Protocol of the Session on November 16, 2010

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es soll bleiben!)

Sie sehen, in den von Ihnen mitregierten Ländern halten Sie das nicht für erforderlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Ursula Hammann und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber das ist eine Politik,die wir kennen.Das haben wir im Großen gerade mit Herrn Trittin erlebt. Solange er für die Castor-Transporte zuständig war, waren sie sinnvoll und notwendig. Sobald er nicht mehr dafür zuständig war, demonstriert er dagegen.Das ist das gleiche Niveau,auf dem Sie sich jetzt auch bewegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben hinsichtlich der Heizsysteme mittlerweile folgende Regelungen, und diese machen § 81 Abs. 2 überflüssig. Als Erstes gibt es die Bundes-Immissionsschutzverordnung. Diese setzt Höchstgrenzen bei Belastungen, wenn z. B. durch Verbrennung zur Erzeugung von Wärmeenergie in Haushalten technische Geräte eingesetzt werden.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat nichts mit Solaranlagen zu tun!)

Zweitens haben wir das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Mit diesem Gesetz ist ebenfalls vorgeschrieben, dass bei Neubauten ein gewisser Anteil von erneuerbaren Energien eingesetzt werden muss, und das gilt im Gegensatz zu § 81 Abs. 2 nicht nur für einige wenige Gebiete in Hessen und einige wenige Gebiete von Kommunen, sondern das gilt in ganz Deutschland und damit auch in ganz Hessen. Das ist natürlich der wesentliche Durchbruch.

(Zuruf des Abg.Timon Gremmels (SPD))

Hinzu kommt als Drittes noch die Energieeinsparverordnung. Mit der Energieeinsparverordnung wird ebenfalls festgeschrieben, welcher maximale Energieverbrauch in Gebäuden nicht überschritten werden darf.Auch dies gilt bundesweit.Auch dies gilt in ganz Hessen und nicht nur in einzelnen Gebieten. Das ersetzt auch Regelungen, die man früher in § 81 Abs. 2 hatte.

Dann gibt es noch das Problem, dass mit § 81 Abs. 2, d. h. der Möglichkeit, dass Gemeinden in bestimmten Stadtteilen bestimmte Energieformen vorschreiben können, die Innovation ausgeschlossen wird.

(Lachen des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Caspar, kommen Sie bitte zum Schluss.

Deswegen ist es ein unökologisches Mittel;denn gerade in diesem Bereich sind die Innovation und der Wandel außerordentlich wichtig und erfolgreich. Das würden wir

verhindern, und deswegen ist es richtig, § 81 Abs. 2 hier herauszunehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr, Herr Caspar. – Frau Wissler, Sie haben sich für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird Sie sicher wenig überraschen, dass wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. Aber es sollte Sie nachdenklich stimmen, dass in der Anhörung auch die Kommunalen Spitzenverbände erhebliche Zweifel an den zentralen Neuregelungen angemeldet haben. In der Anhörung wurden insbesondere zwei Punkte sehr kritisch genannt.

Das erste Problem ist, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf den Kommunen ein Instrument aus der Hand schlagen, um ihre lokalen Klimaschutzziele zu erreichen. Sie wollen § 81Abs.2 streichen,der den Kommunen ermöglicht,Vorgaben zu machen, z. B. durch Energiesatzungen zum Ausbau von erneuerbaren Energien. Das ist in Zeiten des Klimawandels kontraproduktiv und rückwärtsgewandt. Denn um den CO2-Ausstoß zu senken, müssen wir gerade beim Gebäudebestand ansetzen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung argumentiert, für Neubauten gelte inzwischen das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz des Bundes. Das ist richtig, aber die eigentliche Herausforderung sind nicht die Neubauten.Wenn Sie den Eindruck erwecken, dass das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz eine ausreichende Kompensation für diesen Paragrafen in der Hessischen Bauordnung sei, dann geht das an der eigentlichen Fragestellung vorbei, Herr Caspar. Die Fragestellung ist:Was machen wir mit dem Altbaubestand?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Hier liegt ein viel höheres Potenzial zum Einsparen von Energie und zur Reduktion von CO2. Deshalb müssen hier Regelungen geschaffen werden.

