Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal haben die Vertreter der LINKEN die Chance verpasst, sich einfach zu ihrer Vergangenheit zu bekennen, sich abzugrenzen und Unrecht Unrecht zu nennen.
Wir feiern in diesem Jahr den 20. Jahrestag der deutschen Einheit. Es ist eines der glücklichsten Ereignisse unserer Geschichte, dass es den mutigen Menschen in der ehemaligen DDR gelungen ist, die Grenze zwischen beiden Teilen Deutschlands friedlich und ohne Opfer niederzureißen. Gerade die blutige Niederschlagung des Volksaufstands am 17. Juni 1953 muss uns immer wieder mahnen und Erinnerung daran sein, wie glücklich die Einheit in Frieden und Freiheit gewesen ist.
Ausgerechnet an diesem Tag,an dem wir der Opfer des 17. Juni 1953 und des SED-Regimes insgesamt gedenken, die DDR zu entschuldigen – das wurde hier durch den Vertreter der LINKEN noch einmal bestätigt – und nicht als das zu benennen, was sie gewesen ist, nämlich ein Unrechtsstaat, ist unerträglich.
Es ist besonders unerträglich, dass das jemand gesagt hat, die die höchste Repräsentantin unserer Rechts- und Verfassungsordnung werden will, die nämlich das Amt der Bundespräsidentin ausüben will. Es ist entlarvend, weil damit eine Geschichtsklitterung und Rechtsverdrehung betrieben wird, die weder unserer Verantwortung vor der Geschichte noch vor unserer Verfassungsordnung gerecht wird.
In Art. 1 der Verfassung der DDR wurde die DDR hingegen als „sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“ unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei proklamiert. Dem Bekenntnis zum Staatssozialismus und der Herrschaft der SED musste sich alles und mussten sich alle unterordnen: der Staat, die Rechtsordnung, gesellschaftliche Gruppen und Individuen. Was, wenn nicht diese unbeschränkte Macht, kennzeichnet einen Unrechtsstaat?
Das ist keine akademische Debatte. Ich will das sehr konkret machen. Am 30. Oktober 1972 fiel ein achtjähriger türkischer Schüler beim Spielen am Kreuzberger Gröbenufer in die Spree. Er ertrank qualvoll. Ein Feuerwehrlöschboot der DDR und ein Grenzposten der DDR verweigerten die Rettung. Drei weitere Kinder mussten danach noch in ähnlicher Weise in der Spree ertrinken, bis die DDR bereit war, ein Hilfsabkommen abzuschließen. Kennzeichnet so etwas einen Rechtsstaat?
Ich möchte jetzt auf die Ermordung von Michael Gartenschläger zu sprechen kommen. Er versuchte in der Nacht zum 1. Mai 1976, eine der mörderischen Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze abzubauen. Er wollte damit die Unmenschlichkeit und die Propaganda der DDR entlarven. Er wurde von einem Stasioffizier geplant und gezielt erschossen.
Erschossen wurde auch Heinz-Josef Große, der am 29. März 1982 beim Fluchtversuch in Schifflersgrund den Grenzzaun schon überwunden hatte und doch von DDRGrenzposten hinterrücks gestoppt wurde. Kennzeichnet so etwas einen Rechtsstaat?
Wer von Deutschland nach Deutschland wollte, wurde wie ein Hase abgeschossen. Das sagte schon der erste Korrespondent der ARD in Ostberlin Mitte der Siebzigerjahre. Er musste daraufhin die DDR verlassen. Kennzeichnet so etwas einen Rechtsstaat?
Das alles war bis 1989 Realität. Genauso Realität war die Inhaftierung von Kritikern der SED in Hohenschönhausen und in anderen Gefängnissen der Stasi. Die Häftlinge waren der richterlichen Willkür und raffinierten psychologischen Foltermethoden in der Haft ausgesetzt.
Manchen wurden die Kinder weggenommen, wie etwa Jutta Fleck, die 1982 wegen Republikflucht in politische
Meine Damen und Herren, nein, die DDR war ein Unrechtsstaat. Wer dies leugnet, verweigert den Opfern die Anerkennung und die Erinnerung. Er offenbart ein erschreckendes Maß an mangelndem Geschichtsbewusstsein und Rechtsstaatsdenken. Das ist für eine Präsidentschaftskandidatin beschämend. Es ist beschämend für die Partei, die diese Kandidatin unterstützt.
Es sind die Geschichten der Opfer, wie die des Heinz-Josef Große, die das Land Hessen dazu gebracht haben, unsere beiden Grenzmuseen zu unterstützen und nachhaltig die Schülerfahrten in die Gedenkstätten Schifflersgrund, Point Alpha und natürlich auch nach Hohenschönhausen zu fördern.Wer dort einmal in den Isolierzellen gestanden und die Führung durch ehemalige Häftlinge erlebt hat, vergisst das nicht. Dank unserer Initiative fahren viele junge Menschen, hessische Schülerinnen und Schüler, in die ehemalige Haftanstalt Hohenschönhausen und lassen sich von ehemaligen Häftlingen die unmenschlichen Methoden des ehemaligen SED-Regimes erklären.
