Protocol of the Session on December 15, 2010

das Wort „Schmarotzer“ benutzt. Ich würde gerne einmal sehen, ob in dem Protokoll des Landtags von irgendeinem, der für die FDP oder die CDU geredet hat, das Wort „Schmarotzer“ benutzt wurde.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Florian Rentsch (FDP): Das ist unglaublich!)

Sie haben das in einer Form gesagt, wozu ich ehrlich sage: Wenn das einer von uns gemacht hätte und es Ihnen hätte unterschieben wollen, möchte ich wissen, was dann in diesem Raum los gewesen wäre. Dann hätten wir wieder eine Ältestenratsitzung gehabt. Und dann dieser Abgang Ihrer Rede, wir würden diese Politik machen, um am rechten Rand zu fischen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sagen Sie etwas über die Sache!)

Dazu muss ich ehrlich sagen: Irgendwie scheinen Sie heute nicht ganz auf der Höhe gewesen zu sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich möchte zu den sachlichen Themen kommen.

(Zuruf von der SPD)

Herr Decker hat sehr viel dazu beigetragen, ein paar Punkte sachlich vorzutragen. Sie haben in dem Antrag fünf Punkte aufgeführt. Das Thema Qualifizierung ist für Sie zentral. Es ist richtig, die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen ist auch ein ganz zentrales Thema, um die Langzeitarbeitslosigkeit in irgendeiner Form dauerhaft reduzieren zu können.

Es ist so – das ist richtig –, dass die Einsparungen, die vorgenommen worden sind, eine Herausforderung für jede Arge und Optionskommune sind. Sie müssen darangehen und überprüfen, was sie noch weiter machen können und was nicht. Natürlich kann man darüber diskutieren, wie hoch man die Reduzierung dieser Mittel ansetzt.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte ein Stück weit klarmachen, dass Eingliederungsmittel, die verwendet werden, mit der Qualifizierung nicht 1 : 1 gleichzusetzen sind. Sie wissen ganz genau, dass die Eingliederungsmittel und die Verwaltungskosten gegenseitig deckungsfähig sind. Sie wissen ganz genau, dass Optionskommunen und Argen Verschiebeprozesse äußerst selten zugunsten der Eingliederungshilfe – das geht nämlich gar nicht –, sondern zugunsten der Verwaltungstätigkeit vornehmen.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Herr Bocklet, es ist auch so, dass Sie sehr oft und immer wieder angemahnt haben, dass die Eingliederungsmittel gar nicht abgerufen werden. Es ist tatsächlich so, wenn man sich das anschaut: Sie arbeiten mit den Sollzahlen und nicht mit den Istzahlen. Allein für den Haushalt 2010 geht man davon aus, dass 400 Millionen € der Eingliederungsmittel überhaupt nicht abgerufen worden sind. Damit reden wir über ganz andere Zahlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich muss immer wieder feststellen, dass in einer Zeit, in der es vielleicht politisch opportun war, möglichst viel Geld zur Verfügung zu stellen, Menschen in Maßnahmen eingesteuert worden sind, weil die aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen sind. Das kann manchmal bei der Erhöhung von Mitteln ein Grund gewesen sein. Ich kann nicht beurteilen, ob das früher so war. Es ist aber so, dass

jeder, der in der Maßnahme ist, in der Statistik nicht mehr vorkommt. Man kann überlegen, ob alle Maßnahmen, die damals getroffen worden sind, zielführend waren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was Sie genau wissen, aber nicht erwähnt haben: Zu Zeiten, als Sie Verantwortung getragen haben, waren die Eingliederungsmittel immer noch deutlich geringer als das, was heute den Optionskommunen und den Argen zur Verfügung steht. Auch das haben Sie vergessen zu sagen. Sie haben aber dankenswerterweise darauf hingewiesen, wir müssten einmal ein Stück zurücktreten und auf das Ganze schauen.

Es ist leider so – das haben wir schon mehrfach diskutiert –, dass die OECD, die die Industrieländer begutachtet, festgestellt hat, dass wir Deutschen einen Spitzenplatz haben, aber einen sehr traurigen Spitzenplatz. In kaum einem anderen Industrieland sind die Menschen so lange in Langzeitarbeitslosigkeit wie in Deutschland. Dass es hier Handlungsbedarf gibt und man strukturell mehr steuern muss, ist damit belegt. Der Grundsatz „viel hilft viel“ hat hier nichts gebracht. Das muss man einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist deutlich geworden und nicht widerlegbar. Diese Zahlen sind nicht einfach entstanden, sondern sie entwickeln sich seit Jahren und werden seit Jahren nicht besser. Darum ist es richtig, dass man versucht, bei SGB II, bei Hartz IV umzusteuern.

Wir haben noch Debatten vor uns, wo es um die Schuldenbremse geht. Wir haben eine Debatte zu führen, wie der Euro optimal ausgegeben werden kann. Ich kann immer wieder sagen: Ich mache mehr, ich mache mehr, ich mache mehr. – Aber ich muss überlegen, wie ich es optimal umsetzen kann.

Die Bundesregierung hat entschieden, dass wir künftig versuchen wollen, effizienter zu sein. Das ist nicht ohne Anpassungsprobleme hinzubekommen. In die Bildungschancen, in Teilhabechancen von Kindern wird investiert. Es wird eine Verbesserung – es geht uns nicht weit genug – der Anreizsysteme geben. Das ist ganz zentral, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das ist der Fokus, auf den wir uns stärker ausrichten müssen.

Zu Ihrer Behauptung, der Qualifizierung stehe ein Kahlschlag bevor. Ich habe gesagt, die Zahlen muss man differenziert betrachten. Die Horrorzahlen, die Sie vorgelegt haben, sind sicherlich nicht richtig, wenn man sich die Verteilung der Menschen anschaut. Ich habe eine Kleine Anfrage aus dem Bundestag zurate gezogen.

