Protocol of the Session on April 29, 2010

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das, was von 1933 bis 1945 passiert ist, war die systematische Vernichtung von Menschen, weil sie eine andere politische Einstellung,eine andere Hautfarbe hatten,weil sie einer anderen Rasse oder einer anderen Kirche angehörten. Das ist nicht vergleichbar mit Dingen, die jetzt passiert sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Herr Kollege Beuth, hören Sie auf mit dieser Gleichsetzung. Sie ist falsch. Man könnte ja sagen, man hat aus der Geschichte etwas gelernt.Dann müssen wir aber alles tun, damit sich diese rechtsextremistischen Ansichten nicht weiter ausbreiten. Ich teile weiß Gott nicht alles, was die LINKEN gesagt haben; aber sie haben hier einen schlimmen Vorgang zur Sprache gebracht und heute Morgen auch nichts Falsches gesagt. Deshalb sollte man das ruhig einmal anerkennen. Wir müssen von diesen Reflexen wegkommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bedarf enormer zivilgesellschaftlicher Anstrengungen, damit diese Saat nicht aufgeht. Das ist der entscheidende Punkt. Deshalb bin ich all den vielen dankbar, die daran mitarbeiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Gerhard Schröder hat es vor vielen Jahren einmal so formuliert: „der Aufstand der Anständigen“. – Je mehr sich rechtzeitig engagieren, desto schwieriger wird es für diese Rattenfänger, sich zu organisieren und wieder Unglück über unser Land und viele andere Länder zu bringen. Auch ich weiß sehr wohl, wer am 8. Mai und davor Deutschland befreit hat. Ja, es waren auch amerikanische Soldaten, die gefallen sind und verwundet wurden. Deshalb respektieren wir das und wissen, was wir den amerikanischen Soldaten und dem amerikanischen Volk zu verdanken haben. Das haben wir immer sehr deutlich gesagt. Auch das gehört zum 8. Mai.

(Beifall bei der SPD)

Herr Beuth, dass rechtsextremes Gedankengut in dieser Gesellschaft durchaus verankert ist,will ich an zwei Fällen deutlich machen. Der Landtagsabgeordnete Irmer hat einmal in jungen Jahren als JU-Vorsitzender in einem offenen Brief Freiheit für Rudolf Heß gefordert. Dazu kann

man sagen: Das war eine Jugendsünde, man kann dazulernen. – Herr Innenminister Bouffier, der gleiche Herr Irmer hat aber vor der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Dresdensia-Rugia vor einigen Jahren Vorträge gehalten. Es gibt also rechtsextremes Gedankengut in der Gesellschaft. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich finde es gut, dass vor einigen Wochen in Wetzlar aufgrund eines schrecklichen Brandanschlags eine Demonstration stattgefunden hat, auf der FDP-Oberbürgermeister Dette vorangegangen ist und als einer der Hauptredner unter dem Motto „Zeichen setzen“ zum gesellschaftlichen Widerstand aufgefordert hat. Das ist das richtige Signal.Ich wünsche mir,dass am 8.Mai 2010 in Wiesbaden ganz viele Menschen aus unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung und der politischen Landschaft gegen die Neonazis auftreten. Da können und müssen auch die Parteien dabei sein. Deswegen ist diese Debatte notwendig und richtig. Das muss ein Zeichen von Demokraten gegen Leute sein, die unsere demokratische Grundordnung kaputt machen wollen.Dazu brauchen wir alle;wir brauchen aber kein parteipolitisches Gezänk.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Minister Bouffier hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wenn die geistigen Erben der Nazis, die für die größte Katastrophe unseres Landes verantwortlich waren, ausgerechnet am 8. Mai gegen die Amerikaner demonstrieren, erkläre ich für die Landesregierung, dass wir ein solches Verhalten für schändlich halten und es ausdrücklich missbilligen.

(Allgemeiner Beifall)

Ein solches Verhalten ist aus unserer Sicht zu missbilligen, aber es ist im Rechtsstaat zulässig. Das hohe Gut der Demonstrationsfreiheit ist im Rahmen des Demonstrationsrechts durch die Polizei im Vollzug zu schützen, und zwar ungeachtet der angenehmen, unangenehmen oder gar perfiden Zwecksetzungen, die die jeweiligen Demonstranten im Auge haben. Für die Polizei ist das mehr als unangenehm, da sie dann relativ häufig am Pranger steht und ihr der Vorwurf gemacht wird, man habe diese oder jene Extremisten geschützt. Deshalb ist es mir wichtig, hier deutlich zu machen, dass wir das Demonstrationsrecht nach den Vorgaben schützen, die in aller Regel durch die Gerichte sehr intensiv begleitet werden.

