Meine Damen und Herren, ich begrüße, dass gestern alle Hochschulpräsidenten den Pakt unterschrieben haben. Dass am Ende harter, aber fairer Verhandlungen keiner der Hochschulpräsidenten seine Maximalposition durchsetzen konnte, liegt im Wesen von Verhandlungen. Dass alle – im Übrigen zumeist mit Rückendeckung ihrer Gremien – unterschrieben haben, zeigt aber, dass jeder am Ende mehr Vorteile als Nachteile von dem Pakt erwartet. Es zeigt, wie hoch die finanzielle Sicherheit eingeschätzt wird, die wir nun den hessischen Hochschulen bieten.
Meine Damen und Herren, ich verstehe, dass eine Opposition aus ihrem Rollenverständnis heraus das Haar in der Suppe sucht.
Aber machen Sie bitte nicht mit den Märchen vom angeblichen Bildungskahlschlag unseren Standort schlecht, Herr Grumbach.
Herr Grumbach, Frau Sorge, was wäre, wenn die Menschen Ihr Märchen tatsächlich glaubten und Hessen als Standort den Rücken kehrten? Dann würde Hessen tatsächlich Schaden nehmen – trotz aller finanziellen Anstrengungen, die wir unternehmen.
Wir alle, sowohl die Mitglieder der Hochschulen als auch die Fraktionen in diesem Hause, haben eine Verantwortung für den Hochschulstandort Hessen. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr.
Danke sehr,Herr Dr.Büger.– Frau Wissler,ich darf Ihnen das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteilen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Keine 48 Stunden nach Schließung der Wahllokale in NordrheinWestfalen hat der Ministerpräsident sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, wo seiner Meinung nach in Zukunft gespart werden soll: in erster Linie bei der Bildung – und das,Herr Ministerpräsident,auch noch im Namen der Generationengerechtigkeit.Absurder geht es doch kaum.
Der „Spiegel“ hat Ihre Pläne, wie ich finde, treffend kommentiert, indem er geschrieben hat, sie würden zu einem „kulturellen und ökonomischen Siechtum“ führen, kämen einer „Kriegserklärung an die Jugend und an die Zukunft des Landes“ sehr nahe und würden „den Gegenwartsegoismus auf die Spitze treiben“. Damit qualifiziere
Herr Ministerpräsident, Sie erklären: „Wir leben dramatisch über unsere Verhältnisse.“ Das mag vielleicht für Sie und für manch anderen auch stimmen, aber für die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen stimmt das ganz sicher nicht.
Denn nur 10 % der Bevölkerung verfügen über zwei Drittel des Vermögens.Ich würde gerne einmal darüber reden, welchen Anteil diese 10 % an den Kosten dieser Krise bezahlen können.Wenn es aber um Ihre Klientel geht, dann halten die Denkverbote, die Sie beim Sparen beklagen, bei Ihnen offensichtlich weiter an.
Sie wollen jetzt in Hessen die „Operation keine Zukunft“ einläuten, denn jetzt wird deutlich, wo jenes Geld eingespart wird, das Ihre Parteifreunde in Berlin reichen Hoteliers, reichen Erben in den Rachen geworfen haben, nämlich an den Hochschulen.
Der neue Hochschulpakt sieht Kürzungen in Höhe von 30 Millionen c vor. Etwa so viel kostet Hessen allein die Beschenkung der Hoteliers jährlich. Diese 30 Millionen c wollen Sie jetzt an den öffentlichen Hochschulen einsparen – trotz aller Lippenbekenntnisse vom Bildungsland Nummer eins und trotz aller Sonntagsreden, wie wichtig denn die Bildung, die Forschung und die Lehre seien.
Frau Ministerin, wenn Sie das auch noch „Solidarpakt“ nennen, dann frage ich Sie: Solidarität mit wem denn, bitte? Solidarität mit den Hotelbesitzern, oder mit wem sollen die Hochschulen denn da, bitte, solidarisch sein?
Bereits jetzt liegt Hessen bei den Ausgaben für Bildung weit hinten.Trotzdem wollen Sie mit diesem Pakt jetzt die öffentlichen Hochschulen weiter kaputtsparen. Meine Damen und Herren, mehr als 10.000 Menschen haben am Dienstag letzter Woche anlässlich der geplanten Unterzeichnung des Paktes gegen dieses Spardiktat demonstriert. Das war mehr als eine Studierendenbewegung. Es waren Hochschulpräsidien, ganze Senate, Professoren, Personalräte und Tausende von Studierenden und Schülern, die vor das Ministerium gezogen sind.
Die Ministerin aber hat es vorgezogen, für die Verhandlungen über den Hochschulpakt den Schutz dicker Klostermauern zu suchen, aus Angst, erneut Zeugin studentischen Protests zu werden. Sie flüchtete ins Kloster Eberbach. Trotzdem war das Wissenschaftsministerium großräumig durch die Polizei abgeriegelt. Bürgernähe strahlt die Ministerin in letzter Zeit nicht aus.
