Erstens. Sie versuchen hier immer, eine Diskussion aufzumachen und es so darzustellen, als ob es im Wesentlichen um Naturschutz versus Leitungsausbau ginge; aber das ist nicht der Punkt. Vielmehr ist das berechtigte Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, wie mit ihrem Eigentum umgegangen wird, neben den Gesundheitsfragen in der Regel das Thema, über das sich die Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen bzw. das sie veranlasst, zu sagen: Wir möchten diesen Leitungsausbau nicht.
Insofern glauben wir, dass das, was Sie immer thematisieren, nämlich dass man die Gesetzgebungsverfahren einfach schneller abschließen müsse, nicht der Punkt ist. Vielmehr geht es auch darum, ob die Genehmigungsbehörden und die Gerichtsbarkeit ausreichend Personal haben. Ein Teil all dieser Diskussionen entsteht schließlich während eines langen Prozesses von Abwägung und Auseinandersetzung. Was stellt also die staatliche Seite an Personal zur Verfügung, um diese Beschleunigung herbeizuführen?
Wir wissen, dass Verfahren umso länger dauern, je weniger Personal vorhanden ist, das sich beispielsweise mit Trassenplanungen auseinandersetzen kann.
Wenn Sie der Eigentümer eines solchen Grundstücks wären, würden Sie dieses Grundstück möglicherweise entweder verkaufen, oder Sie würden darüber nachdenken, inwieweit Ihre Rechte gewahrt sind. Sie würden Ihre Rechtsmittel wahrscheinlich ausschöpfen wollen. Ich glaube, die Frage, wie vorher mit Ihnen umgegangen wurde, also wie Ihre Anliegen einbezogen wurden, ist der entscheidende Punkt.
Zweiter Aspekt. Der Ausbau des Netzes ist ohne Zweifel notwendig, ganz unabhängig von der Frage, inwieweit die dezentrale Versorgung vorangetrieben wird. Auch die engagierten Windkraftausbaupläne, die wir für Hessen vorsehen, erfordern es nämlich, dass die Strommengen, die dort produziert werden, verteilt werden können. Dafür brauchen wir überregionale Netze.
Dritter Punkt. An dieser Stelle sind Sie diejenigen, die in ihrer eigenen Argumentation gefangen sind: Wenn Sie gegen den Ausbau der Leitungen sind und dadurch, dass Sie Windkraftanlagen zu „Windkraftmonstern“ hochstilisieren, ästhetische Dimensionen mit der Frage der Zukunft unseres Industriestandorts vermischen, wenn Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern Ablehnung produzieren, sodass diese sagen: „Eine Windkraftanlage will ich nicht, aber ich will auch so einen Mast nicht haben“, und wenn Sie anschließend argumentieren, Erdkabel gebe es ebenfalls nicht, haben Sie ein Problem. Sie sollten sich bei der Diskussion überlegen, auf welchen Ebenen Sie versuchen, die Bürgerinnen und Bürger gegen solche Projekte aufzubringen. Wer gegen „Windkraftmonster“ ist, müsste auch gegen „Strommonster“ sein.
Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich dazu etwas zitieren, was einen schon etwas nachdenklich macht. Das war die Antwort, die Herr Staatsminister Posch gegeben hat. Er hat formuliert, eine Erdkabelausführung sei nach einem Gutachten der Universität Hannover, da geht es um Wahle – Mecklar, mindestens 500 Millionen € teurer. Nun kommt es:
Mögliche Preiserhöhungen für alle Verbraucher, die hieraus resultieren können, können sich auf die Akzeptanz auswirken.
Auf die Akzeptanz derjenigen, die betroffen sind und sagen: „Ich möchte vor meiner Haustür keine Höchstspannungsleitung in Form einer Freileitung haben“? Ich glaube, nicht. Wenn Sie das jedoch zu einem apodiktischen Punkt machen und sagen: „Das Geld ist entscheidend“, werden Sie die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die ein Erdkabel möchten, nicht gewinnen.
