Protocol of the Session on April 13, 2011

Die Frage, wie dieses Grundbedürfnis befriedigt wird, hat im Laufe der Zeit unterschiedliche Antworten erfahren. Ich glaube, darin sind wir uns einig. Natürlich hat der soziale Wohnungsbau im Nachkriegsdeutschland, in einer Zeit, in der sehr schnell Wohnraum zur Verfügung gestellt werden musste, eine andere Rolle gespielt, als er heute, 60 Jahre nach Kriegsende, hat. Deswegen ist der soziale Wohnungsbau in den unterschiedlichen Facetten weiterentwi

ckelt worden – ob das das Stichwort Gemeinnützigkeit ist, ob das die Frage ist, wie wir heute unsere Wohnungsbaugesellschaften aufstellen, oder aber, wie es auch an der Diskussion über die Fehlbelegungsabgabe deutlich wird, dass wir eine unterschiedliche Situation gegenüber der Zeit haben, als der soziale Wohnungsbau eine große Bedeutung hatte.

Deswegen sage ich noch einmal: Das Ausmaß, in dem sich der Staat am sozialen Wohnungsbau beteiligen muss, verändert sich. Deswegen gibt es unterschiedliche Positionen. Herr Kollege Lenders hat das eben gesagt.

Ich will es ganz offen ansprechen: Die Sozialdemokraten, die sich für die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe ausgesprochen haben, haben das unter anderem deswegen getan, ich bringe das einmal auf einen Nenner, damit bestimmte Mieter ihr Wohnquartier nicht verlassen: um damit die Ausgewogenheit der Struktur dort zu erhalten. Das ist in den einzelnen Städten sehr unterschiedlich. Daraus ergibt sich das. Dass man aber auf der Grundlage dieser Auffassung zu einer Abschaffung kommen kann, zeigt doch das Ergebnis in der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt nur noch in Rheinland-Pfalz vier Städte, die sie erheben, sowie das Bundesland Hessen. Alle anderen Länder haben diese Fehlbelegungsabgabe abgeschafft.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, dann ist es doch wohl nicht angebracht, zu sagen, der Staat würde hier generell seiner Verantwortung nicht gerecht.

Ich will darauf jetzt nicht im Einzelnen eingehen. Herr Kollege Lenders hat dargestellt, in welchem Umfang in bestimmten Bereichen die Sozialbindung für Wohnungen nach wie vor existiert. Aber ich will auch das sagen: Es gibt andere, die die Fragwürdigkeit bzw. die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe mit einer anderen Begründung vertreten, nämlich der: Die Fehlbelegungsabgabe hat den Automatismus, dass die öffentliche Hand automatisch in den Wohnungsbau investiert.

Es gibt eine Auffassung, die herrscht bei den Liberalen vor, die sagt: Angesichts der Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen ist das nicht mehr Aufgabe des Staates,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das wollen Sie nicht mehr!)

sondern der Privaten.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hans-Jürgen Ir- mer (CDU))

Deswegen wollen wir diesen Zustand, der durch die Fehlbelegungsabgabe perpetuiert wird, nicht weiter perpetuieren, sondern aufgeben.

Das sind die beiden Positionen zum Thema Fehlbelegungsabgabe.

Herr Kollege Siebel, ich finde es schon nett, festzustellen, was die SPD einerseits gesagt hat, um dann in letzter Minute auf den Zug aufzuspringen und zu sagen: Aber heute begrüßen wir einmal den Gesetzentwurf der GRÜNEN, die die Aufrechterhaltung der Fehlbelegungsabgabe verlangen. – Meine Damen und Herren, das hat doch mit seriöser und redlicher Politik nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Herr Klose, ich kann das ja verstehen. Wir kennen das politische Geschäft – der eine kürzer, der andere länger. Ich

beobachte mit Interesse, mit wie viel Engagement sich die GRÜNEN der Landespolitik widmen. Sie können mir doch hier nicht allen Ernstes verkaufen, dass Sie erst seit vorgestern wissen, dass die Fehlbelegungsabgabe ausläuft.

