Ich komme zum zweiten Punkt. Das kann ich ganz kurz machen. Wir reden über viel Geld. Wir reden darüber, dass die Hochschulen erpresst wurden, einem Pakt zuzustimmen, dem sie nur zugestimmt haben, weil sie sonst dem Risiko ausgesetzt worden wären, noch weniger Geld zu bekommen. Bitte schön, wer erpresst, muss damit leben, dass man das Erpressung nennt. So einfach ist das.
Wir haben die doppelten Jahrgänge. Wir haben die Klagen aller Hochschulen. Wir haben die Grundfinanzierung nicht gesichert.
Wir reden hier nicht über die Zierleisten in den Hochschulen. Wir reden nicht über die kleinen Extras. Vielmehr reden wir darüber, dass die Grundfinanzierung in Hessen nicht gesichert wird.
Die Hochschulen rufen um Hilfe. Deswegen sage ich Ihnen sehr klar: Was Sie hier betreiben, hat nichts mit Autonomie zu tun. Denn Autonomie bedeutet: Wir stellen den Menschen und den Hochschulen Bedingungen zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, selbst zu entscheiden, wie sie gut arbeiten können.
Das, was Sie machen, ist organisierte Verantwortungslosigkeit. Ich denke, dazu sollten Sie endlich stehen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Herr Kollege Grumbach, ich nehme Bezug auf Ihre Äußerungen und auf den Sachstand zum Thema Verwendung des Wortes „Erpressung“. Ich glaube, wir hatten uns im letzten Ältestenrat darauf geeinigt, dass wir dieses Wort in der Debatte nicht mehr verwenden wollten. Ich rüge das hiermit.
Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Kollegin Wissler. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE. – Frau Wissler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kritik am Hochschulpakt und den darin enthaltenen Kürzungen reißt nicht ab. Nach den Präsidenten der Universitäten haben sich jetzt die Präsidenten der Fachhochschulen in einem Brief an die Landesregierung gewandt. Darin weisen sie auf die steigenden Steuereinnahmen des Landes hin und fordern die Rücknahme der Kürzungen.
Frau Kollegin Sorge hat es schon angesprochen. Die Präsidenten machen deutlich, dass die Einsparungen an den Hochschulen keinen Spielraum zur Verbesserung der Studienqualität lassen. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die steigende Zahl der Studierenden führt dazu – das haben
Das ist der Fall, obwohl die Landesregierung immer erklärt hat, dass sie die Bildung zum Schwerpunkt ihrer Politik machen möchte. Trotz Steuermehreinnahmen halten die Landesregierung und die Ministerin an der Kürzung fest. Sie leugnen damit die immer schwieriger werdende Lage an den Hochschulen. Damit demonstrieren sie auch ihre Ignoranz gegenüber der Wissenschaft in diesem Land.
In diesem Fall gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf. – Ich finde, die Kanzlerin hat in der Causa zu Guttenberg hinreichend deutlich gemacht, wie ernst sie die Wissenschaft nimmt bzw. wie ernst sie sie nicht nimmt.
Eine erschummelte Promotion wird als Lappalie abgetan, auch von hessischen Politikern. Ich finde, das lässt tief blicken.
Heute reden wir über die sogenannten QSL-Mittel. Dabei geht es um zweckgebundene Mittel für die Verbesserung der Qualität der Studienbedingungen und der Lehre. Diese Mittel wurden den Hochschulen als Kompensation für die abgeschafften Studiengebühren zur Verfügung gestellt.
2008 gab es im Landtag eine politische Mehrheit, die der Meinung war, dass der Zugang zur Hochschule ein Recht ist, das grundsätzlich allen Menschen zustehen muss. Die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen hat einen bundesweit bestehenden Trend umgekehrt. Mittlerweile haben auch das Saarland und Nordrhein-Westfalen die Studiengebühren abgeschafft. Das ist ein ganz wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit in der Bildung.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sarah Sorge und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Als Ausgleich für die entfallenen Studiengebühren erhalten die Hochschulen seitdem jährlich diese 92 Millio nen €. Diese QSL-Mittel sind vom Gesetz her zweckgebunden. Sie sollen zudem in einem Verfahren vergeben werden, das transparent sein soll. Die Vertreter der Studierenden sollen mitentscheiden können.