Wenn das Ihr Maßstab dafür ist, sollten Sie auch die Frage, inwieweit Enteignungseingriffe vorgenommen werden sollen, anders thematisieren. Sie können das als Liberale gern einmal durchdeklinieren; denn es geht letzt endlich darum, ob die Bürgerinnen und Bürger das ak
zeptieren. Sie wissen doch auch, dass viele Betriebe schon ein Problem haben, wenn eine 110-kV-Leitung in der Nähe verläuft: Man darf dort gewisse Produktionen nicht ansiedeln. Sie wären, weil sich das natürlich auswirkt, möglicherweise auch in ihrer Gesamtnutzung eingeschränkt.
Sie müssen sich schon überlegen, wie Sie die Akzeptanz herbeiführen. Das können Sie nicht mit solchen Maßnahmen erreichen. Natürlich kostet es mehr Geld. Natürlich dient es auch dem Industriestandort Deutschland. Sonst hören wir Sozialdemokraten von Ihnen doch immer das Argument: Wenn wir die Technologie nicht im eigenen Land nutzen, können wir sie auch nicht exportieren. – Wenn es heißt, eine Erdverkabelung sei zu teuer, wohin wollen Sie dann diese Technologie, unser Know-how, exportieren? Sie sagen, dies sei auch nicht Ihr Ziel. Das ist in sich widersprüchlich.
Jetzt komme ich zum letzten Punkt, zum Atomausstieg. Es sollte in Mecklar am Ende der Leitung ein Gas-DampfTurbinenkraftwerk erstellt werden. Der Investor hat sich nicht nur wegen der Finanzkrise – das war sicherlich für Iberdrola, einen spanischen Konzern, ein großes Pro blem –, sondern auch wegen der Frage – – Ist die Zeit abgelaufen?
Herr Hahn, wenn das so einfach wäre. Aber ich glaube es nicht; die Uhr läuft weiter. – Ich schließe meine Ausführungen jetzt ab. Da sich die Frage gestellt hat, ob dieser Standort unter der Bedingung der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke aufrechterhalten werden kann, ist diese Investition zurückgestellt worden. Um es deutlich zu sagen: In Mecklar wird mehr Strom produziert als in Staudinger 6.
Diese ständige Alternativdiskussion in Hessen, dass ohne Staudinger die Lichter ausgingen, ist schlicht und einfach falsch. In Mecklar sollen 1.300 MW Strom produziert werden. Es gibt aber Hindernisse, und wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen aus der Atomkraft aussteigen, ist das für diesen Konzern oder für welchen Konzern auch immer, der dort dieses Kraftwerk hinstellen will, sicherlich ein positives Signal. Dann brauchen wir auch die Stromleitung Wahle – Mecklar, weil solche gewaltigen Mengen Strom innerhalb des Netzes natürlich wiederum gen Norden transportiert werden müssen. Deshalb ist niemand, glaube ich, gegen diese Trasse als solche bzw. dagegen, dass es eine geben muss.
Es gibt eine Trasse, die sicherlich nachrangig ist, und es gibt eine, die vorrangig ist. Bei dieser vorrangigen Trasse kann ich Ihnen nur empfehlen, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen. Denn Bürgerinnen und Bürger sind beispielsweise auch Eigentümer von Grund und Boden. Allein aus diesem Aspekt könnten schon viele Einwände kommen, die überhaupt nichts mit dem von Ihnen immer kritisierten Naturschutz zu tun haben. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Vielen Dank, Herr Kollege Warnecke, für Ihren Beitrag. Wir haben Sie jetzt etwas länger sprechen lassen. Sie sind wirklich ein sehr höflicher Abgeordneter, denn Sie sind heute der Erste gewesen, der gefragt hat, ob die Redezeit abgelaufen ist. Deshalb wollen wir das einmal ausdrücklich würdigen. Sie gehören zu der vornehmen Kategorie.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gab in den letzten Jahren viele Behauptungen vonseiten der Regierungsfraktionen. Ich finde, Sie sollten sich einfach einmal selbst an der Frage überprüfen, wie viele dieser Behauptungen denn am Ende zugetroffen sind.