(Zurufe der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Dann kommen Sie jetzt auf einmal mit diesem Gesetzentwurf. Meine Damen und Herren, in letzter Minute wollen Sie den Eindruck erwecken, Sie wollten hier etwas Positives bewirken.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Michael Sie- bel (SPD))

Entweder haben Sie die ganze Zeit geschlafen, oder Sie haben das Problem genauso nüchtern diskutiert wie wir auch

(Michael Siebel (SPD): Aber, Herr Posch!)

und insgeheim auf ein Wohnraumgesetz gewartet – wie Sie das jetzt gegenüber den Koalitionsfraktionen in Ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): Ihre eigenen Leute in der Fraktion wussten es doch selbst nicht! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist denn mit dem Schreiben vom Dezember?)

Herr Siebel, wir kennen uns lange genug. Diesen Ausflug haben Sie doch mit Sicherheit von mir erwartet – das lässt man sich doch nicht entgehen, wenn einem eine solche Situation auf den Tisch gelegt wird.

Meine Damen und Herren, deswegen sage ich: Man kann nicht so von derartigen Dingen sprechen, wie Sie das hier getan haben. Ich sage auch: Man kann alle möglichen Statistiken aufrufen. Sich aber hier hinzustellen und zu sagen, die Zahl der Baufertigstellungen und die Zahl der Baugenehmigungen ist zurückgegangen – mein Gott, das ist eine Binsenweisheit und hat mit der Fehlbelegungsabgabe und Ähnlichem gar nichts zu tun. Wenn der Bestand ausreicht, nimmt die Zahl der Baugenehmigungen ab. Das ist schlicht und ergreifend eine gesellschaftliche Wirklichkeit. Ich kann doch von den Leuten nicht verlangen, dass sie ein zweites Haus bauen, wenn ihnen eines reicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man so etwas seriös diskutiert, dann habe ich nichts dagegen, dass man Statistiken bemüht; aber man muss diese Statistiken so einsetzen, dass sie zumindest ansatzweise geeignet sind, glaubwürdig das eigene Anliegen zu untermauern. Diese statistischen Angaben sind das nicht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Punkte ansprechen. Es ist sicherlich richtig, wenn es darum geht, jetzt gemeinsam darüber zu diskutieren, welchen Inhalt ein mögliches Wohnraumförderungsgesetz haben muss. Lassen Sie mich deshalb feststellen – ich glaube, da habe ich hier Einvernehmen gehört –: Wir haben einen Wohnungsmarkt, der vielschichtig ist, und Regionen, die sehr unterschiedlich strukturiert sind, sodass sich die Anforderungen an den Ballungsraum völlig anders gestalten als im ländlichen Raum.

Meine Damen und Herren, in der Nassauischen Heimstätte bzw. in der Wohnstadt habe ich damit zu tun. Wir haben eben im nordhessischen Raum eine völlig andere Situation – dort betreiben wir im Grunde genommen Rück

bau –, wohingegen wir in den Ballungsräumen zusätzlichen Wohnraum benötigen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Holger Bellino (CDU))

Das heißt, wir haben unterschiedliche Situationen im Rhein-Main-Gebiet. Herr Schaus, deswegen ist das nicht ganz in Ordnung. Man kann darüber diskutieren – das tue ich auch –, ob das Thema Projektentwicklung, Stadtentwicklung Ziel einer Wohnungsbaugesellschaft sein soll, insbesondere deswegen, weil sie dann in den Wettbewerb mit anderen tritt. Fest steht aber auch, dass die Erlöse aus diesem Bereich letztendlich auch dem Wohnungsbau zugutekommen. Das ist der Strukturwandel, den die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften in der Vergangenheit durchgemacht haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist eine Schwerpunktverschiebung!)

Die Stichworte sind also: Wohnungsüberschüsse in den einen, Leerstände in den anderen Bereichen. Deswegen müssen wir die Überlegung, wie der demografische Wandel sowohl die Qualität als auch die Quantität der benötigten Wohnungen verändert, bei der Neuorientierung der Wohnungsbaupolitik und auch bei einem Gesetz berücksichtigen. Herr Kollege Milde hat das dankenswerterweise angesprochen.

