Protocol of the Session on February 22, 2011

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dass ausgerechnet Sie jetzt glauben, mit zusätzlicher Bürokratie erfolgreich Wahlkampf führen zu können, ist schon eine bemerkenswerte Stilblüte. Aber: Trost ist noch möglich. Noch hat die Mehrheit in diesem Hause die Chance, ihren Irrweg zu verlassen und aus dem Entwurf ein vernünftiges Gesetz zu machen. Morgen, bei der Anhörung und danach bei der Beratung in den Ausschüssen, werden wir das erleben. Wir sind sehr gespannt, ob Sie über Nacht einmal nachrechnen, was Sie eigentlich für einen Blödsinn vorhaben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schlaglöcher und Straßenschäden sind in der Tat ein ernst zu nehmendes Problem: Aufgerissene Reifen, kaputte Felgen und gebrochene Achsen gefährden die Verkehrssicherheit und sind für die Autofahrer teuer. Gerade bei den Motorradfahrern und den Radfahrern besteht zudem ein erhöhtes Sturzrisiko. Die „Frankfurter Rundschau“ schreibt – ich darf zitieren –:

Bei der Fahrt zur Arbeit kommen sich manche Berufspendler fast wie Rallye-Fahrer vor. Durchgerüttelt von Schlaglöchern, wähnen sie sich eher auf der Rallye Monte Carlo als auf ihrer Hausstrecke im wegetechnisch erschlossenen Europa. Denn der Zustand insbesondere kommunaler Straßen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert, klagen die Autoclubs. Und der harte Winter hat mancher Straße den Rest gegeben.

Diese Zeilen stammen vom 12. Februar 2010; sie sind also mehr als ein Jahr alt. Bereits vor einem Jahr hat ein hessischer Radiosender in Frankfurt ein Schlaglochminigolf veranstaltet, um auf den Zustand der Straßen aufmerksam zu machen.

Das zeigt, dass das Problem alles andere als neu ist. Neu ist nur der Aktionismus der Landesregierung in dieser Frage.

(Beifall bei der LINKEN)

Fast ein Sechstel der Gemeindestraßen ist dringend sanierungsbedürftig. Nach Schätzungen des ACE müssten die Gemeinden zur Beseitigung der Schäden bundesweit mehr als 25 Milliarden € aufwenden; denn die Straßen

tragen nach wie vor die Hauptlast des Güter- und des Personenverkehrs, und die Landesregierung unternimmt nichts, um das in irgendeiner Form zu ändern.

Die Schäden dieses Winters mögen massiv gewesen sein; aber sie sind nicht einmalig. Straßen sind schadensanfällig und müssen in regelmäßigen Abständen ausgebessert werden. Das ist keine Besonderheit des diesjährigen Winters, sondern ein allgemeines Phänomen.

Die Beseitigung der Straßenschäden im Winter 2009/2010 kostete die Kommunen geschätzte 150 bis 200 Millionen €. Hilfen vom Land gab es damals nicht. Aber letztes Jahr haben in Hessen auch keine Wahlen stattgefunden.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist in diesem Jahr anders, und deshalb hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Schlaglöcher für sich entdeckt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Jetzt soll innerhalb von drei Tagen ein Gesetzentwurf durch die Beratungen gebracht werden, der Ausgaben in Höhe von 100 Millionen € umfasst, ohne dass es eine ernsthafte Anhörung gibt und ohne dass sich das Parlament ernsthaft damit befassen kann. Auf einmal hat es der Herr Ministerpräsident sehr eilig. Er begründet es damit, dass sich die Kosten für die Reparaturen sonst aufsummieren würden und dass die Sicherheit auf der Straße gefährdet sei.

Der Herr Ministerpräsident sieht offensichtlich auch einige Sitze der CDU in Kreistagen und in Stadtparlamenten akut gefährdet. Herr Caspar, ich glaube, das meinten Sie, als Sie davon sprachen, dass Not am Mann sei.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Koalition zeigt, wie man Wahlwerbung mit Geld machen kann, das einem gar nicht gehört. Mit der Geste des großzügigen Spenders wollen Sie den Kommunen Mittel zuweisen, die ihnen ohnehin zustehen. Das Geschenk, für das Sie sich hier feiern lassen, wird größtenteils von den Kommunen selbst bezahlt: mit Geld, das ihnen zusteht und das ihnen im nächsten Jahr fehlen wird. Dieses Vorgehen finde ich sehr dreist. Deshalb ist der Städte- und Gemeindebund von Ihrem Sonderprogramm ebenfalls nicht sehr begeistert.

Nun werden diese Mittel auch noch zweckgebunden zur Beseitigung von Winterschäden ausgezahlt. Zudem werden sie völlig ungerecht verteilt – der Kollege Kaufmann hat schon darauf hingewiesen –; denn die finanzielle Situation der Kommunen wird überhaupt nicht berücksichtigt.

Wir kennen dieses Muster aus dem Konjunkturprogramm. Auch da wurden notwendige Investitionen vorgezogen. Sie haben dann ein nur kurze Zeit dauerndes Feuerwerk veranstaltet, und im nächsten Jahr hat das Geld gefehlt. Das ist Ihr Verständnis von generationengerechter, nachhaltiger Haushaltsführung.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Da ist aber ein Unterschied!)

