Und eine andere Zahl, über die ich mich sehr freue: Über 40.000 Anträge schon vor dem offiziellen Start zeigen, dass die „Familienkarte Hessen“ die Bedürfnisse der Familien in diesem Land trifft. Bevor sie überhaupt eingeführt ist, 40.000 Anträge – das ist eine überwältigende Resonanz. Ich kann nur sagen, ich freue mich, dass diese Resonanz so groß ist.
Diese Familienkarte bietet eine Vielzahl von Serviceleistungen im Bereich der Kinderbetreuung, der Erziehung und der Versicherungen. Sie ist weit mehr als eine bloße Rabattkarte.Sie setzt ein klares Zeichen für Familien,und darum geht es uns.
Die Familienkarte ist auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man zeigen kann, was wir erreichen können, wenn wir als Staat eine Initiative ergreifen und es uns gelingt, andere Akteure zu einer Gemeinschaft und zum Mitmachen zu bewegen,und wie wir dann zielorientiert Gemeinschaft sehr konkret für die Familien in Hessen umsetzen können.
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, dass das Fundament,auf dem wir unsere Politik aufbauen, Familie, Kinder und Bildung sind. Bildung wird häufig gleichgesetzt mit Schulpolitik. Das allein reicht nicht; es ist weit mehr.Aber natürlich ist die Schulpolitik ein Kern dessen, was Bildung meint.
Unsere Schulpolitik stellen wir in den Dienst der Schüler und der Eltern. Uns geht es um die Arbeit im System Schule und nicht am Schulsystem.Ob Schüler,Eltern oder Lehrer – wenn wir ehrlich miteinander umgehen –:Sie haben die endlosen Strukturdebatten satt.
Das Ergebnis der Hamburger Volksabstimmung vom vergangenen Juli müsste doch auch dem Letzten klargemacht haben: Die Bürger haben die Nase voll von bildungspolitischer Bevormundung und Zwangsbeglückung durch die Politik.
Meine Damen und Herren, wir wollen deshalb keine neuen Experimente, wenn es um die Zukunft ganzer Schülergenerationen geht.
Wir wollen Vielfalt und Wahlfreiheit ermöglichen. Nach unserer gemeinsamen Überzeugung ist diese Vielfalt letztlich nur in einem vielfältigen Schulsystem möglich. Meine Damen und Herren, der Zwang zur Einheitsschule führt nicht zu besserer Bildung, sondern setzt die gescheiterte Bevormundung fort.
In einem vielfältigen Schulsystem darf es keine Sackgassen bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geben. Wir wollen deshalb die Durchlässigkeit des Schulwesens weiter erhöhen.
Wir haben in Hessen die Schulpolitik entscheidend vorangebracht. Unterrichtsausfall, eine über Jahrzehnte bestimmende Geißel der hessischen Schulpolitik, haben wir praktisch abgeschafft. Meine Damen und Herren, das ist ein riesiger Erfolg.
Die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen zur neuen Mittelstufenschule wird sowohl den Hauptschülern als auch den Realschülern durch begabungsgerechte Differenzierungen bessere Zukunftschancen eröffnen.
Wir haben auch die Ganztagsbetreuung kontinuierlich ausgebaut.Wir werden diesen Kurs ebenso fortsetzen wie unsere Bemühungen, die Klassengrößen weiter zu verkleinern.
Nach den vielen Tausenden zusätzlichen neuen Lehrerstellen, die wir in den letzten Jahren kontinuierlich geschaffen haben, werden wir auch im kommenden Schuljahr 500 Lehrerstellen zusätzlich bereitstellen.Wir stehen zu dieser Verpflichtung, den Schülerinnen und Schülern bestmögliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, Schulfrieden bedeutet keineswegs Stillstand.Wir sind offen für neue Wege.Aber dabei
müssen Augenmaß und Umsicht gewahrt bleiben. Wir sind bereit, z. B. mit der selbstständigen Schule den Schulen mehr Freiräume und mehr Selbstständigkeit einzuräumen. Dabei müssen sich diese Elemente aber von unten her entwickeln und bewähren,statt von oben verordnet zu werden.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da muss man aber auch loslassen können! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Ich weiß nicht, ob Sie alle Kabinettvorlagen im letzten Jahr gelesen haben!)
Seien Sie sicher: loslassen dort, wo es Sinn macht. Aber ich wäre dankbar und froh, wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass „alle unter einem Dach“ – das war bisher Ihre bildungspolitische Grundvorstellung – vielleicht nicht die richtige Antwort auf eine hoch differenzierte Gesellschaft ist. Die Menschen sind unterschiedlich.
