Protocol of the Session on April 1, 2009

Der Bundesrat bekräftigt, dass eine zeitlich befristete Verstaatlichung eines Finanzunternehmens nur als Ultima Ratio infrage kommen darf, wenn sie für die Sicherung der Finanzmarktstabilität zwingend erforderlich ist, weil andere rechtlich und wirtschaftlich zumutbare Lösungen, mit denen die Finanzmarktstabilität auf weniger einschneidende Weise gesichert werden kann, nicht zur Verfügung stehen, um drohende schwerwiegende gesamtwirtschaftliche Folgen abzuwenden. Dabei ist die rechtliche und wirtschaftliche Zumutbarkeit alternativer

Maßnahmen umfassend zu prüfen, insbesondere, ob und in welcher Höhe ein Kontrollerwerb unerlässlich ist.

Meine Damen und Herren, diesem Antrag, den wir im Wirtschaftsausschuss eingebracht haben,haben zehn Länder inklusive der A-Länder, der SPD-regierten Länder Rheinland-Pfalz und Bremen, zugestimmt. Im ersten Durchgang ist die Bundesregierung aufgefordert worden, diesem Prüfauftrag nachzukommen. Die Bundesregierung ist diesem Prüfauftrag nicht nachgekommen, hat das Gesetz unverändert gelassen,und deswegen haben wir die Situation, in der wir uns heute befinden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nur zur Klarstellung – das scheinen Sie vergessen zu haben –: Bei den A-Ländern ist immerhin der frühere SPDVorsitzende Ministerpräsident. Er hat genau diese Fragen an den Bundesfinanzminister gestellt. Erlauben Sie mir deswegen an dieser Stelle eine Frage. Frau HölldoblerHeumüller hat es angesprochen. Natürlich wird über die Frage zu diskutieren sein. Die BaFin hat den Bundeswirtschaftsminister auf diese Probleme hingewiesen. Das wird jetzt Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Ich habe den irgendwie begründbaren Eindruck, dass hier mit diesem Schnellschuss durch dieses Gesetz Fakten geschaffen werden sollen, damit die Untersuchungen, die möglicherweise noch im Raum stehen,überhaupt keine Grundlagen mehr haben.

Meine Damen und Herren, wir haben diese Fragen im Rahmen unserer Meinungsbildung zu diesem Gesetz in den Wirtschafts- und auch in den Rechtsausschuss eingebracht.Aber diesem Prüfungsauftrag hat sich die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister entzogen.

Deshalb sage ich noch einmal: Natürlich haben wir beispielsweise zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Enteignung zulässig ist, gesagt, ein Kriterium ist dann viel zu dehnbar und undeutlich, wenn beispielsweise verlangt wird, dass beim alternativen Erwerb keine ausreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Wir wollten, dass die Voraussetzungen dafür im Gesetz wirklich als Ultima Ratio erkennbar sind. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall.

Lassen Sie mich deswegen an dieser Stelle eines sagen. Herr Reif hat zu Recht darauf hingewiesen, und auch Herr Kollege Hahn hat dies in seinem Beitrag deutlich gemacht: Es geht doch nicht darum, dass wir die Hypo Real Estate nicht erhalten wollen. Wir wissen, welche Bedeutung sie hat.Vielmehr geht es um die Frage, ob hier wirklich das letzte Mittel gezogen werden muss oder nicht.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es! Darum geht es!)

Daran aber haben wir erhebliche Zweifel.

(Beifall bei der CDU und der FDP- Norbert Schmitt (SPD):Welche z. B.?)

Herr Kollege Schmitt, wir wissen, welche Bedeutung die Hypo Real Estate für den Pfandbriefmarkt hat.Tun Sie in Ihrer Argumentation bitte nicht so, als wollten wir etwas plattmachen und als ginge es uns ausschließlich um fiskalische Interessen Einzelner.

Zu Recht wurde in der Diskussion darauf hingewiesen: Wir differenzieren nicht zwischen dem Kleinaktionär und einem Großaktionär. Es ist geradezu ungeheuerlich, jedem Aktionär zu unterstellen, er sei ein Spekulant.

(Frank Lortz (CDU): Richtig!)

Auch das hat Herr Reif gesagt.

Meine Damen und Herren, das, was in dem Gesetz als zu erfüllende einzelne Voraussetzung genannt ist, reicht uns unter rechtsstaatlichen Aspekten nicht. Lassen Sie mich deshalb sagen:Wirtschaftspolitik hat auch mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Normen zu tun.Wir müssen sicherstellen, dass in diesem Gesetzgebungsvorhaben auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewährleistet wird. Das ist hier bisher nicht der Fall. Deswegen musste ich diese Position für die Hessische Landesregierung beziehen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei Abge- ordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel.

(Axel Wintermeyer (CDU): Jetzt muss der Chef selbst ran!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Herr Wirtschaftsminister eine Zwischenfrage zugelassen hätte, hätte ich mich gar nicht mehr zu Wort gemeldet. So aber habe ich die Möglichkeit, noch ein paar erklärende Bemerkungen zu machen.