Ich finde es gut, dass sich in dieser Stadt ein breites Bündnis organisiert hat, um Gesicht und Flagge zu zeigen. Wir gehen bei unseren Vorbereitungen davon aus, dass an der Demonstration der jungen Nationaldemokraten, die bundesweit beworben wird, maximal 300 Teilnehmer teilnehmen werden. Für die Gegendemonstration sind 5.000 Menschen angemeldet. Das ist nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Unterschied. Das ist gut so. Ich möchte darauf hinweisen, dass eine solche gemeinsame Aktion besonders dann eine gute Wirkung entfaltet,

wenn man sich klar von allen Gewalttätern distanziert, egal von welcher Seite.

Wir wissen aufgrund unserer Aufklärung, dass sich auch bei diesem Demonstrationszug 250 bis 300 sogenannte Autonome untermischen wollen. Diese Autonomen suchen nicht die Auseinandersetzung, die im demokratischen Verfassungsstaat zulässig ist,sondern sie suchen den Krawall. Krawall werden wir nicht zulassen. Ich hoffe inständig,dass es gelingt,dass sich alle Demokraten klar distanzieren, einen deutlichen Strich ziehen zwischen denen, die in richtiger und erwünschter Weise ihr Gesicht zeigen, und denen, die Gewalt und Krawall vollführen – nach den Erkenntnissen, die wir haben, mittlerweile fast egal, bei welchem Anlass. Weil diese Gruppen schon heute im Internet verbreiten, es sei eine Provokation dieser Truppen, wenn die Polizei stark vertreten sei, will ich deutlich und öffentlich sagen: Wir werden mit ausreichend vielen Kräften da sein, und wir werden uns nicht einschüchtern lassen.

(Allgemeiner Beifall)

Der Rechtsstaat entfaltet seine größte Kraft immer dann, wenn er Gewalt und Extremismus, egal, wo sie herkommen, klar die Grenzen aufzeigt.

Meine Damen und Herren, wir haben uns vorhin, in der vorherigen Aktuellen Stunde, insbesondere auch mit dem Verhalten der Linkspartei beschäftigt. Ich stehe nicht an, zu erklären, dass das Thema, um das es heute hier geht, kein nachzulassendes und gar falsches ist, nur weil es die Linkspartei auf die Tagesordnung gesetzt hat. So kann das nicht laufen. Wer für sich in Anspruch nimmt, glaubwürdig zu sein, der wird daran zu messen sein, wie er insbesondere die Grenzlinie zwischen Demonstrationsrecht und exzessiver Gewalt zieht.

Werte Abgeordnete der Linkspartei, ich füge aber hinzu: Ihre Sorgen um die Entwicklung und insbesondere um den Kampf gegen rechtsextremistisches Gedankengut wären glaubwürdiger, wenn Sie selbst nicht immer wieder Anlass zu Zweifeln gäben, da Sie je nach taktischer Lage das, was einer gemacht hat, für in Ordnung oder nicht für in Ordnung halten.

Ich weiß nicht, ob es jedem im Plenum bekannt ist: In Sachsen gibt es ein hoch engagiertes, einflussreiches Mitglied der Partei DIE LINKE, das früher Mitglied des Bundesvorstands der NPD war. Dieser Mensch, Herr Janik, war im Bundesvorstand der NPD. Er ist 2000 aus der NPD ausgetreten.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Deswegen haben wir Aussteigerprogramme!)

Herr Dr. Wilken, Sie sind der Landesvorsitzende der hiesigen LINKEN. Ihr Kollege Rico Gebhardt in Sachsen hat auf die Frage, wie es denn eigentlich sein könne, dass so einer insbesondere im Raum Zittau der führende Mann sei, und auf die Anmerkung, dass sich die Linkspartei, die doch keinen Tag vergehen lässt, ohne auf die Gefahr des Rechtsextremismus hinzuweisen, zumindest einmal damit auseinandersetzen müsste, dass ein ehemaliges Mitglied des Bundesvorstands der NPD bei ihr Verantwortung trägt, geantwortet – ich zitiere –: Das ist eine uralte Geschichte. Lassen Sie uns doch mit solchen Kamellen in Frieden. – Ende des Zitats.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Es ist wirklich so: Deswegen gibt es Aussteigerprogramme!)