Es sind die Veröffentlichungen und Zeitzeugengespräche, mit denen wir durch die Landeszentrale für politische Bildung immer wieder an das Leben und das Unrecht in der Diktatur erinnern, und zwar in der Schule, auf Veranstaltungen und in Ausstellungen. Es ist dem Mut und Engagement einer Jutta Fleck zu danken, die für die Freigabe ihrer Kinder gekämpft hat und die jetzt als Leiterin zur politisch-historischen Aufarbeitung der SED-Diktatur eine Anlaufstelle für die Opfer geworden ist und in den Schulen lebendig und eindrucksvoll die Geschichte vermittelt.
Die Hessische Landesregierung engagiert sich für die Aufarbeitung der Geschichte unseres ehemals geteilten Landes. Denn wir wollen aufklären und den Wert unserer freiheitlichen Demokratie und des Rechtsstaats aufzeigen.
Ich will in dieser Debatte deutlich sagen: Wir stehen an der Seite der Opfer. Wir entschuldigen nicht die Täter. Das unterscheidet uns grundlegend von den LINKEN, der Nachfolgepartei von SED und PDS.
Meine Damen und Herren, ich will deutlich die Erwartung formulieren, die wir mit der Person des Bundespräsidenten verknüpfen, gerade auch aus der leidvollen Erfahrung unserer Geschichte. Der Bundespräsident ist der höchste Repräsentant unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Er steht für die Grundwerte unserer Verfassungs- und Gesellschaftsordnung, für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit und parlamentarischen Demokratie, für die Grundüberzeugung, dass der Einzelne und seine Würde unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen und keine Ideologie oder Partei jemals rechtfertigen darf, ihn zum Objekt staatlicher Willkür zu machen. Er steht für unsere Verantwortung vor der Ge
schichte und Zukunft, für die Verteidigung und Wahrung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Es sind dieses Leitbild und Engagement, dieses Werte- und Geschichtsbewusstsein, die einen guten Bundespräsidenten kennzeichnen.
Das sind die Werte, denen sich auch die Hessische Landesregierung zutiefst verpflichtet fühlt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Neo-Kommunisten betreiben mit Demonstration in Point Alpha unerträgliche Geschichtsklitterung und verhöhnen die Opfer des 17. Juni 1953) – Drucks. 18/2561 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Demonstration von NeoKommunisten bei Point Alpha anlässlich der Verleihung des Point-Alpha-Preises an Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 57. Jahrestag des Aufstands gegen das SEDRegime – Drucks. 18/2575 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Verleihung des Point-Alpha-Preises an Altbundeskanzler Helmut Schmidt – Drucks. 18/2580 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Donnerstag, heute vor einer Woche, am 17. Juni, wurde Altbundeskanzler Helmut Schmidt der Point-Alpha-Preis für seine Standhaftigkeit bei der Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses verliehen.
Diese Ehrung hat die Fraktion DIE LINKE zum Anlass genommen, gemeinsam mit ihren kommunistischen Schwestern und Brüdern der LINKEN in Thüringen eine Gegenveranstaltung bei Point Alpha zu organisieren und dort Helmut Schmidt – wörtliches Zitat – ein „gefährliches Drehen an der Aufrüstungsspirale“ vorzuwerfen und ihn als „kalten Krieger“ zu verunglimpfen.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit der heutigen Aktuellen Stunde der Aktion der LINKEN entschieden widersprechen.
Wir dulden keinen Versuch,die Geschichte im Sinne einer Ideologie umzuschreiben. Wie war damals die Lage? – Die Sowjetunion und der Warschauer Pakt hatten SS-20Mittelstreckenraketen mit mobilen Abschussrampen installiert und auf Westeuropa gerichtet. Dem hatte Westeuropa nichts entgegenzusetzen und war deshalb erpressbar geworden. Bundeskanzler Helmut Schmidt forderte, diese sowjetischen Mittelstreckenraketen abzurüsten.
Nachdem die Sowjetunion dieses ablehnte,setzte Schmidt in der NATO den sogenannten Doppelbeschluss durch, der zwei Teile hatte. Er bot erstens dem Warschauer Pakt Verhandlungen über eine beiderseitige Begrenzung der Mittelstreckenraketen an. Für den Fall des Scheiterns solcher Verhandlungen – das war der zweite Teil – kündigte er die Aufstellung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa an, der sogenannten Pershing II. Die Sowjetunion lehnte solche Verhandlungen ab und stellte als Antwort umgehend zusätzliche Atomraketen in der DDR auf.
Meine Damen und Herren, die Friedensbewegung machte in Westdeutschland massiv mobil und schürte in der Bevölkerung Ängste vor amerikanischen Mittelstreckenraketen. Heute vor einer Woche hat zu diesem Sachverhalt der Sozialdemokrat Prof. Schröder, der die Laudatio auf Helmut Schmidt hielt, Folgendes wörtlich gesagt:
Angst, sondern allein die amerikanischen Mittelstreckenwaffen, die erst noch aufgestellt werden sollten.