Lassen Sie mich drei Punkte nennen. Zu Recht haben Sie darauf hingewiesen: Die Tatsache, dass wir dieses Wohnungsbauförderungsgesetz noch nicht haben, bedeutet nicht, dass es Stillstand gibt. Deswegen will ich es noch einmal betonen: Wir haben die Einkommensgrenzen bei der Förderung des Erwerbs von selbst genutztem Wohneigentum und die Einkommensgrenzen für die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung angehoben, um den Problemen Rechnung zu tragen.

Meine Damen und Herren, bei der Förderung des Eigentumserwerbs haben wir die Anhebung so gestaltet, dass sie für Familien besonders hoch ausfällt. Das heißt also, die sozialpolitischen Probleme, die hier bestehen, haben wir mit dem bestehenden Instrumentenkasten in gleicher Weise bedient, als ob wir ein solches Gesetz schon hätten. Die alten Bundesgesetze haben so lange Gültigkeit, bis wir im Nachgang zur Föderalismusreform diese Gesetze durch eigene Vorschriften ablösen.

(Beifall des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine Damen und Herren, was haben wir zu beachten? Bei einem solchen Gesetz haben wir zu beachten, dass der Bund auch nach der Föderalismusreform in der Wohnungsbaupolitik einen nicht unerheblichen Einfluss hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die KfW, insbesondere an die Vielzahl der Förderprogramme im energetischen Bereich, die Art der Berücksichtigung von Immobilien bei der geförderten Altersvorsorge; das Stichwort Wohn-Riester ist hier im gleichen Zusammenhang zu beachten. Ich will das jetzt nicht im Detail ausführen. Auch die Rahmenbedingungen, die die Europäische Union setzt, sind bei uns zu beachten.

Meine Damen und Herren, Infrastruktur und Wohnraum sind wichtige Aspekte auch bei der Gewerbeansiedlung. Wir brauchen – auch da sind wir uns einig – bezahlbaren Wohnraum dort, wo Arbeitsplätze sind, um einen deutlichen Beitrag zur Verminderung des Pendlerverkehrs zu erreichen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ja, auch unter diesem Aspekt ist ein solcher Gesetzentwurf, über den wir nachdenken, zu prüfen.

Herr Minister, die Redezeit der Fraktionen ist erreicht.

Vielen herzlichen Dank. – Ich glaube, deutlich gemacht zu haben, dass wir unserer Verantwortung in diesem Bereich gerecht geworden sind. Ich freue mich auf die Diskussion, insbesondere insoweit, dass ich trotz der kritischen Bemerkungen, die hier gemacht worden sind, einen hinreichenden Ansatz sehe, Wohnungspolitik in diesem Lande gemeinsam zu gestalten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Posch. – Die Aussprache geht weiter. Herr Wagner hat sich gemeldet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil Herr Wirtschaftsminister Posch zu, wie ich finde, sehr merkwürdigen Ausflügen zur Bewertung von Gesetzentwürfen aus dem Parlament angehoben hat.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Minister Posch, normalerweise ist es so, dass eine Landesregierung mit ihrem großen Apparat, der weit größer ist als der Apparat, den ein Parlament zur Verfügung hat, vorangeht, Initiativen vorlegt und dem Parlament Vorschläge macht, wie sie dieses Land gestalten will. Wir stellen fest bei dieser Landesregierung, nicht nur in Ihrem Verantwortungsbereich, sondern in vielen anderen Verantwortungsbereichen: Sie legen nichts vor, Sie haben kein Konzept, Sie haben keinen Plan, und dann beschimpfen Sie auch noch diejenigen, die etwas vorlegen, die ein Konzept haben, die einen Plan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist langsam ein eigentümliches Verständnis von Politik, was Sie in diesem Land an den Tag legen. Diese Regierung gefällt sich als Nichtregierungsorganisation, als Menschen, die ihren Job nicht machen.