Rund 180.000 Menschen, die aus Eingliederungsmitteln bezahlt werden, sind in der beruflichen Aktivierung; 180.000 Menschen sind in der beruflichen Weiterbildung. 320.000 Menschen sind in Ein-Euro-Jobs. In dem einen oder anderen Bericht haben wir erlebt, dass das vielleicht nicht immer die optimale Frage ist.

Ich habe leider nur die Zahlen der Argen in Hessen. Die Argen in Hessen geben 26 % ihrer Eingliederungsmittel für Ein-Euro-Jobs aus. Die 26 % der Eingliederungsmittel fließen nur in Ein-Euro-Jobs. Ob das die richtige Aktivierung ist, darüber muss man diskutieren. Das kann man ein Stück weit kritisch sehen.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn man dort nachsteuert – ich bin ganz Ihrer Meinung, auch der Meinung von Herrn Bocklet, dass in den Man

gelberufen die Qualifizierung nicht zurückgenommen werden darf –, muss man in der Feinsteuerung oder vor Ort politisch alles tun, dass diese Dinge weitergehen. Die können auch weitergehen. Es ist immer noch nicht unerhebliches Geld, nämlich 9,5 Milliarden €, vorhanden, um die Eingliederung voranzubringen.

Von daher kann ich diesen Untergangsantrag, den Sie formuliert haben, und diese Zuspitzung so nicht sehen. Sie haben absolut recht, es wird vor Ort schwieriger, und es muss effizienter gearbeitet werden. Ob die Höhe der Einsparung tatsächlich richtig getroffen ist, weiß ich nicht. Aber dass man an dieser Stelle spart und effizienter werden muss, dass man die Strukturen im SGB II ändern muss und mehr zur Aktivierung kommen muss: Diesen Weg geht die Bundesregierung. Frau von der Leyen ist auf dem richtigen Weg. Das unterstützen wir auch. Diese Horrorzahlen, die Sie vorgetragen haben, sind aus meiner Sicht so nicht haltbar.

(Zurufe von der SPD)

Wir werden in einem Jahr oder in zwei Jahren erkennen können, wie sich die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen entwickelt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das Elend!)

Ich glaube, dass alle gemeinsam ein Stück weit besser werden müssen und dass der Gesamttrend in der Arbeitslosigkeit erst ein Jahr später bei den Langzeitarbeitslosen ankommt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Es wird immer schlechter!)

Sie ist systembedingt. Dadurch stehen pro Kopf immer noch mehr Mittel zur Verfügung, als 2006 zur Verfügung gestanden haben; das ist einfach eine Tatsache. Von daher kann man Ihren Antrag nur ablehnen. Aus unserer Sicht überziehen Sie völlig und treffen den Kern wirklich nicht. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke, Herr Rock. – Das war die schnellste Meldung zu einer Kurzintervention, die ich bisher erlebt habe. Herr Bocklet, Sie haben jetzt das Wort für zwei Minuten.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Er wusste gar nicht, wa- rum, aber er wollte schon mal intervenieren!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ging deshalb so schnell, weil Herr Rock in seinem ersten Satz sagte, Rot-Grün habe es doch damals beschlossen. – Herr Rock, ich habe darauf gewartet, die Möglichkeit zu bekommen, noch etwas zu sagen. Sie behaupten immer wieder in Ihren Presseerklärungen, RotGrün habe Hartz IV alleine beschlossen.

Wir haben uns die Mühe gemacht, in den Beschlussprotokollen des Deutschen Bundestages nachzusehen. Im Beschlussprotokoll vom 17.12.2003, Seite 7.389 – dann können Sie schneller recherchieren –, steht: Guido Westerwelle gibt bekannt, die FDP werde der Hartz-IV-Gesetzgebung zustimmen.

Wenn Sie also immer behaupten, die GRÜNEN hätten einen Fehler gemacht, und mit dem Finger auf uns zeigen,

dann zeigen Sie bitte demnächst mit dem Finger auf sich zurück. Es handelt sich um ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses, bei dem alle Kompromisse machen mussten, die GRÜNEN, die SPD, aber auch CDU und FDP. Am Ende steht nicht ein Fehler einer oder zweier Parteien. Entweder haben alle vier etwas falsch gemacht, oder alle vier haben einen Versuch unternommen, neue Wege zu gehen, nämlich die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Sie war bis heute richtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich das Wort „Schmarotzer“ benutzt habe, dann habe ich Ihnen damit aus der Debatte des letzten Sommers berichtet, aus dem Lager der Konservativen und anderen Rechten, die dieses Wort benutzt haben. Ich habe Ihnen das im Landtag nicht unterstellt. Es gibt nichts daran zu rütteln, dass die Stimmung immer wieder auf dem Rücken der Langzeitarbeitslosen erzeugt wurde, wenn es darum ging, die Menschen zu diskriminieren. Da bleiben Sie Ihrer Linie bis heute treu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie heute zynisch davon sprechen, es gebe Anpassungsprobleme, dann können wir Ihnen gern die Bündel der Maßnahmen zur Verfügung stellen, die wegfallen. Ich habe es Ihnen platzgenau benennen können: der Frankfurter Weg, die Jugendausbildung, die Erziehungsplätze – das sind keine Anpassungsprobleme. Sie zerschlagen Maßnahmen, die dazu führen, dass Menschen wieder Teilhabechancen haben, die Chance, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

Herr Bocklet, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Das alles tun Sie, deswegen können Sie nicht von Anpassungsproblemen sprechen. Es ist ein fataler Schritt in die falsche Richtung. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)