Protocol of the Session on December 16, 2010

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, es sollte die Mühe wert sein, zu schauen, ob wir es nicht hinbekommen, als Parlament in einer so wichtigen Frage – nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch standortpolitisch – einen gemeinsamen Antrag in Richtung Berlin zu senden. Das müsste eigentlich Aufgabe unseres Hauses sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Sicherheitsstrukturen und die Frage von Zusammenarbeit und Zusammenlegung des BKA und der Bundespolizei angeht, bin ich immer noch der Meinung, die unser Fraktionsvorsitzender im Jahr 2004 hier vorgetragen hat. Er sagte damals:

Wir haben die Situation, dass es auch in Berlin Menschen gibt – der Bundesinnenminister ist für mich ebenfalls einer dieser Menschen –, die die Vorstellung haben, alle Sicherheitsbehörden nicht nur an einem Ort zu konzentrieren, sondern auch zusammenzuführen. Dazu sagen wir aus wohlerwogenen inhaltlichen Erwägungen: Nein, das wollen wir nicht.

Auch in dieser Frage bleiben wir uns also treu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Unter dem Strich möchte ich anregen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir beide Anträge an den Innenausschuss des Hessischen Landtags überweisen, dass wir Innenpolitiker uns gemeinsam Gedanken darüber machen, ob wir eine gemeinsame Depesche in Richtung Berlin schicken, die heißen muss: Wir wollen, dass das BKA in Wiesbaden bleibt. – Wir setzen uns für hessische Belange ein. Wir wollen nicht, dass BKA und Bundespolizei zusammengelegt werden, wie es in einigen Köpfen herumgeistert. Da kann ich nur den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei zitieren – vielleicht hört da der Kollege von der Linkspartei wieder zu –, der wie folgt zitiert wird: „Das sind für mich Organisationsstrukturen, die halte ich nicht für effizient und effektiv“, sagte Witthaut.

Sie müssten zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Er spricht hier von einer Behörde mit über 80.000 Bediensteten. Ich glaube, dass eine solche Behörde nicht effizient – im Sinne von Sicherheit – organisiert werden kann. Wir müssen zwar immer darüber nachdenken, ob die Strukturen unter Umständen organisatorisch nachjustiert werden müssen, im Grunde haben wir in Deutschland aber gute Sicherheitsstrukturen. Wir sollten gemeinsam dafür kämpfen, dass das BKA in Wiesbaden bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt hat sich Herr Bauer für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorschlag, den Sie mit unnötiger Aufgeregtheit hier unterbreitet haben, war eigentlich der einzige sinnvolle in Ihrer Rede: dass man das Thema im Innenausschuss bespricht und versucht, eine gemeinsame Position zu erarbeiten. In der Sache sind wir uns eigentlich einig. Ich muss aber noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass

ich diese Aufgeregtheit nur zum Teil nachvollziehen kann. Anscheinend steckt in Ihnen noch überschüssige Energie zu fortgeschrittener Tagungsstunde.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Der im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellte Kommissionsbericht zur Evaluierung der Sicherheitsbehörden beinhaltet eine ganze Reihe unterschiedlicher Vorschläge. Es geht darin um die Neuordnung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Dabei kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Ich bezweifle aber sehr, dass Sie angesichts der Kurzfristigkeit dieser Thematik alle Vorschläge bereits kennen und ausführlich gewürdigt haben. Man muss sich darüber klar sein, dass es sich um einen Evaluationsbericht handelt. Es geht darum – darauf legt auch das Bundesinnenministerium Wert –, etwas zu überprüfen. Es geht um Fortentwicklung, nicht um Auflösung. Das ist der entscheidende Unterschied. Deshalb kann man das in aller Ruhe zu passender Gelegenheit überlegen und diskutieren,

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

denn das vorliegende Ergebnis der Kommission ist doch kein Gesetzentwurf. Das wird doch nicht morgen im Gesetzblatt veröffentlicht und dann umgesetzt. Es bleibt genügend Zeit, zu diskutieren.

