Protocol of the Session on February 3, 2011

Ich glaube, da werden Sie sich noch einmal entscheiden müssen, was Sie wollen. In unserem System ist doch der entscheidende Punkt: Sind wir in der Lage, unsere Leistungsreserven auszuschöpfen? Sind wir in der Lage, Frauen, junge Männer, junge Migrantinnen und junge Migranten in die Lage zu versetzen, an den Hochschulen zu studieren?

Der limitierende Faktor dafür ist bekannt. Untersuchungen der Studierendenwerke zeigen deutlich, dass die Frage, ob der Lebensunterhalt aufgebracht werden kann, der entscheidende Punkt ist, ob jemand studiert oder nicht.

Beim BAföG gibt es einen Rechtsanspruch. Das ist doch ein Unterschied. Bevor Sie ein Studium aufnehmen, wissen Sie, ob Sie in der Lage sein werden, das Studium zu finanzieren.

Das Stipendienprogramm verlangt, dass die Hochschule sie schon angenommen hat oder dass sie immatrikuliert sind. Das heißt, Sie muten den Leuten, die nicht wissen, ob sie das Studium bezahlen können, das Risiko zu. Wenn sie dann kein Stipendium bekommen, was sollen sie denn machen? – Das ist doch die spannende Frage. Das ist der Zynismus der Leute, die nur auf ihre eigenen Kinder schauen und nicht auf die Kinder, die es dringend nötig hätten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich finde es auch ganz spannend, über die Größenordnung zu reden. Heute Morgen haben wir darüber geredet, dass 30 Millionen € eigentlich ein Betrag sind, der angesichts der schwierigen Haushaltssituation im Landeshaushalt nicht mehr zu realisieren ist. Statt darüber zu debattieren, wie die Hochschulen besser ausgestattet werden können, statt darüber zu debattieren, wie man den Bund dazu bringen kann, sich wieder an der Förderung der Hochschulen in höherem Maße zu beteiligen, statt darüber zu reden, dass es um gute Ausbildungsbedingungen geht, reden wir darüber, dass wir ein paar Tausend jungen Männern und Frauen, von denen es zwei Drittel gar nicht nötig haben, einfach mehr Geld geben wollen.

Nein, wir müssen unser Geld, unsere knappen Haushaltsmittel, sinnvoll einsetzen. Das heißt, es muss mehr Geld an die Hochschulen gehen und mehr Geld ins BAföG gesteckt werden, aber weniger Geld in Stipendienprogramme. Ich glaube, das ist ganz einfach die schlichte Konsequenz.

(Beifall der Abg. Norbert Schmitt, Dr. Judith Pauly- Bender (SPD) und van Ooyen (DIE LINKE))

Lassen Sie mich das in wenigen Sätzen zusammenfassen. Man kann sich entscheiden. Wenn man Klientelpartei ist, kümmert man sich um die eigenen Kinder; oder man trägt für die Gesellschaft Verantwortung, dann kümmert man sich um alle. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Position und der Position derjenigen, die das BAföG ausbauen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Grumbach, vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Sürmann gemeldet.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Jetzt kommt Stimmung!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat mich die Bemerkung von Herrn Grumbach, dass es grundsätzlich verkehrt ist, Eliten bzw. Begabte zu fördern, hier noch einmal ans Podium gerufen.

(Florian Rentsch (FDP): Er hat auch an sich gedacht!)

Ich will noch einmal mit einem Zitat eines anderen beginnen, nicht von Herrn Jefferson, sondern ich zitiere zunächst einmal:

Ich weiß, das Wort Elite ist ein politisch belasteter Ausdruck. Gleichwohl sind Sie, meine Damen und Herren Wissenschaftler, eine Elite. Eliten tragen eine besondere Verantwortung gegenüber der Menschheit.

Und sie müssen entsprechend gefördert werden. Dieses Zitat stammt vom 17.01.2011, von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, den ich immer wieder gern zitiere, weil er an dieser Stelle meistens recht hat.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie wissen auch, dass „Die Zeit“ ein Stipendium herausgebracht hat, d. h. Helmut-Schmidt-Stipendium, wo besonders Begabte unabhängig vom Einkommen gefördert werden. Wir sind eigentlich stolz darauf, eine Partei zu sein, die die Leistungsbereiten als Klientel entdeckt hat. Ich glaube, dabei wird es auch bleiben. Wir sollten auch einmal betonen, dass das sinnvoll ist.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Grumbach, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Darauf gibt es eine ganz simple Antwort: Wer sich selber erzählen muss, er sei Elite, ist keine.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Als Nächster spricht Herr Reißer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir halten das nationale Stipendienprogramm für eine erste großartige Sache, und zwar ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag zur Nachwuchsförderung. Das stellt auch Chancen für Hessen dar.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf dem Weg zum Oberbürgermeister!)

Herr Kollege, das beschäftigt Sie unwahrscheinlich. Irgendwie haben Sie ein Problem damit. Jedes Mal, wenn ich an das Pult gehe, haben Sie ein Problem.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, Sie haben eher ein Problem mit Ihrer Haltung zur Hochschule!)

Ich habe überhaupt kein Problem damit. Mir geht es ganz hervorragend.

Es geht um die Förderung von jungen Talenten, die in unserem globalen Wettbewerb ganz wichtig ist. Es geht um kreative Köpfe, gerade wenn Sie hören, dass allerorts die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer den Fachkräftemangel immer wieder anmahnen. Es ist auch ein großes Interesse der Industrie, diesen Bereich zu bedenken, weil sie diese Probleme in der Zukunft sieht.