Wenn wir vom Kampf gegen Extremismus reden und die Köpfe erreichen wollen – was wir müssen; wir müssen insbesondere Menschen erreichen, die Gefahr laufen, sich für solche Entwicklungen zu interessieren –, ist es eine Grundbedingung,dass wir selbst glaubwürdig sind.Das ist bei Ihnen nicht der Fall. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 51, abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 52 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Wort halten bei der Finanzierung der Kinderbe- treuung in Hessen) – Drucks.18/2263 –

Ich erteile das Wort dem Abg. Merz für die Fraktion der SPD.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Unser Wort gilt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde ist über einen Totalschaden für die familienpolitische Glaubwürdigkeit der Hessischen Landesregierung, der sie tragenden Fraktionen und insbesondere des Familienministers zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Es ist zu reden über einen klaren, unzweideutigen Wortbruch gegenüber den Kommunen und den freien Trägern von Kindertagesstätten, was die Finanzierung der Kosten für die Verbesserung der Personalausstattung in unseren hessischen Kindertagesstätten betrifft. Die Landesregierung und insbesondere der Familienminister waren in dieser Frage allen Trägern von Kindertagesstätten gegenüber im Wort. Man muss heute sagen, dass dieses Wort für viele der betroffenen Kommunen und freie Träger keinen roten Heller wert war.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehören nicht nur die großen Städte und die Kommunen im Ballungsraum, sondern auch und gerade viele Kommunen im ländlichen Raum, die sich in der Vergangenheit ebenfalls nach Kräften bemüht haben, im Interesse unserer Kinder die Qualität der Arbeit in ihren Einrichtungen zu steigern.

(Beifall bei der SPD)

Die Parole von der Konnexität wurde im letzten Jahr – zu Recht – in voller Kenntnis der dramatischen Haushaltslage ausgegeben. Die Konnexität wurde unzweideutig auch denen garantiert, die sich bereits seit Längerem engagieren.Auch das war und ist zwingend.

Es ist empörend, wenn jetzt so getan wird, als hätten sich diese Kommunen gewissermaßen einen Luxus geleistet. Diese Kommunen haben schon früher als das Land die zwingende Notwendigkeit einer Verbesserung der Personalsituation in den Kitas erkannt. Sie haben aus freien Stücken, aber aus zwingenden Sachgründen gehandelt. Sie haben deshalb einen Anspruch auf Gleichbehandlung

mit denen,die jetzt erst durch die Landesverordnung dazu gezwungen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben auch deshalb einen Anspruch darauf, weil sie nach dem 01.09.2009 gar nicht mehr aus freien Stücken zu dem alten Zustand zurückgekonnt hätten. Diesen Weg versperrt die Verordnung.

Es ist deshalb sachwidrig und meiner Meinung nach auch rechtswidrig, wenn wir zukünftig zwei Klassen von Kommunen und von Trägern haben. Den einen wird das Land die Mehrkosten bezahlen,den anderen aber nicht,obwohl die Verordnung in ihrer majestätischen Gleichheit für alle gilt.

Herr Minister,Sie und auch die Kolleginnen und Kollegen haben im letzten Jahr völlig zu Recht keinen Unterschied in der Anwendung der Konnexität gesehen. Deswegen sind die Versuche, dies jetzt nachträglich zu rechtfertigen, nichts anderes als durchsichtige Ablenkungsmanöver.

(Beifall bei der SPD)

Ein Ablenkungsmanöver ist es auch, wenn der Minister, jetzt immerhin seine politische Niederlage zugebend, davon spricht, man habe nicht alles erreicht, was man angestrebt habe. Fakt ist, ein gebrochenes Wort bleibt ein gebrochenes Wort. Eine sach- und rechtswidrige Ungleichbehandlung bleibt eine Ungleichbehandlung. Konnexität ist in Zukunft nur ein Wort, und das ist nicht hinnehmbar.