stelle schon 10- oder 15-mal besprochen haben. Herr Al-Wazir, bei Ihnen war es ähnlich. Sie sind nach vorne gegangen und haben eine Rede gehalten, die Sie schon 17-mal an irgendwelchen Stammtischen hätten halten können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Timon Gremmels und Dr. Thomas Spies (SPD))

Da war nichts Neues. Sie war unmotiviert. Sie haben einen kleinen Seitenhieb auf Herrn Rentsch gebracht. Das ist bei Ihnen ein Reflex. Ohne diesen kleinen Seitenhieb auf Herrn Rentsch kommen Sie gar nicht mehr klar, wenn Sie irgendwohin gehen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seien Sie doch froh, dass Sie erwähnt werden!)

Ich muss sagen, er war auch völlig unfundiert. Herr Rentsch hat gesagt, dass Biblis in den letzten Jahren einen großen Beitrag zur Stromgewinnung geleistet hat. Schlagen Sie einmal eine Nachricht auf, in der steht, wie viel Strom Biblis in den letzten Jahren produziert hat. Dann werden Sie feststellen, dass es sehr viel Strom war, ob es Ihnen gepasst hat oder nicht. Die Aussage von Herrn Rentsch war absolut richtig, und Sie konnten gar nicht begründen, warum Sie da irgendetwas an Inkompetenz oder so etwas feststellen wollten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es waren Reflexe, es war eine Rede mit irgendwelchen Karteikarten, die Sie immer abspulen, und das finde ich sehr schade.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Was ist jetzt die Position der FDP?)

Sie haben gesagt, wir sind uns im Ziel nicht einig. Ich dachte, wir wären weiter. Wir sind uns im Ziel sehr wohl einig. Wir wollen den Ausstieg aus der Atomkraft.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wann? Termine, Herr Rock!)

Wir sind uns auf dem Weg dahin nicht einig, und das ist das Thema: der Weg dahin. Sie diskutieren an dieser Stelle über Ziele, die doch längst festgeschrieben sind. Sie waren festgeschrieben beim Thema Brückentechnologie, sie sind festgeschrieben auf unseren Parteitagen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wann?)

Vielleicht zappen Sie einmal rein und hören es sich zu Ende an. Wir haben eine ausführliche Energiedebatte geführt mit über 300 Änderungsanträgen zu unserem Energieantrag. Ich glaube, darin steht ziemlich genau, was die FDP will. Also behaupten Sie doch nicht so einen Blödsinn.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Da wir uns im Ziel einig sind, geht es darum, den Weg festzulegen. Über die Frage, wie schnell man dieses Ziel erreichen will, unter welchen Kosten, welche Auswirkungen auf die CO2-Frage das hat, über all diese Dinge versuchen wir uns beim Energiegipfel einig zu werden.

Da ist es auch nicht so, dass Sie etwas erfunden hätten oder etwas besser wüssten als andere Leute. Sie stellen einfach Behauptungen auf, aber wir versuchen, beim Energiegipfel eine vernünftige Lösung, die alle mittragen können, zu erarbeiten. Da tut es mir ziemlich weh, weil ich selbst in einer Arbeitsgruppe mitarbeite – zufälligerweise in der, in der Herr Al-Wazir gelegentlich den Vorsitz führt –, wenn ich so eine Rede hier höre. Da könnte man meinen, diese Arbeitsgruppen wären überflüssig, die Leute, die dort sitzen, würden komisches Zeug erzählen, Herr Al-Wazir würde dort nicht engagiert mitarbeiten, er würde die ganze Arbeit für überflüssig halten. Das muss man doch glauben, wenn man Ihre Rede hier gehört hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber es ist doch ganz anders, Herr Al-Wazir. Sie sind hoch engagiert. Sie sind hoch motiviert in dieser Arbeitsgruppe, genau wie unsere Ministerin und die anderen, die daran

teilnehmen. Wenn wir die Wortmeldungen nebeneinanderlegen, zumindest von unserer Arbeitsgruppe, stellen wir fest, wir sind nicht weniger aktiv als Ihre Leute. Wir bringen uns da genauso ein. Ich dachte, wir hätten die Debatte, die Sie hier geführt haben, längst überwunden. Sie gehen zurück in die Schützengräben, aus denen wir längst heraus sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie uns vorwerfen, wir haben unsere Atom- und Energiepolitik umgeworfen, dann kann ich nur sagen: Ja, wir haben sie umgeworfen. Fukushima hat dafür gesorgt, dass wir dort nachgedacht haben und uns entschlossen haben, umzusteuern.

Da kann man natürlich sagen: Wieso habt ihr nicht sofort einen Plan in der Schublade gehabt, wie das funktionieren soll? – Nein, wir erarbeiten jetzt den Plan. Den erarbeiten wir, weil wir klug sind, mit Ihnen zusammen, weil wir eine Energiepolitik brauchen, die 40 Jahre trägt und nicht eine Legislaturperiode. Darum ist es wichtig, dass wir das gemeinsam machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Von Herrn Schäfer-Gümbel habe ich solche Sachen gehört. Sie sind natürlich nicht energiepolitischer Sprecher Ihrer Fraktion. Aber natürlich müsste auch Ihnen bekannt sein, dass keine Regierung der Welt einfach sagen kann, dass alle Atomkraftwerke sofort stillzulegen sind, ohne dass es rechtliche Konsequenzen hat.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das hat niemand behauptet! – Timon Gremmels (SPD): Das sagt doch keiner!)

Biblis A und B laufen noch mit rot-grünem Reststrom, viele andere Atomkraftwerke auch. Sie können sagen, okay, das wäre nicht möglich gewesen, wenn es keine Übertragung der Restlaufzeiten gegeben hätte. Aber es ist möglich gewesen. Es ist definitiv so, dass es Rechtsansprüche gibt. Dass sich eine Ministerin nicht hinstellen kann wie jemand auf einem Parteitag und irgendetwas erzählt, ist klar. Sie muss verantwortlich handeln. Wenn sie sagt, sie wünscht sich rechtliche Grundlagen, um die Dinge umzusetzen, dann ist das legitim und vernünftig.