Protocol of the Session on September 7, 2010

Meine Damen und Herren, das Bedürfnis nach Heimat umfasst mehr als Sicherheit und materielle Umstände. Der Mensch braucht auch heute eine geistliche Heimat. Religion gehört zum Menschen dazu. Es ist deshalb unsere Pflicht als Staat, die Möglichkeit zur religiösen Selbstentfaltung in unserer Gesellschaft zu garantieren. Es ist eine historische Errungenschaft in Deutschland, dass Politik und Religion in unserem Land voneinander getrennt sind. Gleichzeitig gilt aber auch: Die religiösen Gemeinschaften brauchen den toleranten Staat genauso, wie unsere Gesellschaft den Seelsorge- und Sozialdienst der religiösen Gemeinden braucht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die christlichen Kirchen in Hessen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Sinnstiftung und Wertevermittlung in unserer Gesellschaft. Darüber hinaus tragen ihre karitativen Einrichtungen dazu bei, Menschen in Notlagen weiterzuhelfen und ihnen neue Perspektiven aufzuzeigen.

Deshalb möchte ich als Ministerpräsident und für alle Kolleginnen und Kollegen dieser Landesregierung unsere Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit erneut zum Ausdruck bringen. Das gilt besonders für die

Bereiche, wo Staat und Kirche unmittelbar zusammenwirken, etwa in den Fragen des Religionsunterrichts, in kirchlich getragenen Bildungseinrichtungen oder bei der theologischen Ausbildung an den Universitäten.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass in vielen Teilen unseres Landes jüdische Religion und jüdische Kultur wieder eine Heimat gefunden haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist mit Blick auf unsere Geschichte keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Grund zur Freude.

Meine Damen und Herren, morgen ist das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana. Ich möchte ausdrücklich allen Hessen jüdischen Glaubens ein gutes neues Jahr wünschen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen haben ihre geistliche Heimat im Islam. Wir wollen sicherstellen, dass auch Muslime ihren Glauben in Hessen leben können. Ich grüße deshalb auch alle Hessen muslimischen Glaubens, die zurzeit mit dem Fastenbrechen ihr Freudenfest feiern.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit das öffentliche Bekenntnis zum muslimischen Glauben und eine gelungene Integration nicht als Gegensatz angesehen werden, wollen wir unsere Anstrengungen für ein Angebot der religiösen islamischen Bildung fortsetzen und dort ermöglichen, wo es gewünscht ist.

Der Staatsminister der Justiz, für Integration und Europa und zugleich mein Stellvertreter, Kollege Jörg-Uwe Hahn, hat sich bei diesem Anliegen bereits große Verdienste erworben.Er wird auch weiterhin diejenigen Partner zusammenbringen, die bei der Umsetzung dieses wichtigen Unterrichtsangebots mitwirken müssen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verkenne nicht die vielfältigen praktischen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Dies gilt besonders mit Blick auf die sorgfältige Suche nach geeigneten, unabhängigen islamischen Kooperationspartnern.

Bedenkenswerter scheinen mir in diesem Zusammenhang die Worte des Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Prof. Peter Strohschneider, der mit Blick auf die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen formulierte: „Der säkulare Staat muss ein Interesse daran haben, Religiosität für die Gesellschaft fruchtbar zu machen.“ Ich teile diese Auffassung.

Dieses Interesse muss auch für die wachsende Gruppe von Menschen muslimischen Glaubens in unserer Gesellschaft gelten. Vor diesem Hintergrund begrüße ich es sehr, dass neben dem bereits bestehenden Studienangebot an der Universität Marburg nun die Universität Frankfurt angekündigt hat, ab dem kommenden Wintersemester einen Bachelorstudiengang „Islamische Studien“ anzubieten.

Eine gelungene Integration auch und gerade in diesem Bereich kann nicht nur bedeuten, die Ausbildung islamischer Religionslehrer und Seelsorger zu gewährleisten,

sondern wir müssen weiter gehen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass islamische Theologie in die reiche Tradition der theologischen Wissenschaften an den deutschen Hochschulen integriert wird. Ich will nicht so weit gehen, wie es andere tun, und von einem „europäischen Islam“ sprechen. Das würde in einer Regierungserklärung zu weit gehen. Aber ich möchte ausdrücklich dazu auffordern, dass wir diesen Weg der breiten intellektuellen Einbindung auch an den Hochschulen weitergehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein anderer Teil dessen, was wir als Heimat begreifen, ist unsere Umwelt. Der Schutz der Umwelt ist vor einigen Jahren mit guten Gründen zum Staatsziel erhoben worden. Die Berichte über den Klimawandel zeigen uns immer wieder: Die Ressource Natur ist nicht unendlich.