Die Stadt Marburg hat das in einer vorbildlichen Weise angepackt und hat bereits 2008 die sogenannte Solarsatzung beschlossen. Diese sollte Bauherren dazu verpflichten,sich eine Solaranlage auf das Dach zu setzen,wenn sie ein Haus bauen, wenn sie ein Dach sanieren, ein Gebäude erweitern oder auch nur eine Heizungsanlage austauschen. Das Gießener Verwaltungsgericht – das ist schon angesprochen worden – hat diese Verordnung gekippt, aber nicht im Grundsatz, sondern nur wegen Details. Jetzt hat die Stadt Marburg nachgebessert und eine neue Solarsatzung beschlossen. Die Übergangsfristen wurden verlängert, und es wurden Ausnahmeregelungen geschaffen, z. B. für denkmalgeschützte Häuser oder für Eigentümer, die Solarthermie nicht wirtschaftlich sinnvoll nutzen können. Ich denke, man könnte das Vorgehen der Stadt Marburg als vorbildlich und wegweisend bezeichnen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Das haben SPD, GRÜNE und LINKE im Marburger Stadtparlament gemeinsam beschlossen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Die Landesregierung aber will der Solarsatzung die rechtliche Grundlage entziehen.Ich frage Sie:Was spricht denn bitte dagegen, den Kommunen den Spielraum zu lassen, damit sie auf der lokalen Ebene Klimaschutzziele erreichen können?

Herr Lenders,wenn Sie sagen,der Spielraum für die Kommunen wird abgeschafft, weil falsche Entscheidungen getroffen wurden, dann finde ich das schon einen Hammer. Was Sie da sagen, ist natürlich ehrlich.Aber ich finde, das sagt eine ganze Menge über Ihr Verständnis von Kommunen und von Demokratie in den Kommunen aus.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie sagen im Klartext: Die kommunale Selbstverwaltung lassen wir nur so lange zu, solange uns die Entscheidungen gefallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lenders, der Witz an kommunaler Selbstverwaltung ist aber doch gerade, dass die Kommunen auch Entscheidungen treffen dürfen, die der Landesregierung nicht gefallen. Wenn die Landesregierung hingeht und sagt: „Die Entscheidungen gefallen uns nicht“, und die Spielräume beschneidet, dann finde ich, dass das ein ungeheuerlicher Umgang mit den Kommunen ist.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

CDU und FDP stellen erneut unter Beweis, dass sie den Einsatz erneuerbarer Energien nicht nur nicht fördern, sondern dass sie ihn bekämpfen, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Ich halte das für eine verbohrte und interessengeleitete Politik. Dann legen Sie auch noch völlig widersprüchliche Begründungen zurecht, warum § 81 Abs. 2 eigentlich wegfallen muss. Da sagen Sie erst – die Bundesgesetzgebung wird angeführt –, dass der Absatz durch Bundesgesetzgebung kompensiert würde. Das haben Ihnen die Experten in der Anhörung widerlegt. Dann ist in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs nachzulesen, dass die Regelung nicht mehr nötig sei, weil sich der Schadstoffausstoß seit den Achtzigerjahren erheblich verringert habe.

Meine Damen und Herren, mit der Begründung können wir z. B. auch die Katalysatorenpflicht für Autos abschaffen. Mit der Begründung kann man alle Umweltstandards wieder zurückdrehen. Diese Begründung ist wirklich abenteuerlich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie greifen einmal mehr in die kommunale Selbstverwaltung ein. Deshalb haben sich zu Recht – die Kollegin Hammann hat es gesagt – Dutzende Kommunen in einem Aufruf gegen die Streichung gewandt.Wir brauchen keine Showveranstaltung. Frau Ministerin, wir brauchen auch keine Nachhaltigkeitstage, wenn die Landesregierung 364 Tage im Jahr auf Nachhaltigkeit pfeift und Fortschritte blockiert, wo immer sie kann.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Caspar, wenn Sie sagen, wir seien das einzige Bundesland, das eine solche Regelung hat, dann ist das schlicht nicht wahr.Wir sind vielleicht das einzige Bundesland, das dies in der Bauordnung geregelt hat – davon abgesehen, dass es auch kein Drama wäre, wenn Hessen, das einmal Musterland der erneuerbaren Energien sein wollte, als einziges Bundesland einmal etwas Fortschrittliches machen würde. Aber das ist nicht die Realität. Andere Länder regeln das in der Gemeindeordnung und nicht in der Bauordnung. Das kann man alternativ machen.Wenn Sie es in der Bauordnung nicht haben wollen, dann lassen Sie es uns in die Hessische Gemeindeordnung hineinschreiben.

