Protocol of the Session on September 9, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sollten wir auch darangehen,das fortzuführen,was sich in diesen Jahren als praktikabel und umsetzbar erwiesen hat. Das, was wir den Menschen nicht verdeutlichen können, sorgt dafür, dass die Menschen den Naturschutz nicht ernst nehmen und ihn nicht fördern, sondern sich abwehrend verhalten. Dazu gehört auch, was Frau Schott als Beispiel angesprochen hat, dass wir es den Menschen nicht verdeutlichen können, dass für einen Kammmolch 10.000 c ausgegeben werden müssen, wenn es denn so ist, wie es Herr Minister Posch darstellt. Deshalb ist hier schon mehrfach die Aufforderung erwähnt worden: praktikablen und umsetzbaren Naturschutz und Kooperation statt Konfrontation.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vor ordnungspolitischen Maßnahmen möchten wir auch das Thema Vertragsnaturschutz ganz oben sehen. Ich will auch das an einem Beispiel deutlich machen. Die Rheinauen in Trebur sind damals als Ausgleichsmaßnahmen der FAG angelegt worden. Ich rate nur allen, dorthin zu gehen und sich anzuschauen, was aus diesem sogenannten Naturschutzgebiet geworden ist. Hier hat der verordnete Naturschutz am Ende versagt, weil sich alle nach drei Jahren aus der Fläche zurückgezogen haben und sie sich selbst überlassen haben, und die Naturschutzziele, die angedacht waren, können jetzt bei Weitem nicht erfüllt werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich war schon da!)

Frau Kollegin Hammann,Sie kennen das.Ihnen brauche ich das nicht zu erklären. Wir waren gemeinsam da. Ich will Sie auch deshalb ansprechen, Frau Kollegin Hammann, weil Sie gerade dazwischenrufen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie hier vorne an das Pult gehen underst einmal ein Lob an die Landesregierung sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Weswegen?)

Gerade in diesen Tagen, wenn wir in diesem herrlichen Plenarsaal sein dürfen

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

hören Sie doch zu –, ist die Kommission zum Thema Weltnaturerbe unterwegs, um zu prüfen, ob der Nationalpark Kellerwald als Weltnaturerbe anerkannt werden kann. Nun kennt jeder meine Meinung zu diesem Nationalpark.Aber,ich finde,es wäre eine große Auszeichnung, wenn der Weltnaturerbe werden würde. Daher hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie einmal sagen: „Prima gemacht, Landesregierung, das war eine gute Maßnahme.“

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich denke, an der Stelle sollten wir alle ein Stückchen abrüsten.Wir sollten jetzt eine Anhörung machen – da gebe ich Frau Schott wieder recht, es ist alles schwer zu durchforsten: die europäische Gesetzgebung,Artenschutzrecht, Natura 2000, Vogelschutzrichtlinie und all das, was dort zusammenkommt –, in die wir unvoreingenommen hineingehen, wo wir aber sagen: Wir wollen das, was in der bisherigen hessischen Landesgesetzgebung gut war, fortschreiben. Dort, wo es aber Verbesserungen geben sollte, werden wir auch dafür offen sein.

Meine Damen und Herren, deshalb noch einmal meine Bitte: Lassen Sie uns bei all diesen Diskussionen, die wir beim Thema Naturschutz teilweise sehr emotional führen, in diese Anhörung gehen und dann gemeinsam die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus ziehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dann zu einem neuen Naturschutzgesetz kommen werden, das allen Ansprüchen und vor allen Dingen dem Anspruch gerecht wird, der besagt: Der Mensch ist auch ein Stück dieser Natur. Das sollten wir bei allen Diskussionen nicht vergessen. Der Mensch hat über viele Jahrhunderte und Jahrtausende diese Natur auch mitgestaltet. Das ist so, ob wir es wollen oder nicht, und dem müssen auch wir Rechnung tragen. Lassen Sie uns diese Aufgabe deshalb pragmatisch in Angriff nehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Vereinbarungsgemäß überweisen wir diesen Gesetzentwurf nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten an den Ausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Dem widerspricht keiner? – Dann ist das somit beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Weiterentwicklung des Krankenhauswesens in Hessen (Hessisches Krankenhausge- setz 2011 – HKHG 2011) – Drucks. 18/2750 –

Die neu vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Das Wort hat Herr Abg. Dr. Spies.

