Meine Damen und Herren, Leiharbeit braucht den Mindestlohn. Hessen muss den Gesetzentwurf der Bundesre
gierung korrigieren. Dazu fordern wir die Fraktionen in diesem Hause auf, und dazu fordern wir insbesondere die Landesregierung auf: Intervenieren Sie in Berlin schnell und ernsthaft.
Wir werden auf jeden Fall unsere parlamentarischen Aktionen und Initiativen weiter betreiben; denn wir wollen Fairness auf dem Arbeitsmarkt. Ich sage es einmal mit einer alten Joghurtreklame: Früher oder später kriegen wir Sie auch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Nächster Redner ist der Kollege Bocklet, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es um die Geschichte der Leiharbeit geht,dann war ihre Funktion bisher richtigerweise, Auftragsspitzen abzufedern. Es war genauso richtig, dass wir, wenn es kurzfristig personelle Engpässe auf dem Arbeitsmarkt gibt, gut beraten sind, wenn es in diesem Land Leiharbeit gibt.
Wenn aber, wie der ehemalige nordrhein-westfälische Arbeitsminister von der CDU in einer Studie festgestellt hat, mittlerweile ein Viertel der Entleihbetriebe die Zeitarbeit zur Substitution von Stammbelegschaften benützt und die Entgelte der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche deutlich niedriger sind als die der Stammbelegschaft, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen: Es läuft deutlich etwas falsch bei der Zeitarbeitspolitik.
Es muss – da schließen wir uns den Thesen der SPD an – gleicher Lohn für gleiche Arbeit und vor allem bei gleichen Rechten gelten. Die Fraktion der GRÜNEN im Bundestag hat dort einen Antrag eingebracht, der zehn Punkte umfasst. In einer Aktuellen Stunde würde es den Rahmen sprengen, das hier aufzuzählen. Aber klar ist, dass es einer Neuregelung bedarf, wenn die ursprüngliche Funktion des Abfederns und der Überbrückung personeller Engpässe missbraucht wird.Wir wollen auch zugeben, dass das, was von dem Hause von der Leyen vorgelegt wird, eine richtige Richtung hat, dass es allerdings nur Trippelschritte sind und dass es natürlich enttäuschend ist, dass nicht mehr kommt als bisher.
Wenn wir auch an diesem Punkt nicht in die vertiefte Debatte eintreten werden, sondern das sicherlich im Ausschuss tun werden, dann müssen wir wissen, und das wissen wir auch: Wenn die Leiharbeit nicht schnell und konsequent reguliert wird, dann werden die Löhne und damit die Steuereinnahmen sinken. Wir wissen auch, dass das den regulären Arbeitsplätzen in diesem Land schaden wird, dass Stammbelegschaften weiter abgebaut werden. Das wollen wir verhindern.
Deswegen finde ich es richtig, dass wir als GRÜNE und als SPD gemeinsam an einem Strang ziehen und sagen, dass deutlich mehr passieren muss. Wir brauchen eine deutlich bessere Regulierung. Wir brauchen die gleiche
Bezahlung. Wir brauchen gleiche Rechte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die entliehen werden. Dafür gibt der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht genug her, und da fordern wir Nachbesserungen.
Der Antrag der Bundestagsfraktion weist diesen Weg in zehn Punkten. Viele Bereiche sind dort nachzubessern. Der erste Schritt ist von der Bundesministerin von der Leyen sicherlich getan worden. Aber wenn nicht mehr passiert, werden wir dem Übel nicht auf die Spur kommen, dass nach wie vor Betriebe Leiharbeiter dazu benutzen, Stammbelegschaften zu substituieren, wobei die Leiharbeiter deutlich niedriger entlohnt werden. – Das wollen wir verändert haben, und da muss die Bundesregierung nachbessern. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute wieder mit einem dieser Themen, wo die SPD immer versucht,sich von dem zu distanzieren, was sie selbst entschieden hat. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie im Arbeitskreis sitzen und eine Liste von Vorschlägen für Anträge und Aktuelle Stunden machen und dabei denken: Das haben wir 2004 selbst beschlossen, auch den Mindestlohn haben wir nicht eingeführt, aber jetzt fordern wir es einmal, weil es populär ist, weil es damals nicht machbar war. Jetzt ist es populär, jetzt machen wir es. – Manchmal habe ich echt das Gefühl, dass es so läuft.
Für die CDU bleibt es dabei: Es darf keinen Mindestlohn in der Arbeitnehmerüberlassung geben. Es darf aber auch keine Toleranz geben gegenüber Missbrauch und Lohndumping.
