Protocol of the Session on December 16, 2010

Der damalige Innenminister Bouffier und heutige Ministerpräsident hat in der Landtagssitzung am 29. Januar 2004 zu Recht gesagt: „Die Entscheidung des Bundesinnenministers Schily, die Spitze des Bundeskriminalamts nach Berlin zu verlegen, ist sachlich nicht begründet und sicherheitspolitisch falsch.“ Er hat weiter ausgeführt, wir stünden vor großen Herausforderungen in der Terrorismusbekämpfung. Daran hat sich nichts geändert. Es ist möglicherweise sogar eher noch schwieriger geworden. Deswegen braucht das Bundeskriminalamt jedenfalls keine Diskussion über die innere Organisation. Wir brauchen effizient arbeitende Behörden der Gefahrenabwehr, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus. Meine Damen und Herren, deswegen ist das, was Herr de Maizière jetzt angeregt hat, völlig falsch und deplatziert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das BKA ist doch eine gut funktionierende Behörde der Gefahrenabwehr, die im Übrigen für die Abwehr der Terrorismusgefahr zuständig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Trennung in die verschiedenen Zuständigkeiten. Die hat sich doch bewährt. Wir haben auf der einen Seite bundespolitische Kompetenzen. Auf der anderen Seite haben wir die Kompetenzen der Länder. Die Länder haben zu Recht auf ihre Eigenständigkeit bei der Polizei hingewiesen. Diese Behörden sollen sinnvoll zusammenarbeiten. Wir brauchen keine Organisationsdebatten, sondern wir brauchen Antworten auf die Herausforderung der Bedrohung von De

mokratie und Freiheit. Das ist die Aufgabe, die Herr de Maizière hier anpacken sollte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen ist unser Antrag klar. Wir fordern erstens den Erhalt der Arbeitsplätze in Wiesbaden und auch am Standort.

Zweitens. Das, was Herr de Maizière jetzt gemacht hat, führt zur Verunsicherung einer Behörde, die wirklich effektiv arbeitet. Herr de Maizière, wollen Sie eigentlich ein deutsches FBI? Das hat auch etwas mit der deutschen Geschichte zu tun. Die Sicherheitsstruktur, wie sie angelegt ist, hat sich in den letzten 60 Jahren bewährt. Sie muss fortentwickelt werden. Es gibt keinen Grund, sie aufzulösen. Deswegen ist auch diese Position klar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern die Landesregierung drittens auf, so, wie die Bundesländer Bayern, Niedersachsen und Berlin, sich gegen die angekündigte Zusammenlegung von BKA und Bundespolizei zu wenden. Wir fordern die Landesregierung auch auf, sich für den Erhalt der Standorte der Bundespolizei in Hessen einzusetzen. Die Zusammenlegung der rund 40.000 Beschäftigten der Bundespolizei und der 5.000 Beschäftigten des BKA, würde im Kern nicht zu einer Stärkung unserer Sicherheitsarchitektur, sondern nur zu Nachteilen führen. Deswegen hat das möglicherweise etwas mit der Berliner Sichtweise zu tun. Bei der FDP weiß man im Moment sowieso nicht, wer was zu sagen hat. Die sind im Moment alle damit beschäftigt, Westerwelle abzulösen.

(Heiterkeit des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber wenn das, was die innenpolitische Sprecherin der Fraktion sagt, richtig ist, dass durch diese Diskussionen und Pläne sogar das Grundgesetz betroffen sein könnte, dann muss sich die ehemalige Bürgerrechtspartei FDP auch ernst nehmen. Meine Damen und Herren, wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, dann ist das ein Armutszeugnis. Denn Sie schreiben in der letzten Ziffer Ihres Antrags, man solle nicht vorschnell Entscheidungen treffen. Jetzt, hier und heute, können Sie Farbe bekennen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Schönen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Für die FDPFraktion hat Herr Greilich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Rudolph, wir haben zum Abschluss dieses Plenums, im letzten Plenum dieses Jahres, ein Thema, das in der Tat sehr wichtig ist, sehr wichtig für Hessen, sehr wichtig auch für den Standort Wiesbaden.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Mit Verlaub gesagt: Dieses Thema ist zu ernst, um hier einen solchen Klamauk zu veranstalten, wie Sie das eben getan haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Günter Rudolph (SPD): Klamauk?)