(Minister Stefan Grüttner: Nein, Einbringung!)

Entschuldigung, Herr Staatsminister, Sie dürfen es erst einbringen und dann beraten wir es. – Herr Grüttner, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 legt die Landesregierung ein Gesetz vor, das die veränderten Rahmenbedingungen der Krankenhauslandschaft berücksichtigt und, ich denke, in vielerlei Hinsicht wegweisend sein wird. Es finden sich hier Einzelheiten der Krankenhausplanung, zur Krankenhausförderung, zu den inneren Strukturen der Krankenhäuser und zur Beteiligung der Leistungserbringer. Aber hinter all diesen Einzelregelungen steckt die Idee, wie die gesundheitliche Versorgung in jeder Region und damit auch in ganz Hessen verbessert werden kann, nämlich durch patientenbezogene, vernetzte und intersektorale Kooperation aller Beteiligten. Zudem wird die besondere Bedeutung der Notfallversorgung hervorgehoben, für die der Staat eine besondere Verantwortung hat, die aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes abgeleitet wird.

In dem Gesetzentwurf finden sich Regelungen zur Krankenhausplanung, die es so bundesweit noch nicht gibt.Wir definieren einen grundsätzlichen Vorrang der Allgemeinkrankenhäuser, die rund um die Uhr die Notfallversorgung sicherstellen, vor Fachkliniken. Fachkliniken haben auch die Möglichkeit und einen Anspruch auf Planaufnahme,wenn sie darlegen können,dass sie die Versorgung der Bevölkerung verbessern und sich nicht nur auf lukrative Einzeleingriffe beschränken möchten.

Wir fördern nicht nur die Zusammenarbeit, sondern präjudizieren geradezu die Netzwerkbildung in der Region, vor allem bei der Notfallversorgung und bei chronischen und altersbedingten Krankheiten. Bei krankenhausplanerischen Entscheidungen sollen Qualitätskriterien zugrunde gelegt werden, und solche Kriterien müssen nachprüfbar und gerichtsfest sein. Also fordern wir von den Krankenhäusern insgesamt mehr als bisher. Es wird geregelt, dass der Versorgungsauftrag grundsätzlich umfassend zu erfüllen ist, wenn nicht anderweitige Absprachen im Rahmen von Kooperationen getroffen worden sind. Insofern versuchen wir, eine Konzentration auf Bereiche, die man auch mit Rosinenpickerei umschreiben könnte, zu vermeiden.

Daneben werden die Verpflichtungen zur Qualitätssicherung, zur Hygiene, zu den Transplantationsvorschriften und zum Brand- und Katastrophenschutz Bestandteil des Versorgungsauftrags und unterliegen künftig auch der Rechtsaufsicht. Bei Verstößen können auch Einschränkungen bei der Krankenhausförderung gemacht werden. Insgesamt werden wir mit dem Krankenhausgesetz eine ganze Reihe von bürokratischen Entlastungen schaffen. Bei der Krankenhausförderung z. B. vereinfachen wir das Verfahren erheblich und führen eine deutlich stärkere Pauschalierung ein.

Meine Damen und Herren, Kernstück dieses Gesetzes ist sicherlich auch die Umgestaltung der Krankenhauskonferenzen zu regionalen Gesundheitskonferenzen, die eine Monitoringfunktion haben, indem sie die regionalen Versorgungsstrukturen beobachten und mit den an der Gesundheitsversorgung Beteiligten intensiv kommunizieren sollen. Sie sollen dabei drohende Unterversorgung erkennen,Qualitätsdefizite aufdecken,Vorschläge zur Optimie

rung der Versorgung machen, die Bildung von Kooperationen und Versorgungsnetzwerken unterstützen und moderieren sowie dem Sozialministerium jährlich über die Entwicklung der regionalen Versorgung berichten. An diesen Konferenzen sollen alle Landkreise und kreisfreien Städte des jeweiligen Versorgungsgebiets beteiligt sein, wie auch neben Krankenhäusern und Krankenkassen die Landesärztekammer, die Hessische Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Vereinigung und neue Patientenvertreter. Wir wollen den Part zwischen Leistungserbringern und Leistungszahlern ein wenig auflösen.