Meine Damen und Herren, vorige Woche haben vier Hochschulpräsidenten erklärt, diesen Pakt nicht unterzeichnen zu wollen.
Auch wenn gestern der Pakt von allen unterzeichnet wurde, haben acht von zwölf Hochschulpräsidenten in einer Protokollnotiz zum Ausdruck gebracht, dass sie das nicht aus Überzeugung tun, sondern nur aufgrund des Drucks, den die Ministerin ausgeübt hat. Von Freiwilligkeit und offenen Verhandlungen kann überhaupt keine Rede sein.
Mit der Androhung weiterer Mittelkürzungen hat die Landesregierung die Unterschriften der Präsidenten erpresst. Meine Damen und Herren, das ist Politik nach Gutsherrenart.Sie diktieren den Hochschulen einen Pakt, und wenn die ihn ablehnen, drohen Sie ihnen.
Frau Ministerin, wer den Hochschulen ein solches Spardiktat aufzwingt und die Präsidien so massiv unter Druck setzt, der sollte in Zukunft nicht mehr von der Autonomie der Hochschulen sprechen.
Frau Ministerin, so weit, so schlecht. Nachdem Sie die Hochschulpräsidenten öffentlich gedemütigt hatten, präsentierten Sie den Pakt gestern auch noch – ich muss das ablesen, weil es so absurd ist – als „Sicherheitsnetz für Hochschulen in schwierigen Zeiten“ der Öffentlichkeit. Das ist wirklich blanker Zynismus.
Der Pakt gibt in der Tat die Sicherheit, dass die Qualität der Ausbildung in den nächsten Jahren massiv sinken wird, dass mit Entlassungen zu rechnen ist. Dieser Pakt bedeutet eine existenzielle Gefährdung von Forschung und Lehre in Hessen.
Die Landesregierung ignoriert die Bedenken der Präsidenten. Ihr Umgangsstil mit den Präsidenten, die Sie als „Partner“ bezeichnen, ist ungeheuerlich. Frau Ministerin, wenn Sie das unter Partnerschaft verstehen, dann sollte man Ihnen besser aus dem Weg gehen.
In den letzten Wochen haben Sie systematisch falsche Behauptungen in die Welt gesetzt, um die Glaubwürdigkeit der Hochschulen zu untergraben. Sie haben behauptet, die Hochschulen würden den Pakt nicht einhalten. Sie haben behauptet, mit einem Minus von „nur“ 2,2 % seien die Hochschulen privilegiert. Die CDU hat in Person von Herrn Reißer erklärt: Offensichtlich haben die Hochschulpräsidenten nicht den Mut zur Verantwortung oder die Kreativität, mit den Senaten gemeinsam Einsparmöglichkeiten zu erörtern.
Meine Damen und Herren, das ist der völlig unzulässige Versuch, jetzt die Verantwortung auf die Präsidenten abzuschieben. Die Hochschulpräsidenten haben Mut bewiesen, als sie den Pakt öffentlich kritisiert haben und dagegen auf die Straße gegangen sind.
Herr Reißer, wenn Sie dann noch erklären, viele Abteilungen in Großunternehmen würden dankbar zugreifen, wenn man diese „maßvolle Absenkung und die gleichzeitige Garantie des Budgets über fünf Jahre“ zusichern würde, kann man Ihnen nur sagen: Lieber Herr Reißer, ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das fünf Jahre hintereinander 2,2 % Verlust macht, geht pleite. 150 Millionen c weniger sind alles andere als ein faires Angebot – das ist eine Zumutung. Sie haben dort ein Sparpaket aufgelegt.
Die Ministerin schlägt vor, bei der Verwaltung zu sparen. Was sagen Sie denn damit? Sie sagen damit, die Beschäftigten arbeiten ineffizient.
Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Landesregierung verschweigt, dass die Hochschulen bei sinkenden Mitteln zusätzliche Aufgaben bewältigen müssen: die Anzahl der Studienplätze erhöhen, neue Studiengänge einrichten, die Studienorientierung verbessern, die Abbrecherquote senken,die Bologna-Reform fortsetzen.Es war auch die Landesregierung, die mit dem Projekt „Mehr Bürokratie wagen“ die Hochschulen gegen deren Willen verpflichtet hat, Auswahlgespräche und Studierfähigkeitstests durchzuführen. Das alles geschieht auf dem Rücken der Beschäftigten an den Hochschulen. Schon heute sind die Aufgaben dort kaum zu leisten, mit dramatisch sinkenden Mitteln aber werden sie erst recht nicht mehr zu leisten sein.
Ab dem Jahr 2012 kommen wegen der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit die sogenannten Doppeljahrgänge. Das wissen Sie seit Jahren. Getan haben Sie nichts. Schon jetzt sind die Hochschulen chronisch unterfinanziert. Beispielsweise erhält die Hochschule Rhein-Main derzeit für 43 % ihrer Studierenden keine Mittel.