Man sollte über dieses Thema in aller Ruhe und Sachlichkeit reden. Dem dient unser Antrag, der zum einen die Positionen klar beschreibt, der das zum anderen aber auch mit der nötigen Sachlichkeit tut.

Was ist der Sachverhalt, über den wir reden? Es gibt eine Kommission, die sogenannte Werthebachkommission, die auf Bundesebene die Strukturen der Polizeiorganisationen unterschiedlicher Art, die es gibt, untersucht und Vorschläge erarbeitet hat – ob das das Bundeskriminalamt ist, die Bundespolizei oder auch der Zoll, der zahlreiche polizeiliche Aufgaben wahrnimmt.

Der Bericht ist recht umfangreich. Ich gebe zu – aber das ist immer mein Problem –, Herr Kollege Rudolph, ich bin da nicht so schnell wie Sie. Ich denke, man muss sich einen solchen Bericht erst einmal anschauen und ordentlich bewerten, bevor man zu Ergebnissen kommt. Deswegen gibt es nur einige klare Positionen, die wir hier allerdings auch zu formulieren haben, die auch in unserem Entschließungsantrag genannt sind.

Die erste Feststellung ist: Der Bundesinnenminister irrt, wenn er glaubt, BKA und Bundespolizei, also zwei für die Sicherheit unseres Landes so maßgebliche Behörden, ohne die Länder reformieren zu können.

Herr Kollege Rudolph, über eines sind wir uns auch einig: Ein deutsches FBI wird es nicht geben. Allerdings will ich auch darauf hinweisen: Schon die erste Durchsicht des Papiers ergibt, dass dort auch keineswegs die Ausweitung der Kompetenzen der Bundespolizei oder des BKA gefordert wird, was dann in der Tat ein Alarmzeichen wäre, sondern dass es um die Frage geht, ob man die Sicherheitsarchitektur verändert, ob eine Zusammenlegung sinnvoll ist oder nicht.

Das Entscheidende, was wir hier heute als Signal auch an den Bundesinnenminister senden müssen, ist der wiederholte Hinweis: Polizeizuständigkeit ist zunächst einmal Ländersache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, Herr de Maizière als Bundesinnenminister muss noch lernen, dass die Länder den Bund bilden und nicht umgekehrt. Deshalb haben wir als FDP uns bereits bei der Föderalismusreform gegen die Ausweitung der Kompetenzen der Bundespolizei zulasten der Länder ausgesprochen.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist unstreitig oder sollte zumindest unstreitig sein, dass die Strukturen der Polizeibehörden auf Bundesebene untersucht und optimiert werden müssen. Selbstverständlich ist es für eine föderale Sicherheitsarchitektur, für die wir einstehen, auch wichtig, die Kräfte sinnvoll zu bündeln und effizient zu organisieren.

Es liegt jetzt eine Grundlage für die Beratung vor: das Ergebnis der Werthebachkommission. Jetzt ist es in erster Linie Sache des Bundesinnenministers, das Gespräch mit den Ländern zu suchen, mit den Ländern zu beraten, was sinnvoll ist. Das muss zügig geschehen. Trotzdem gilt auch hier – da unterscheiden wir uns von dem Antrag der SPD –: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das müssen wir Ihnen immer wieder sagen, in allen möglichen Politikbereichen. Das gilt auch und gerade bei der Frage der empfindlichen Sicherheitsarchitektur in unserem Land.

Die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern gibt es aus gutem Grund. Ich muss jetzt nicht in die deutsche Geschichte zurückgehen. Aber in Nr. 1 unseres Antrags ist genau das festgeschrieben, was die Lehre aus der deutschen Geschichte ist, nämlich die klare Arbeitsteilung. In einem System, in dem sich die Polizeien der Länder und die Bundespolizei sinnvoll ergänzen sollen, ist es absolut angezeigt, die Vorschläge jetzt sehr sorgfältig zu prüfen und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten gemeinsam zwischen Bund und Ländern zu beraten. Dies finden Sie festgeschrieben in Nr. 2 unseres Antrags.