Meine Damen und Herren, wir haben Vertrauen in die verantwortlichen Akteure vor Ort, und – das ist mir besonders wichtig – wir brauchen die Unterstützung engagierter Lehrerinnen und Lehrer. Engagierte Lehrer sind für eine geglückte Ausbildung der Kinder aus meiner Sicht um ein Vielfaches wichtiger als jede Debatte um Schulstrukturen.
Deshalb will ich ganz bewusst die Gelegenheit dieser Regierungserklärung einmal nutzen, um den Lehrerinnen und Lehrern in Hessen für ihre Arbeit Danke zu sagen.
Engagierter Lehrer kann man nicht sein, indem man das als Job begreift. Das, was wir ihnen anvertrauen, ist das Wichtigste, was wir haben: unsere Kinder und die Zukunft, von ihnen, aber auch von uns. Die Erfüllung dieser verantwortungsvollen Aufgabe soll für die Lehrer zukünftig noch besser möglich werden. Dem dient unter anderem auch eine bessere Lehrerausbildung, die wir durch das neue Hessische Lehrerbildungsgesetz anstreben.
Meine Damen und Herren, entscheidender als alle Gesetze aber ist, dass wir die Schulen einmal in Ruhe arbeiten lassen.
Lassen Sie uns den ideologischen Streit begraben. Geben Sie den Schulen die Ruhe, sich vernünftig um das zu kümmern, was im Mittelpunkt steht: vom Kind her denken, von den Schülerinnen und Schülern her denken und weniger Ideologie, aber dafür Unterstützung für die großen Aufgaben.
Ich erinnere an die Aufgabe der Integration und an das, was durch den demografischen Wandel auf uns zukommt. Das wird die Schulen und alle, die in der Schulgemeinschaft sind, noch ganz gewaltig fordern. Sie brauchen keine Ideologie. Sie brauchen tatkräftige Hilfe. Die wollen wir geben.
Meine Damen, meine Herren, ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit gilt unserer Heimat. Heimat ist ein Ort der Identifikation, der Vertrautheit und auch der Geborgen
heit. Diese Heimat ist uns vertraut. Sie ist uns aber auch anvertraut. Um sich heimisch oder, um es mit einem anderen Wort zu sagen, geborgen zu fühlen, brauchen die Menschen Sicherheit. Dies gilt in vielerlei Hinsicht, von der materiellen Sicherheit bis zur sogenannten inneren Sicherheit. Die Menschen wollen frei sein. Sie wollen aber auch sicher leben. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis der Menschen und eine Grundverpflichtung des Staates. Die bisherige Landesregierung hat deshalb der inneren Sicherheit stets politische Priorität eingeräumt. Auch die von mir geführte Landesregierung wird dies in Zukunft so halten.
Die Erfolge unserer bisherigen Politik sind messbar. Hessen hat heute eine hervorragende Sicherheitsarchitektur und gehört zu den sichersten Ländern Deutschlands. Wir haben die historisch höchste Aufklärungsquote in Hessen und deutlich weniger Straftaten als vor zehn Jahren. Diesen Kurs werden wir fortsetzen. Um dies weiter zu ermöglichen, werden wir auch im kommenden Jahr wieder 550 neue Polizistinnen und Polizisten in den Dienst stellen.
Auch der Verfassungsschutz leistet hervorragende Arbeit. Extremisten aller Couleur haben in Hessen keine Chance. Bei den extremistisch motivierten Gewalttaten steht Hessen seit Jahren im Vergleich mit anderen Bundesländern am allerbesten da. Meine Damen und Herren, es muss unser gemeinsames Anliegen sein, alles zu tun, dass das so bleibt.
Eine zukunftsweisende Sicherheitsarchitektur, eine moderne Technik sind wichtig. Entscheidend jedoch sind die Menschen, die sich für unser aller Sicherheit einsetzen. Ich möchte es deshalb bei dieser Regierungserklärung ausdrücklich nicht versäumen, den hessischen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, aber auch den Damen und Herren des Verfassungsschutzes für ihren engagierten Dienst im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger herzlich zu danken.
Meine Damen und Herren, das Bedürfnis nach Heimat umfasst mehr als Sicherheit und materielle Umstände. Der Mensch braucht auch heute eine geistliche Heimat. Religion gehört zum Menschen dazu. Es ist deshalb unsere Pflicht als Staat, die Möglichkeit zur religiösen Selbstentfaltung in unserer Gesellschaft zu garantieren. Es ist eine historische Errungenschaft in Deutschland, dass Politik und Religion in unserem Land voneinander getrennt sind. Gleichzeitig gilt aber auch: Die religiösen Gemeinschaften brauchen den toleranten Staat genauso, wie unsere Gesellschaft den Seelsorge- und Sozialdienst der religiösen Gemeinden braucht.