Die Ministerin hat die Kürzungen im Hochschulpakt seinerzeit auch damit gerechtfertigt, dass sie gesagt hat, ein Teil der Mittel würden als Rücklage angespart, anstatt sie in die Verbesserung der Lehre zu stecken. Leider ist die Ministerin damals den Beleg schuldig geblieben, dass diese Mittel wirklich in die Rücklage geflossen sind. Frau Ministerin, vielleicht können Sie heute in Ihrer Funktion als Rechtsaufsicht Ihre Erkenntnisse mitteilen. Welche Kenntnisse haben Sie über die Verwendung der QSLMittel?
Denn natürlich ist die Kontrolle der Verwendung der Mittel Aufgabe Ihres Ministeriums. Sie haben dafür zu sorgen, dass die Mittel nicht für andere Zwecke verwendet werden. Zu diesem Thema haben die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN den Antrag gestellt.
Die Meldungen über die Zweckentfremdung sind besorgniserregend. Man muss über dieses Symptom reden. Vor allem aber muss man über die Ursache reden. Das ist die sich verschärfende Unterfinanzierung der Hochschulen.
Dass die Hochschulen aufgrund der Kürzungen im Hochschulpakt die QSL-Mittel für den regulären Studienbetrieb und sogar für bauliche Investitionen einsetzen, ist Ausdruck der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen.
Das zwingt die Hochschulen geradezu, sich die Gelder für den laufenden Betrieb dort zu holen, wo sie gerade vorhanden sind.
Auch das will ich klar sagen: Die Verantwortlichen für diese Situation sitzen nicht in den Präsidien der Universitäten. Die Verantwortlichen sitzen hier auf der Regierungsbank. Frau Ministerin, Sie sind für diese Situation verantwortlich. Wir müssen also aufpassen, dass wir den Schwarzen Peter nicht den Hochschulen weiterleiten und es ihnen zuschreiben, falls die Ausbildungsqualität weiter sinkt.
Deshalb habe ich ein bisschen Schwierigkeiten mit der Gewichtung in dem Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Sie sagen zwar, die Hochschulen würden die QSL-Mittel nicht ohne Not zur Finanzierung der Grundkosten verwenden. Sie fordern die Ministerin auf, die Zweckentfremdung zu unterbinden. Ich denke aber, dass die Hochschulen vor allem zusätzliche Mittel und keine Ermahnungen brauchen.
Was nützt es, wenn die Hochschulen zusätzliche Tutorien schaffen, wenn sie den laufenden Betrieb nicht aufrecht erhalten können? Was sollen die Hochschulen in dieser Situation tun? Baufällige und dringend sanierungsbedürftige Gebäude sind auch nicht im Interesse der Studierenden. Die Hochschulen können die Heizung nicht abstellen oder Reparaturen verschleppen. Sie sind deshalb leider gezwungen, auf die QSL-Mittel zurückzugreifen, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.
Ich glaube, dass wir uns vom Inhalt her einig sind. Ich finde den Antrag aber ein bisschen unglücklich formuliert.
Mit dem Hochschulpakt wurde den Universitäten und Fachhochschulen ein Betrag von 30 Millionen € aus ihrer Grundfinanzierung genommen. Zudem wurden 20 Millionen € vom Grundbudget in das sogenannte Erfolgsbudget verlagert. Das wurde also – ich sage es einmal so – direkt in die Eliteförderung umgeschichtet. Diese 50 Millionen € fehlen den Hochschulen jetzt natürlich bei der Grundfinanzierung und damit eben auch bei der Bewältigung ihrer Aufgaben.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat ausgerechnet, dass der Hochschulpakt einen Abbau von 600 Stellen im Mittelbau und 800 Stellen in der Verwaltung zur Folge haben wird. Allein bei der Universität Frankfurt fallen durch den Hochschulpakt fast 10 Millionen € weg. Gleichzeitig wird der Anstieg der Studierenden auf 5.000 geschätzt.