Die SPD glaubt womöglich, wieder eine Chance entdeckt zu haben, die Alarmglocke zu läuten und den Abzug des BKA aus Wiesbaden herbeizureden. Das ist aber nicht der Fall. Es sei Ihnen unbenommen, dass Sie versuchen, hier im Hessischen Landtag Politik gegen den Bundesinnenminister zu machen. Das ist aber leicht durchschaubar. Hier voreilig eine unweihnachtliche Unruhe zu stiften, trägt nicht dazu bei, über mögliche sinnvolle Reformvorschläge im Ausschuss ernsthaft und konzentriert nachzudenken. Dazu muss man zunächst einmal die Dinge sorgfältig lesen. Ich frage nicht nach, wer das in Ihrer Fraktion mit der nötigen Gründlichkeit schon getan hat.

Ich kann die Aufgeregtheit zum Teil nachvollziehen, denn – Herr Rudolph hat das angedeutet – es gab ja schon einmal einen Innenminister, der das BKA aus Wiesbaden holen wollte. Herr Rudolph hat gesagt, dass es Genosse Otto Schily war. Wenn Sie das einem Genossen zugetraut haben, können Sie das natürlich auch anderen zutrauen. Dafür habe ich Verständnis. Es waren aber Roland Koch und andere, die sich dafür stark gemacht haben, dass dieser sozialdemokratische Umzugsplan niemals Realität wurde. Das wird nach wie vor die Position der CDU sein und bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei dieser Vorgeschichte – Sie haben auf die Vergangenheit verwiesen – ist es doch selbstverständlich, dass wir uns, sollte der Wiesbadener BKA-Standort bedroht sein, erneut für seinen Erhalt einsetzen werden. Das haben wir in unseren Antrag hineingeschrieben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Na ja!)

Darum sollte es heute Abend im Grunde auch gehen. Dass die Länder in eine Diskussion über die neue Sicherheitsarchitektur einbezogen werden müssen, ist doch ebenfalls selbstverständlich. Ihre Interessen werden nicht unberücksichtigt bleiben.

Wer den Bericht genau liest – ich habe ihn nur überfliegen können –, stellt fest, dass dort deutlich darauf hingewiesen wird; denn die Kommission spricht ausdrücklich von einem „sehr sensiblen Bund-Länder-Verhältnis“ und verweist auch auf die Rechtslage, nach der die Länder die Verantwortung für die Aufgaben und Angelegenheiten der Polizei tragen. Auf dieses Erfordernis verweist auch unser Antrag.

Deshalb kann ich nur in aller Ruhe und Gelassenheit dazu raten: Lesen Sie zu Weihnachten den Kommissionsbericht oder auch ein gutes Buch. Warten Sie die Entwicklungen mit etwas mehr Gelassenheit ab, und seien Sie gewiss, dass wir uns auch in Zukunft dafür einsetzen werden, dass der bewährte Standort und die bewährte Arbeit des Bundeskriminalamts nicht infrage gestellt werden. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schaus, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ärgere mich ein wenig über die Diskussion,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

und zwar deshalb, weil zunächst mitgeteilt wurde – das finde ich auch richtig –, es solle eine vertiefende Diskussion im Innenausschuss stattfinden. Meiner Ansicht nach muss sie dort auch stattfinden. Jetzt wird aber im Schnelldurchgang auf eine sofortige Abstimmung abgezielt – wobei Sie von den Koalitionsfraktionen einen Entschließungsantrag eingebracht haben, während die SPD einen Antrag gestellt hat. Sie müssen also vorsichtig sein, wenn es darum geht, auf der einen Seite zu klatschen und auf der anderen Seite bedröppelt dreinzuschauen. Aber sei es, wie es ist.

Ich bin auch ärgerlich, weil dies eine ganz verkürzte Debatte über den Standort des BKA ist. Das ist aber nicht das ganze Thema; das ist nur ein ganz kleiner Teil des Themas. Das Thema ist, dass der Bundesinnenminister den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Werthebach, beauftragt hat, in einer Kommission zu überprüfen

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was war der bitte?)