Ich weiß, dass in der aktuellen Diskussion gefordert wird, diesen regionalen Krankenhaus- oder Gesundheitskonferenzen auch eine letztendliche Entscheidungsbefugnis einzuräumen. Dazu gibt es nicht die Möglichkeit, denn das wäre ein Verstoß gegen das Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes. Wir werden aber die Gesundheitskonferenzen zu einer ganz neuen Kommunikationsstruktur in einer Region führen, und das Land wird sich schließlich den von den Konferenzen gemachten Vorschlägen kaum entziehen können. In der Fachöffentlichkeit wird diese Neuregelung übrigens schon sehr positiv erwähnt, und es wird von einer beispielhaften Vorreiterrolle in ganz Deutschland gesprochen.

Natürlich haben wir auch die Rechtsverordnung zum Erlass einer Hygienevorschrift in dieses Krankenhausgesetz mit aufgenommen. Wir werden von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch machen. Allerdings müssen vorher genügend Hygienebeauftragte und Hygienefachleute vorhanden sein. Hierzu gibt es ein Ausbildungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Gießen-Friedberg.

Ich glaube, wir legen mit dem Krankenhausgesetz 2011 ein Gesetz vor, das nicht nur die Krankenhausversorgung, sondern auch die Gesundheitsversorgung in Hessen insgesamt weiter verbessern wird. Der Gesetzentwurf wurde in seinen Grundzügen mit den an der Krankenhausversorgung Beteiligten eng abgestimmt und fand im Rahmen einer Anhörung breite Zustimmung. Ich bin gespannt auf die interessanten Diskussionen im Ausschuss zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Danke, Herr Minister. – Ich eröffne die Aussprache. Herr Dr. Spies, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich zitiere aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 31. August dieses Jahres:

In Zeiten einer zunehmenden Ökonomisierung in den Krankenhäusern... muss gleichsam gesetzmäßig das Risiko von Fehlern und Sorgfaltsverstöße ansteigen. Und waren es nicht zuletzt auch ökonomische Gründe, die zu den jüngsten Hygieneskandalen in zwei großen Münchner Krankenhäusern geführt hatten...?

Aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 1. September 2010:

Die überwältigende Fülle wissenschaftlicher Arbeiten belegt zunehmend auch, welche strategische

Bedeutung dem Pflegepersonal zukommt. Je größer das Zahlenverhältnis von Pflegepersonal zu Patienten, desto geringer die Sterblichkeit in der Klinik, desto weniger Herzstillstände, desto geringer die Zahl der im Krankenhaus erworbenen Lungenentzündungen und desto geringer die Krankenhauskosten und die Verweildauer.

Künftig sollte deshalb zur Klärung der Ursachen klinischer Desaster

gemeint sind die Vorfälle in Mainz –

nicht nur akribisch untersucht werden, wer wann nicht steril genug gearbeitet hat.Ebenso sollten sich Verwaltungsdirektoren rechtfertigen müssen, die zuvor durch drastische Kürzungen beim Pflegepersonal die Bilanzen aufgebessert haben.