Meine Damen und Herren, Zeitarbeit ist eine Möglichkeit für Unternehmen, flexibel auf den Markt zu reagieren. Es ist auch ein Instrument, um Arbeitslose in den Markt zu integrieren. Wir haben schon des Öfteren darüber diskutiert, auch dieses Jahr schon. Kurz vor der Sommerpause hatten wir das Thema auf der Tagesordnung. Wir haben schon festgestellt, dass es eine gute Gelegenheit ist, um Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Mindestlohn würde diese Entwicklung aus meiner Sicht behindern.
Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssen ab dem 1. Mai 2011 die Situation beobachten und uns anschauen, was dort passiert. Ich persönlich erwarte nicht die große Schwemme aus dem Osten auf den hiesigen Arbeitsmarkt. Ich denke auch nicht, dass wir reagieren müssen. Aber ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssen uns das anschauen und bei Bedarf reagieren.
Deutschland. Das sind 240.000 Arbeitnehmerüberlassungen mehr als im April 2009, was als Zeitpunkt der Wende in der Krise bezeichnet wird. Das sind keine 240.000 irgendwelchen Arbeitsplätze, sondern es sind 240.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Das müssen wir hier auch festhalten.
Es bleibt weiterhin für die Union klar, dass Lohnpolitik Aufgabe der Tarifparteien ist. Ich wundere mich immer wieder, das habe ich auch das letzte Mal gesagt, dass gerade von der SPD das Vertrauen in die Gewerkschaften und die Tarifparteien so gering ist, dass sie für jeden Arbeitsmarktbereich einen Mindestlohn fordert.
Ich frage mich auch,warum Sie ihn fordern.Sie wissen mit Sicherheit genauso gut wie ich, dass Mitte des ersten Halbjahres die Gewerkschaften ver.di und IG Metall zusammen mit dem BZA einen Mindestlohn von 7,50 c ausgehandelt haben, der flächendeckend für die Branche im Bereich des BZA gilt.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. In meinem Wahlkreis befindet sich zufälligerweise ein großer Automobilhersteller, der auch mit Arbeitnehmerüberlassung arbeitet, auch in der Produktion. Dort sind Betriebsvereinbarungen getroffen worden. Danach dürfen bis zu 300 Arbeitnehmerüberlassungen in der Produktion stattfinden. Zurzeit sind es 40. Der Betriebsrat hat erreicht, dass das Lohnniveau dieser 40 Personen an das Lohnniveau der Stammarbeitnehmerschaft angeglichen wurde. Das bedeutet, es gab eine Lohnsteigerung bei den Leiharbeitnehmern um 20 %. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass wir diese Verhandlungen durchaus den Gewerkschaften und Tarifparteien überlassen dürfen.
Ich bin froh und dankbar, dass Ursula von der Leyen mit ihrem Bundesgesetz auf die Situation, die es leider gibt, reagiert hat. Es gibt das berühmte Beispiel, dass Mitarbeiter entlassen, in Leiharbeitnehmerfirmen ausgegliedert und dann wieder eingestellt werden. Mit diesem Gesetz wurde der Drehtüreffekt abgestellt. In Zukunft ist das nicht mehr zulässig. Wenn Arbeitnehmer in Leiharbeitsfirmen ausgegliedert werden, dürfen sie nur zum gleichen Lohn wieder eingestellt werden.Das ist ein Punkt,der uns alle zufriedenstellen sollte. Das ist ganz wichtig in diesem Gesetz.Wir sollten auch einmal die positiven Effekte herausstellen.
Meine Damen und Herren, es ist ganz wichtig, dass wir uns dieses Themas annehmen und versuchen, die schwarzen Schafe einzubinden. Bitte tun Sie mir den Gefallen, stellen Sie nicht alles immer so schlecht dar. Die Leiharbeit, die Arbeitnehmerüberlassung, ist ein gutes Instrument für die Wirtschaft, um flexibel reagieren zu können, und für Arbeitslose, um in den ersten Arbeitsmarkt kommen zu können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich möchte zunächst das unterstreichen, was auch Herr Kollege Burghardt angeführt hat.SPD und GRÜNE sind für den Mindestlohn in der Zeitarbeit. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen,dass die Deregulierung der Zeitarbeit 2004 erfolgt ist, zu der Zeit,als Rot-Grün in der Bundesregierung war. Wie auch bei Hartz IV, den Regelsätzen, und bei der Rente mit 67, so beklagt Rot-Grün auch bei der Zeitarbeit tränenreich die Missstände,die Sie selbst herbeigeführt haben. Das ist äußerst unglaubwürdig.