Viele Hochschulen haben ihre Kapazitätsgrenzen bereits heute überschritten. Schon jetzt platzen viele Hochschulen aus allen Nähten. Die G-8-Jahrgänge kommen aber erst noch. Die Aussetzung der Wehrpflicht wird noch mehr Studierende nach sich ziehen. Die Frage lautet: Wie sollen die Hochschulen ihre Aufgaben angesichts dieser wachsenden Studierendenzahlen überhaupt bewerkstelligen?
Dann haben wir noch die anstehenden Tarifverhandlungen. Über die haben wir heute Morgen schon länger gesprochen. Ein Tarifabschluss wird die Hochschulen vor wachsende Probleme stellen. Denn sie müssen die Tariferhöhungen zum großen Teil selbst tragen. Auch dieses Geld muss irgendwo herkommen.
Die Hochschulpräsidenten können sich dann eigentlich nur noch entscheiden, welcher ihrer Pflichten und welcher ihrer Aufgaben sie nicht nachkommen. Wir haben es also mit einem zu kurzen Tischtuch zu tun. Ich glaube, es hilft wenig, von allen Seiten daran zu ziehen. Vielmehr müssen wir darüber reden, dass eine sinkende Grundfinanzierung bei steigenden Studierendenzahlen einfach völlig unverantwortlich ist.
Das ist auch deshalb unverantwortlich, weil sie gleichzeitig einer privaten Universität, nämlich der EBS, 60 Millionen € an Steuermitteln in den Rachen werfen. Das ist das Geld, das den staatlichen Hochschulen innerhalb von zwei Jahren weggenommen wird. Man kann es nicht oft genug sagen: Allein 15 Millionen € ist Ihnen dabei die Tiefgarage der EBS wert.
Da gibt es ein Problem: Auf der einen Seite wird die Elite gefördert, auf der anderen Seite wird gekürzt. Das ist Ihre Politik. Die kann nicht hingenommen werden.
Frau Ministerin, deswegen fordern wir Sie erneut auf, nehmen Sie den Hochschulpakt zurück, nehmen Sie die Kürzungen zurück. Herr Reißer, Sie wissen genau, dass die Hochschulen den Pakt nicht freiwillig unterschrieben haben. Sie haben ihn unter größtem Druck unterschrieben, so will ich es einmal formulieren. Es war keine freiwillige Unterschrift. Die Hochschulen werden weitere Zulassungsbeschränkungen einführen müssen. Wir werden in einigen Jahren hier wieder die Debatte haben zur Wiedereinführung von Studiengebühren. Sie werden das dann als die einzige Möglichkeit überhaupt hinstellen, die Hochschulen noch zu finanzieren.
Die Leitragenden einer solchen Politik sind die Studierenden, die Hochschulen, aber auch eine ganze Generation von jungen Menschen, die keine Chance mehr haben wird, an einer guten Hochschule ein unentgeltliches Studium aufnehmen zu können. Meine Damen und Herren, Sie beschneiden im Namen der sogenannten Schuldenbremse die Bildungschancen der kommenden Generation. Die Einschnitte in der Bildung sind ein Vorbote der Schuldenbremse. Die LINKE hat bereits in der Föderalismuskommission immer wieder darauf hingewiesen, dass Schuldenbremse und Erhöhung der Bildungsausgaben in einem Widerspruch zueinanderstehen und nicht miteinander vereinbar sind.
Wenn CDU und FDP behaupten, in der Bildung werde nicht gespart, dann ist das einfach die Unwahrheit. Im Haushalt 2011 steht klipp und klar: 75 Millionen € weniger für die Bildung, für Schulen und für Hochschulen.
Leider haben sich vier Fraktionen in diesem Haus darauf geeinigt, eine Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung verankern zu wollen.
In der derzeitigen Haushaltslage bedeutet die Schuldenbremse nichts anderes als fortgesetzter Sozial- und Bildungsabbau. Meine Damen und Herren, Sie liefern der Landesregierung leider ein Argument, um an der Bildung
zu sparen. Die GRÜNEN sehen das mittlerweile auch so. In einer Pressemitteilung warnt Herr Wagner die Kultusministerin davor, die Schuldenbremse als Vorwand für Kürzungen in der Bildung zu missbrauchen.