Meine Damen und Herren, das zweite Problem bei dem Gesetzentwurf ist die Neuregelung der Stellplatzabgabe. Das trifft vor allem die Stadt Frankfurt.Das wurde bereits gesagt. Wer in Frankfurt beispielsweise ein Bürohaus baut, darf in der Regel weniger Parkplätze bauen, als eigentlich in der Stellplatzsatzung festgelegt sind. Durch diese Regelung will die Stadt eine Überlastung des Straßennetzes vermeiden. Das ist zwar in Zukunft noch möglich. Aber die Stadt Frankfurt darf dann keine Gebühr mehr dafür verlangen. Diese Gebühr fließt aber beispielsweise in Parkhäuser, in U-Bahnen oder auch in die Förderung des Radverkehrs. Das ist Verkehrsinfrastruktur, von der am Ende auch der jeweilige Bauherr profitiert.

Ja, Herr Lenders, beim Wort Radverkehr lachen Sie.

(Jürgen Lenders (FDP): Nein!)

Aber diese Möglichkeit wollen Sie aus der Bauordnung streichen. Die sogenannte Stellplatzablöse bringt der Stadt Frankfurt jährlich 10 Millionen c. Deshalb fürchtet die Stadt jetzt, dass in Zukunft Verkehrsprojekte in Gefahr sind.

In der Begründung zum Gesetzentwurf steht, dass die Stellplatzablöse ein „spürbares Investitionshemmnis“ darstelle und zu „zweifelhaften Verlagerungen“ führe.

Meine Damen und Herren, ich habe mehrmals in der Anhörung nachgefragt, ob diese Behauptungen irgendwie belegbar, quantifizierbar sind und worauf man die Annahme zurückführt, dass für fehlende Investitionen ausgerechnet die Stellplatzablöse verantwortlich ist. Ich habe darauf keine Antwort bekommen, außer dem nebulösen Satz der IHK, die Stellplatzablöse liege wie Mehltau über den Investitionsentscheidungen. Das ist das Einzige, was ich dazu gehört habe. Es gibt keine Statistiken, es gibt keine Zahlen. Es ist das allgemeine Gejammer der Unternehmen: Die Löhne sind zu hoch, die Steuern sind zu hoch, die Abgaben sind zu hoch, die Stellplatzablöse ist zu hoch.

Wenn in Stellungnahmen als Grund für den Weggang der Frankfurter Börse dann auch noch die Stellplatzablöse genannt wird, dann finde ich das schon sehr lächerlich.

Auch dieser Neuregelung werden wir nicht zustimmen. Wir sind der Meinung, dass die Kommunen die Möglichkeit haben müssen, die Vermeidung von Lärm und Schadstoffen durch eine Reduzierung von Verkehr vorzugeben.

Als Letztes möchte ich etwas Positives ansprechen. Ja, Herr Lenders, wir begrüßen, dass die Regelungen zum Brandschutz präzisiert wurden, und wir begrüßen auch, dass die Fraktionen von CDU und FDP einen Änderungsantrag eingebracht haben, um Kinder vor Abstürzen zu schützen, nämlich indem Brüstungen erhalten bleiben. Die Landesregierung wollte hier Schutzbestimmungen

abbauen. Ich möchte einen Satz aus der Begründung des Änderungsantrags von CDU und FDP kurz zitieren.

Frau Wissler, bitte kurz, denn Ihre Redezeit ist um.