Deswegen habe ich überhaupt keine Probleme damit. Aber es kann kein Zwang sein. Es muss immer eine Motivation sein, das freiwillig zu machen. Herr Kollege, dann ist es ein größerer Erfolg. Zwang hilft nie an der Stelle. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir Menschen mit herausragenden Fähigkeiten mit allen Kräften unterstützen müssen. Ich glaube, das ist für die Zukunft unseres Landes wichtig, um unseren hohen Standard in unserem Land behalten und ausbauen zu können. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Programm einen ersten Schritt darstellen soll.

Das Programm hat jetzt zur Folge, dass 10.000 Studierende gefördert werden. Mittelfristig ist weiterhin geplant, dass es 160.000 sind. Das wären dann 8 %. Dieses Ziel soll nicht aufgegeben werden. Neben den anderen Stipendien, die es im klassischen Förderbereich gibt, sind es noch einmal 23.000 Studierende.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gibt es auch OB-Stipendien?)

Die Fördersätze sollen jeweils von der Bundesregierung und von privaten Geldern getragen werden. Das, was ich eben schon erwähnt habe, ist neben großen Unternehmen, Stiftungen, Personal, Klein- und mittelständischen Betrieben ein Beitrag für die junge Generation; und das halte ich für richtig und die CDU-Fraktion auch.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sollten alle staatlichen und nicht staatlich anerkannten Hochschulen zur Teilnahme ermutigen. Gleichzeitig müssen wir den Hochschulen dabei helfen, Partner der Wirtschaft und private Geldgeber zu finden. Der staatliche Betrag soll die Studierenden mit 300 € fördern. Das ist ganz hervorragend und auch sozial ausgewogen. Ich komme gleich zu den Anträgen, die Sie gestellt haben.

Das wird unabhängig von den Einkommen der Eltern und dem Einkommen des Studenten gewährt. Es wird nicht das BAföG angerechnet. Die drei Säulen sind das BAföG, das Stipendiumprogramm und die Bildungsdarlehen. Diese drei Säulen ergänzen sich hervorragend und stehen in einem guten Harmonieverhältnis, das die Studenten in dieser Weise unterstützt. Dieses Programm geht einen neuen Weg. Den brauchen wir in unserer Gesellschaft, um begabte Jugendliche, egal, von welcher Herkunft und aus welcher gesellschaftlichen Schicht sie kommen, zu fördern.

Jetzt kommen wir einmal dazu, wer gefördert wird. Von den Kollegen ist gesagt worden, nur aus reichen Familien und diese ganzen Dinge. Das bringen Sie gebetsmühlenartig jedes Mal wieder. Jetzt lese ich Ihnen mit Erlaubnis des Präsidenten genau vor, was die Bedingungen sind, die dort drinstehen. Es werden Studenten aller Nationalitäten gefördert.

Zu den Förderkriterien zählen neben besonderen Erfolgen an Schule und/oder Universität auch das gesellschaftliche Engagement z. B. in Vereinen oder in der Hochschulpolitik

Frau Kollegin, Hochschulpolitik, wenn Sie beim RCDS Mitglied gewesen wären, hätten Sie auch Chancen –

... sowie der Einsatz im sozialen Umfeld, in der Familie oder in einer sozialen Einrichtung. Berücksichtigt wird auch die Überwindung besonderer biografischer Hürden, die sich aus der familiären oder kulturellen Herkunft ergeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Alles das, was darin steht, betrifft besonders sozial Bedürftige. Da liegt der Schwerpunkt und nicht bei dem, was Sie uns den ganzen Morgen hier versuchen zu erklären. Deswegen ist es sozial gerecht. Deswegen müsste es eigentlich unter dem Gesichtspunkt auch ein Lob geben, dass man diesen Punkt besonders hineingeschrieben hat. Deswegen geht Ihre Kritik völlig fehl.

Es hat kein Sinn, diese Gleichmacherei immer wieder einzufordern. Es hilft nur, dass wir versuchen, die unterschiedlichen Qualifikationen von jungen Menschen unterschiedlich zu fördern und so, dass es an dieser Stelle auch den Erfolg garantiert. Wir sollten die soziale Herkunft im Auge behalten. Es ist wichtig, dass wir den jungen Leuten aus allen Gesellschaftsschichten die Chance geben, dort Erfolg zu haben.

Herr Reißer, gestatten Sie eine Zwischenfrage, oder grundsätzlich nicht?

Grundsätzlich nicht – im Moment jedenfalls.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist wichtig, dass wir das weiter fördern. Es gilt aber auch, dass das erst ein Anfang sein kann. Wenn man den Vergleich zu anderen Nationen sieht, die Stipendien haben, wie z. B. die USA, dann ist dies noch ein Nachholbedarf, den wir haben. Ich glaube, das wird sich lohnen. Das ist ein erster Schritt, ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden diesen Weg weiter konsequent gehen, und ich glaube, das zum Wohle unserer Studenten und der Ausbildung in unserem Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr, Herr Kollege Reißer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg will ich nur sagen: Wir haben ein System, bei dem jeder junge Mensch in Deutschland studieren kann, weil unser BAföG-System nämlich so gut ist, dass das gelingen kann. Darauf kann man stolz sein.