Die erste Behauptung war vor zehn Jahren, die erneuerbaren Energien könnten nie einen wesentlichen Anteil an der Stromerzeugung in diesem Land beitragen. Wir waren im letzten Jahr bei über 17 %, und inzwischen sagen Sie selbst, dass wir deutlich ausbauen und am Ende natürlich auf 100 % Versorgung kommen müssen. Das sagen Sie jetzt selbst. Vor zehn Jahren haben Sie erklärt, es gehe überhaupt nicht.
Letzten Herbst haben Sie erklärt, wir hätten, wenn die Atomkraftwerke nicht länger laufen, eine Stromlücke. Jetzt sind Sie die Antiatomkraftpartei. Wie glaubwürdig das ist, ist eine andere Frage. Aber dass es diese Strom lücke nicht gibt, sieht man doch daran, dass jetzt acht Kraftwerke nicht am Netz sind und ich trotzdem noch zu hören bin, und zwar über elektrischen Strom.
Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie klüger werden. – Jetzt zur spannenden Frage. Der letzte Punkt, den Sie noch haben, ist die Behauptung, dass die GRÜNEN immer diejenigen seien, die gegen den Netzausbau sind. Ich sage Ihnen, das stimmt nicht. Das ist einfach falsch.
Erstens. Im Werra-Meißner-Kreis, das habe ich Ihnen vorgestern vorgetragen, sind die GRÜNEN die einzige Dafür-Partei, während SPD, CDU und FDP gegen den Netzausbau sind, und zwar sowohl als Freileitung wie auch als Erdverkabelung.
Herr Kollege Reif, in aller Regel sind die GRÜNEN diejenigen, die noch wissen, dass es, wenn man „erneuerbare Energien insgesamt“ sagt, auch regional eine Auswirkung hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Dann reden wir doch darüber, Herr Al-Wazir!)
Das war das erste Vorurteil. Das zweite Vorurteil, das Sie haben – deswegen stürzen Sie sich so auf die Netze –, ist das Vorurteil, dass Bürgerbeteiligung immer für Verzögerung sorge. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an einbezieht und von Anfang an transparent ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man schneller zum Ziel kommt, relativ hoch.
Herr Greilich, schütteln Sie nicht den Kopf. Ein Beispiel: Wir haben in Offenbach eine Debatte über den Maindamm gehabt. Es gab eine Riesenaufregung, weil auf dem alten Damm Bäume gefällt werden mussten. Vor dem ers ten Stadtverordnetenbeschluss gab es eine große Bürgerbeteiligung, danach Einstimmigkeit im Parlament und Unterstützung in der Bürgerschaft. Ich sage Ihnen: Hätten wir das nach dem Modell Posch gemacht, würden wir noch jetzt zackern und am Ende vor Gericht landen. Wir werden am Ende schneller sein, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an beteiligen.
Das nächste Argument: Wenn wir Genehmigungsverfahren beschleunigen wollen, müssen wir am Ende die Gesetze ändern und die Bürgerbeteiligung streichen. – Ich sage Ihnen: Nein, das müssen wir nicht, weil die Frage der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren auch etwas damit zu tun hat, wie man diese Genehmigungsverfahren in der Verwaltung betreibt.
Auch hierzu ein konkretes Beispiel: Als Rot-Grün 1991 in Hessen an die Regierung kam, gab es bei gentechnischen Verfahren eine durchschnittliche Genehmigungsdauer von 15 Monaten.
Als wir Ende 1999 sozusagen abgewählt wurden, hatten wir in den acht Jahren dazwischen die Genehmigungsverfahren bei einer Behörde konzentriert, nämlich beim RP Gießen, und sie von 15 auf drei Monate beschleunigt, ohne das Gesetz zu ändern.