Herr Frömmrich, hören Sie doch einmal zu, warten Sie es ab; können Sie nicht zuhören? –, wie die drei unabhängigen Bundespolizeibehörden im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung besser organisiert werden können.

(Unruhe)

Sie werden langsam nervös, das ist mir klar.

Herr Schaus, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, Herr Präsident. – Dass die Mitarbeiter des BKA bei der Berichterstattung in Schockstarre verfallen, kann ich nachvollziehen. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass sie nicht darin verharren; denn dann hätten wir alle ein Problem. Das war nämlich die Aussage der Vertreterin der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Ich frage mich in dem Zusammenhang: Was für ein Ergebnis hätte denn eine Kommission erzielt, die einen anderen Schwerpunkt gehabt hätte, z. B. die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung oder die Einhaltung der Regelungen bezüglich der sowieso schon spärlichen Mindestlöhne? Sie wäre wahrscheinlich zu dem Ergebnis gekommen, dass man nicht das BKA und die Bundespolizei – ehemals Bundesgrenzschutz – zusammenlegen solle, sondern sinnvollerweise die Bundespolizei und den Zoll. Dann könnte man an dieser Stelle effektiver arbeiten.

Der Bundesinnenminister will die Bekämpfung der Kriminalität in Fällen von besonderer Bedeutung künftig generell dem BKA übertragen. Das ist das Ziel der Untersuchung. Ich habe hier eine Pressemeldung der Agentur „dapd“ von heute vorliegen. Dort wird der niedersächsische Innenminister Schünemann unter der Überschrift „Schünemann hält geplante neue Bundespolizei für verfassungswidrig“ zitiert:

Die geplante Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei verstößt nach Auffassung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) gegen das Grundgesetz. „Ich halte die Zusammenlegung für verfassungswidrig“, sagte der CDU-Politiker am Mittwochabend in Hannover.

Es heißt des Weiteren, er habe die Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen und komme zu dem Ergebnis:

Das BKA werde im Grundgesetz als Bundeskriminalpolizeiamt und als Zentralstelle für Kriminalpolizei und polizeiliches Auskunfts- und Nachrichtenwesen bezeichnet und damit als Zentralbehörde ohne eigenen Unterbau definiert, heißt es in der Expertise weiter.

Deshalb sei nach Art. 73 des Grundgesetzes hier eine Überschreitung bzw. – das ist jetzt meine Interpretation – eine Veränderung vorgenommen worden. An anderer Stelle erklärt er, alle Innenminister seien der Meinung, dass es so nicht geht.

Deshalb ist Ihre Diskussion verkürzt. Ich finde, wenn der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und der amtierende Bundesinnenminister offensichtlich verfassungswidrige Vereinbarungen treffen oder verfassungswidrige Ziele verfolgen, ist es notwendig, darauf hinzuweisen. Erlauben Sie mir dann auch, dass ich das mache.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen.

(Peter Beuth (CDU): Bravo!)

Wir alle sollten die Verfassung schützen. Deshalb fände ich es besser, wenn wir nicht nur eine auf das Thema Standort verkürzte Diskussion führten – die auch wir LINKE grundsätzlich unterstützen, keine Frage –, sondern wenn wir auch über den Gesamtzusammenhang dieser Reform sprechen würden. Auch wenn ich manchmal Zweifel daran habe, so ist doch die Polizei nach wie vor Ländersache, und das soll sie auch bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort – ich wage nicht zu sagen: das letzte Wort – hat der Herr Innenminister. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann sehr gut verstehen, dass man sich im Zusammenhang mit einer solchen Debatte Sorgen macht. Ganz besonders gut kann ich nachvollziehen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere auch deren Familien Gedanken über ihre Zukunft machen, wenn über die Struktur und über die Organisation „ihrer“ Behörde diskutiert wird.