Gleichzeitig reisen Sie durch die Lande und erzählen, dass man nicht mehr ausgeben kann, als man darf, und dass man die Zukunft nicht beleihen darf. Das ist nicht nur unglaubwürdig, sondern vor allem auch unseriös.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich frage Sie: Was machen Sie denn im nächsten Jahr, wenn es wieder schneit und friert und neue Schäden entstehen? Nehmen Sie dann den Kommunen das Geld für das Jahr 2013 weg, oder wie wollen Sie das regeln?

Deshalb sage ich: Ihr Programm ist eine Mogelpackung, mit der Sie auf Kosten der Steuerzahler und der Kommunen vor der Kommunalwahl auf Stimmenfang gehen wollen. Sie beschließen einmal wieder nach Gutsherrenart ein Sonderprogramm, das nicht von Dauer ist, d. h. keine Planungs- und keine Finanzierungssicherheit schafft, und dafür erwarten Sie jetzt Dankbarkeit.

Aber, meine Damen und Herren, der schlechte Zustand vieler Straßen ist natürlich eine Folge der Finanzausstattung der Kommunen. Die Kommunen stehen nämlich, wenn das Geld nicht reicht, letztlich vor der Entscheidung, ob sie die Gemeindestraßen teeren oder die Kitas fördern sollen. Wir haben in Deutschland – auch in Hessen – einen erheblichen Nachholbedarf bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, vor allem in den Kommunen. Sie verschärfen das gerade durch die Streichung von 344 Millionen € aus dem Kommunalen Finanzausgleich.

Aber eine grundsätzlich bessere Ausstattung der Kommunen ist möglich, und vor allem, Herr Minister, sollten die Kommunen doch selbst entscheiden können, wofür sie Geld ausgeben. So aber greifen Sie wieder in die kommunale Selbstverwaltung ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, geben Sie den Kommunen deshalb die 344 Millionen € zurück, statt ein solches Schaufensterprogramm aufzulegen. Die Kommunen brauchen mehr Geld und nicht die frisierten Kaninchen, die Sie in Wahlkampfzeiten aus dem Hut zaubern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Qualität der öffentlichen Straßen ist ein Symptom für die allgemeine Finanznot der Kommunen. Der Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebunds warnt, dass die kommunale Demokratie zunehmend in Gefahr gerate, wenn die Menschen nur noch mit Schlaglöchern, höheren Gebühren und eingeschränkten freiwilligen Leistungen in Kontakt kämen. Recht hat er: Die Demokratie braucht handlungsfähige Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein tibetisches Sprichwort lautet: Wenn du in einem Loch sitzt, muss du zuerst mit dem Graben aufhören. – Das gilt für Schlaglöcher, vor allem aber auch für Haushaltslöcher.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, Sie aber graben eifrig weiter. Sie reduzieren die Einnahmen immer mehr. Mit jeder weiteren Steuersenkung, ob für Hoteliers oder für Besserverdienende, beschneiden Sie den Spielraum der Kommunen. Sie schnüren den Kommunen und der öffentlichen Hand immer weiter die Luft ab. Es kam auch nicht von ungefähr, dass im letzten Jahr Bürgermeister hessischer Gemeinden vor dem Landtag demonstriert haben; denn sie hielten das für die einzige Möglichkeit, sich bei der Landesregierung Gehör zu verschaffen.

Wenn den Kommunen ein vernünftiges Haushalten möglich sein soll und sie auch im Verkehrssektor der Erfüllung

ihrer Aufgaben nachkommen sollen, müssen wir auch über höhere Steuereinnahmen reden. Aber Sie deckeln die Ausgaben noch durch die Einführung der sogenannten Schuldenbremse. Die Schuldenbremse wird nicht wirklich eingehalten werden; wir sehen das jetzt schon. Das Geld wird eben einfach – in dem gegenwärtigen Haushalt ist das nicht darzustellen – auf anderen Wegen beschafft; es wird sozusagen die Zukunft beliehen. Mit Generationengerechtigkeit hat das nichts zu tun. Die Erfüllung der kommunalen Aufgaben kann unter den derzeitigen Haushaltsbedingungen kaum finanziert werden, schon gar nicht, wenn die Neuverschuldung auf null gesetzt werden soll.

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen eine Rücknahme der Steuersenkungen der vergangenen Jahre. Hohe Einkommen müssen wieder angemessen an der Finanzierung beteiligt werden; denn es geht einfach nicht an, dass die Menschen, die mit den dicksten Autos auf den öffentlichen Straßen fahren, kaum einen Beitrag zu deren Finanzierung leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Solange wir das nicht geändert haben, muss es möglich sein, Kredite aufzunehmen, um notwendige Investitionen zu finanzieren. Deshalb ist es völlig verfehlt, jetzt eine Verfassungsänderung mit dem Ziel der Einführung einer Schuldenbremse zu beschließen; denn das macht die Kommunen und das Land noch handlungsunfähiger, als sie es ohnehin schon sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Rentsch, Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein guter Tag für alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Nachdem die Menschen den harten Winter hinter sich gelassen haben und, wie man gestern sehen konnte und auch heute sehen kann, das Wetter mittlerweile besser wird, werden auch die Straßen in Hessen wieder in einem besseren Zustand sein. Wenn das kein guter Tag ist, wann dann?

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das liegt an Westerwelle!)

Lieber Kollege Schmitt, ich weiß nicht, wie das Wetter in Biblis war. Bei Ihnen scheint es wärmer gewesen zu sein. Woran das liegt, will ich gar nicht thematisieren.

(Heiterkeit bei der FDP)