Jenseits des Nebels,der hier insbesondere von Herrn Reif, aber auch von Ihnen, Herr Posch, eben geworfen wurde, will ich versuchen, dieses Thema auf seinen Kern zurückzuführen.

Der Kern dieser Debatte ist, dass der stellvertretende Ministerpräsident öffentlich und sehr engagiert aus seiner politischen Überzeugung keine Mördergrube gemacht und gesagt hat, das, was die Große Koalition in Berlin in einer absoluten Sondersituation beschlossen hat und was am Ende dazu führen kann, dass eine „Enteignung“ der HRE stattfindet, werde nicht die Zustimmung des Bundeslandes Hessen finden, und die FDP werde dafür sorgen,dass dieses Gesetz,das wir als Große Koalition aus CDU/CSU und SPD in einer Not-, einer Sondersituation gemacht haben, im Bundesrat nicht beschlossen werde.

(Wolfgang Greilich (FDP): Guter Mann, der Herr Hahn!)

Diesen Gegenstand haben wir hier aufgerufen.Wir halten diese Position für nicht akzeptabel.

Herr Reif, von der hessischen Union habe ich dazu auch nichts gehört.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Sie haben konsequent daran vorbeigeredet, und auf meine mehrfache Aufforderung, zu sagen, ob Sie denn am Freitag im Bundesrat dem zustimmen, was wir auf Bundesebene gemeinsam als ein Notgesetz, in einer sehr besonderen Situation, verabredet haben, jede Antwort verweigert.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Da helfen auch die Bemerkungen von Herrn Posch nicht. Bei diesem Gesetz geht es ausdrücklich nicht darum – ich will das nochmals sagen und brauche das eigentlich den Kolleginnen und den Kollegen von der Union nicht zu erklären, weil sie das im Deutschen Bundestag selbst miter

klärt haben –, dass jetzt der Staat der universelle Gesamtunternehmer werden soll. Gerade die hessische SPD wird darauf achten, dass sich der Stamokap auch auf diesem Wege nicht durchsetzen wird.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Hans-Jür- gen Irmer (CDU))

Vielmehr geht es – Herr Posch,deswegen kann ich es auch verstehen, dass Sie hier in einer gewissen Emotionalität von „Verstaatlichung“ reden –

(Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP))

bei Opel nicht um Verstaatlichung.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Es geht um öffentliche Beteiligung. Das ist etwas völlig anderes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch wenn ich mir jetzt unter Umständen einen engagierten Rüffel einfange: Im Wirtschaftsausschuss habe ich nach einer anderen Erklärung – unter anderem von Herrn Hahn – mehrfach nachgefragt, ob denn die Erklärung von Herrn Hahn, dass öffentliche Beteiligungen bei Opel niemals in Aussicht stehen, die Position der Hessischen Landesregierung ist. Denn „in Zeiten wie diesen“ – so haben Sie es plakatiert – müssen unter Umständen am Ende des Tages Antworten gefunden werden, die Sie momentan nicht in Ihren Lehrbüchern finden; im Übrigen finden auch wir die nicht in unseren Lehrbüchern, damit auch das klar ist.

(Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE):Aber wir in unseren!)

Daraufhin haben Herr Posch und Herr Weimar am Ende eines zweimaligen Nachfragens sehr deutlich gesagt: Wir schließen im Moment gar nichts aus, weil wir erst einmal abwarten, was auf den Tisch kommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe ausdrücklich gesagt: Die Position von Herrn Posch und Herrn Weimar ist klug, die tragen wir ausdrücklich mit.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Deswegen bin ich sehr verwundert, dass hier jetzt mein Redebeitrag, der ausdrücklich nach wie vor inhaltlich steht, so genommen wird, als würde ich über die Verstaatlichung von Opel reden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist doch völliger Unfug.

(Beifall bei der SPD)

Die Position der hessischen SPD und der Bundes-SPD ist es nach wie vor auch nicht, dass wir jetzt die öffentliche Beteiligung an Opel auf Biegen und Brechen wollen. Das ist nicht die Position.Vielmehr haben wir gesagt, wenn am Ende der nächsten 60 Tage – das ist die Frist, die jetzt seit zwei Tagen läuft – nur diese Option besteht, dann ist die uns lieber als mancher Finanzinvestor.

Lassen Sie mich damit meine abschließende Bemerkung machen. Hier den Eindruck erwecken zu wollen, die SPD vertrete die Position, jeder Aktionär, jeder Mensch, der Aktien besitzt, sei ein Spekulant, das ist völliger Unfug. Ich sage Ihnen: Ein bisschen mehr intellektuelles Niveau, gerade „in Zeiten wie diesen“,würde allen guttun.– Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 18/255.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen?

(Zuruf von der SPD: Oh, eine interessante Koali- tion!)