Eines sage ich Ihnen auch sehr deutlich – deswegen haben sowohl die SPD mit ihrem Antrag als auch wir als Koalition das Thema heute hier auf die Tagesordnung gesetzt –: Die unabgestimmten Fusionsgerüchte, ohne dass irgendetwas mit den Ländern abgesprochen war, sorgen grundlos für Unruhe bei den Behörden, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ist für das gemeinsame politische Anliegen, die Polizei in Deutschland zu stärken, nicht hilfreich.

Erlauben Sie mir diese Bemerkung am Rande: Ich hoffe, dass die Idee der Zusammenlegung von BKA und Bundespolizei nicht die einzige Idee ist, die der Bundesinnenminister zur Reform der Bundespolizei hat.

Ein wichtiger Punkt – das stelle ich an den Schluss, wie es Herr Rudolph an den Anfang gestellt hat –, den wir mit aller Klarheit von Wiesbaden aus nach Berlin senden müssen: Das Bundeskriminalamt ist jetzt nahezu 60 Jahre in Wiesbaden verankert. Dieser zentrale Standort hat sich über Jahrzehnte bewährt. Diese gewachsenen Strukturen dürfen nicht im Zuge einer Hoppla-hopp-Zentralisierung auf einmal infrage gestellt werden. Deshalb darf ich zum Schluss noch einmal auf unseren Antrag verweisen und wörtlich allen das ans Herz legen, was dort steht:

Der Hessische Landtag bekräftigt, dass das Bundeskriminalamt seit knapp 60 Jahren in der Stadt Wiesbaden fest verankert ist. Der zentrale Standort hat sich über Jahrzehnte bewährt. Diese gewachsenen Strukturen dürfen nicht vorschnell infrage gestellt werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Greilich. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Frömmrich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch daran, dass wir hier vor mehreren Jahren eine leidenschaftliche Diskussion um die Frage geführt haben: Bleibt der Standort Wiesbaden des BKA erhalten, oder bleibt er nicht erhalten? Ich kann mich da an eine Rede des Jung-Abgeordneten Rentsch, heute Fraktionsvorsitzender der FDP, erinnern, der hier mit Verve in Richtung Innenminister Schily argumentiert

hat, dass man so nicht miteinander umgehen könne, dass man keine solchen Pläne haben dürfe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Er hat in seiner Rede immer von „König Otto“ gesprochen. Da hört sich das, was hier Knappe Greilich gerade für die FDP erklärt hat,

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

etwas harmloser an. Herr Kollege Rentsch hat seinerzeit angekündigt – Zitat –: „Die FDP-Bundestagsfraktion hat im Januar einen Antrag für das nächste Plenum des Bundestages eingebracht, um den Deutschen Bundestag dazu zu bewegen, eine Entscheidung gegen den Umzugswahnsinn nach Berlin zu treffen.“ Herr Kollege Greilich, wenn Sie diese Rede nachgelesen hätten, dann hätten Sie die wachsweiche Rede zum Umzug des BKA, die Sie gerade gehalten haben, nicht gehalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Greilich, ich habe es Ihnen in der gestrigen Debatte schon gesagt: Man sollte doch ein wenig darauf achten, wie man argumentiert und dass man ungefähr in der Spur bleibt. Bei Flüssen ist es sinnvoll, dass sie mäandern, dass sie sich also ab und zu aus ihrem Bett herausbewegen; bei Parteipolitikern ist das aber manchmal hinderlich.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich müssen wir uns alle in diesem Hause einig sein – damit komme ich auf den Kern zurück –, dass wir uns für die Belange Hessens einsetzen. Sich für die Belange Hessens einzusetzen heißt, dass wir uns natürlich für den Standort Wiesbaden des BKA einsetzen – ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher wundert man sich, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, wenn man die Nr. 3 Ihres Antrags liest. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Verve Sie für den Erhalt des Standorts werben. Im letzten Satz sagen Sie: „Der zentrale Standort hat sich über Jahrzehnte bewährt.“ Dann aber kommt der Satz: „Diese gewachsenen Strukturen dürfen nicht vorschnell infrage gestellt werden.“

Was heißt denn „vorschnell“ infrage stellen? Heißt das, wenn wir uns ein bisschen Zeit lassen, können wir den Standort infrage stellen? Wir sind hessische Abgeordnete, wir vertreten als GRÜNE hessische Interessen. Wir sagen das, was wir schon 2004 gesagt haben: Wir setzen uns für den Standort Wiesbaden des BKA ein, ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)