Die Debatte, die wir hier führen, ist im Zusammenhang mit der im Mai 2011 bevorstehenden Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten zu führen. Deutschland und einige andere Länder haben von einer Sonderregelung Gebrauch gemacht, die es ihnen gestattet hat, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Bürger bis 2011 einzuschränken. Begründet wurde dies mit angeblich zu befürchtenden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und Lohndumping. Herr Decker hat die Argumente eben ausgeführt.
Diese Arbeitsmarktabschottung hat bei vielen, besonders unseren polnischen Freunden, dazu geführt, dass sie sich als EU-Bürger zweiter Klasse begreifen. Außerdem zeigt die Entwicklung in Großbritannien oder in Schweden, die den Arbeitsmarkt 2007 sofort für diese Menschen geöffnet haben, dass die befürchteten negativen Entwicklungen überhaupt nicht eingetreten sind. Im Gegenteil, die fleißigen Menschen,die dorthin ausgewandert sind,haben sogar Arbeitsplätze geschaffen und zur Wohlstandsmehrung in diesen Ländern beigetragen.
Nachdem diesen Menschen von der deutschen Politik klargemacht worden ist, dass sie hier offensichtlich nicht erwünscht sind, glaube ich auch nicht, dass so viele Polen noch Lust haben, überhaupt hierher zu kommen. Insofern wird der befürchtete Ansturm ausbleiben.
Jetzt, wo diese Sonderregelung ausläuft, werden Stimmen laut, diese Arbeitsmarktabschottung durch einen Mindestlohn durch die Hintertür wieder einzuführen. Die schlechten Erfahrungen mit dem Mindestlohn für Briefträger lassen befürchten, dass es hier gar nicht um den Schutz von Arbeitnehmern vor Ausbeutung geht, sondern vielmehr um den Schutz etablierter Unternehmen vor neuer Konkurrenz.
Was die Zeitarbeit insgesamt angeht – da hat Herr Burghardt vollkommen recht, wir haben über dieses Thema auch schon mehrfach in diesem Haus diskutiert –, bestreiten auch wir als Liberale nicht, dass es einige schwarze Schafe und einige Probleme gibt.
Es geht gar nicht einmal so sehr um die Lohnhöhe, es geht auch um den Zeitpunkt der Überlassung, es geht auch um die Frage,ob Zeitarbeitnehmer von ihren Firmen befristet eingestellt werden.Ich möchte auf einen Punkt hinweisen. Es gibt mittlerweile innerhalb der Zeitarbeitsunternehmen eine lebhafte Diskussion darüber. An ihnen geht es nicht vorüber, dass mittlerweile eine ganze Branche ins
negative Licht gerückt wurde. Ich empfehle Ihnen einen Artikel aus der „Wirtschaftswoche“, der vor ein oder zwei Wochen veröffentlicht wurde, in dem dieses Thema sehr groß aufbereitet wurde und in dem einige Unternehmen zu Wort gekommen sind. Einige dieser Unternehmen haben gesagt, es reiche ihnen selbst. Es findet also auch dort ein lebhafter Diskussionsprozess statt,um diese negativen Auswirkungen der Zeitarbeitsfirmen zu begrenzen. Ich würde raten, dass wir vorher die Unternehmen selbst diesen Dialog führen lassen, bevor wir als Politik einschreiten. Die Unternehmen wissen selbst besser, was ihre Probleme sind und wie sie diese lösen können.
Was die Frage der Konkurrenz zu den Zeitarbeitsfirmen aus Osteuropa angeht, so ist das ein Problem, das wir in anderen Bereichen, wo es um Wettbewerb mit dem Ausland geht, auch haben. Auch hier gilt der Satz: Wo wir nicht billiger sein können als diese Unternehmen, müssen wir besser sein. – Die Entwicklung nach der Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass immer mehr Unternehmen ein Interesse daran haben, qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten, und dass es mittlerweile einen Fachkräftemangel gibt. Die Lohnhöhe ist gar nicht mehr so entscheidend, sondern es kommt immer stärker auf die Qualität und die Ausbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an.
Da bin ich ganz selbstbewusst und sage, es ist mir nicht bange,dass sich die gute Ausbildung und die gute Qualität der deutschen Fachkräfte langfristig durchsetzen werden. Lohndumping wird keine Rolle spielen. Unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind einfach besser ausgebildet.Qualität wird sich am Ende durchsetzen.Die Befürchtungen werden sich meines Erachtens am Ende in Luft auflösen. Deswegen ist aus unserer Sicht ein Mindestlohn für Zeitarbeitsunternehmen der falsche Weg.