Diese Bewusstseinsbildung wollen wir vorantreiben. Wir wollen innovativ sein und weite Teile unserer Gesellschaft zu kreativen Lösungen ermutigen. Wir wollen dazu beitragen, möglichst viele Menschen zu einer umweltgerechten Lebensweise zu ermutigen – wenn Sie so wollen, zu „verändern“.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aus der Forstwirtschaft stammt ein Prinzip, das meines Erachtens Grundlage eines jeden modernen Politikansatzes sein muss: die Nachhaltigkeit. Dieser Begriff ziert ja nahezu jede Rede. Deshalb möchte ich ihn so übersetzen, wie ich ihn verstehe: Er bedeutet schlicht, nur so viel zu verbrauchen, wie nötig ist, und die Zukunft dabei stets im Auge zu behalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dabei wollen wir es nicht bei einzelnen Initiativen belassen, sondern unsere Politik insgesamt unter diesen Primat stellen.Wir behalten deshalb die im Jahre 2008 ins Leben gerufene Nachhaltigkeitsstrategie bei und werden diese weiterentwickeln.

Beim Schutz der Umwelt kommt dem ländlichen Raum in Hessen eine besondere Bedeutung zu. Dort können wir ganz konkret erfahren, was intakte Natur bedeutet.

Doch der ländliche Raum ist mehr als Natur. Er ist auch Lebensraum vieler Menschen und ein wesentlicher Bestandteil unserer hessischen Kultur. Wir wollen und müssen sicherstellen, dass der ländliche Raum auch künftig für vielfältige Chancen und für Lebensqualität steht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich nenne hier die Breitbandversorgung als wesentlichen Standortfaktor. Sie ist heute Teil einer technischen, wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur, die dem Zusammenhalt der Gesellschaft dient. Insbesondere für die ländlichen Gebiete Hessens muss deshalb sichergestellt werden, dass die digitale Kommunikation dort genauso gelingt wie in den städtischen Gebieten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Landesregierung wird daher die flächendeckende Breitbandgrundversorgung sicherstellen und den Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen energisch vorantreiben. Das wollen wir mit allen Beteiligten, den Unternehmen und den Kommunen, gemeinsam tun – wo möglich, auch mit privaten Investoren.

Den Ausgleich der gelegentlich auseinandergehenden Interessen der ländlich strukturierten Gebiete unseres

Landes und der Ballungsräume in Hessen sehen wir als eine wichtige Aufgabe der Landesplanung an.

Die hessische Landwirtschaft ist nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern auch für die Pflege des ländlichen Raumes unverzichtbar. Den Landwirten in Hessen verdanken wir die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln, den Erhalt unserer Naherholungsgebiete und die Pflege unserer Landschaft.Und wir verdanken ihnen auch eine sehr intensive Förderung und Achtung des Verbraucherschutzes, der uns ein wichtiges Anliegen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Landesregierung wird deshalb nicht nur wegen der Interessen hessischer Bauern, sondern wegen unserer gemeinsamen Interessen ein verlässlicher Partner bei allen Entscheidungen sein, die insbesondere in Berlin und in Brüssel für diesen Bereich zukünftig getroffen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Hessen ist ein Land der Vielfalt, das sowohl von ländlichen Räumen als auch von Stadtlandschaften und Industriegebieten geprägt wird. So unterschiedlich die einzelnen Regionen auch sein mögen, gilt doch für alle, dass für ihre Zukunftsentwicklung die Sicherstellung sauberer, sicherer und bezahlbarer Energie von größter Bedeutung ist.

Wir stehen für eine Energiepolitik ohne ideologische Scheuklappen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir bekennen uns zu den ehrgeizigen Zielen des Energiekonzeptes 2020 und wollen unseren gesamten Energiebedarf langfristig über regenerative Energieträger decken.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Rudolph, der Weg dorthin kann nach unserer Überzeugung aber nur über einen vernünftigen und realistischen Energiemix führen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dazu gehören auf absehbare Zeit auch moderne Kohlekraftwerke und die Kernenergienutzung auf höchstem Sicherheitsstandard. Deshalb begrüße ich für diese Landesregierung die Grundentscheidungen der Bundesregierung vom vergangenen Wochenende. Das geht in die richtige Richtung. Die Entscheidungen sind vernünftig und zukunftsfähig.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lebhafter Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich hatte nicht ernsthaft erwartet, dass die Opposition bei diesem Teil der Regierungserklärung ihren Beifall fortsetzen würde. Es kommt aber noch etwas, bei dem ich wieder mit Ihrem Beifall rechnen kann.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die erneuerbaren Energien – also Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie – stellen die saubersten aller Energieträger dar.