Der „Stern“ vom 2. September dieses Jahres titelt mit der Überschrift „Risiko Krankenhaus – überlastetes Personal“.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Hessische Krankenhausgesetz muss novelliert werden, weil es ausläuft. Es muss aber auch deshalb novelliert werden, weil wir einer völlig neuen Herausforderung in der Frage der Organisation des Krankenhausrechts auf Landesebene gegenüberstehen. Die eigentliche Herausforderung besteht nämlich nicht darin, bestimmte regulatorische Fragen der Krankenhausplanung, der Krankenhausfinanzierung und der Krankenhausinvestitionen fortzuschreiben, sondern den unvermeidlichen Konflikt zwischen sparsamem Arbeiten, ökonomischem Druck durch Fallpauschalen, Verhinderung von Verschwendung und Überkapazitäten auf der einen Seite und der Sicherheit und Qualität der Versorgung auf der anderen Seite zu lösen. Diese Aufgabe müsste ein Landeskrankenhausgesetz jetzt lösen.Mit Verlaub,Herr Minister,Ihr Entwurf tut genau das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gab und gibt es nämlich,wie aus den eben getätigten Zitaten klar wird, nur ein vernünftiges Instrument, nämlich die Personalsituation an den Krankenhäusern zu klären. Das ist keine Frage der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern das betrifft uns alle. Deshalb gehört das in das Landesordnungsrecht. Das Land muss den Krankenhäusern Personalmindestzahlen vorgeben, damit die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von letzter Woche eingeforderte Sanktionierung übermäßigen Personalabbaus durch das Land möglich wird. Das ist die Antwort auf alle uns im Moment begegnenden Eingriffe in Qualität und Sicherheit der Behandlung in den Krankenhäusern. Herr Minister, genau diesen Punkt haben Sie leider nicht aufgegriffen.

Ich will Ihnen das nicht vorhalten – Sie sind ja noch neu im Amt –, aber dieses Haus hat vor zwei Jahren beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich dieser Frage zuwenden sollte. Diese hat es innerhalb von zwei Jahren nicht einmal geschafft, ein Gutachten auf den Weg zu geben, zu prüfen, ob und wie das gehen kann.

(Beifall bei der SPD)

Da hinken Sie der Entwicklung kolossal hinterher – leider auch an vielen anderen Stellen. Man kann heute in der knappen Zeit gar nicht auf alles eingehen.Wir werden zu dem Gesetzentwurf sicherlich eine interessante und umfangreiche Anhörung durchführen.

Zwei Punkte will ich noch ansprechen. Herr Minister, Sie haben völlig Recht, wenn Sie vorschlagen, die Vernetzung der Krankenhäuser in der Region zu verbessern. Dazu gab es ein dezidiertes Konzept. Es gab Krankenhäuser, die das exemplarisch tun wollten – mehrere Kommunen, vier Landräte waren dabei –, als Sie ohne Sinn und Verstand die Universitätsklinika in Mittelhessen verkauft haben, statt sie in genau so einen detailliert vorgeschlagenen und beschriebenen Verbund einzubringen, mit dem man die Versorgung einer Region, in der 1 Million Menschen leben, mit einer intelligenten Struktur exemplarisch hätte vorführen können.

Auch der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, ist keineswegs falsch. Aber, mit Verlaub, die Krankenhauskonferenz zu einer Gesundheitskonferenz fortzuentwickeln stand bereits in einem Änderungsantrag der SPDFraktion zum Hessischen Krankenhausgesetz im Jahre 2000. Das ist zehn Jahre her. Ich freue mich ja, dass es die Regierung eingesehen hat. Bedauerlich ist aber, dass Sie an dieser Stelle die notwendige Verbindlichkeit vermissen lassen, die wir brauchen, um den Herausforderungen der Krankenhausversorgung in der Zukunft, gerade im ländlichen Raum, und der notwendigen Kooperation zu genügen. Auch darüber werden wir im Ausschuss ausführlich reden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die hessischen Krankenhäuser sind auf einem guten Weg, zu modernen, wirtschaftlichen und an den Patienten orientierten Einrichtungen zu werden – obwohl wir alle wissen, dass sie aufgrund der Umstellung der Finanzierung auf Fallpauschalen zurzeit und auch in Zukunft viele Schwierigkeiten zu überwinden haben.Wir wissen, dass mit dem demografischen Wandel weitere Herausforderungen auf die Krankenhäuser zukommen. Lassen Sie mich nur folgende Stichworte nennen: medizinischer Fortschritt,Alterung der Bevölkerung, auch des Personals, veränderte Krankheitsbilder, Fachkräftemangel und – nicht zuletzt – Sicherstellung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.