Wenn sich ein Mitglied des Hessischen Landtags in dieser Weise über eine Bevölkerungsgruppe äußert – Musliminnen und Muslime sind eine große Bevölkerungsgruppe in diesem Lande –, dann kann das in der Tat nicht so stehen bleiben, dann müssen wir hier im Landtag von der Tagesordnung abweichen. Wir können nicht einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen, sondern wir müssen darüber reden.Wir müssen insbesondere deshalb darüber reden, weil es um Wetzlar geht, weil wir in Wetzlar ein Problem mit rechter Gewalt und mit Brandanschlägen haben. Deshalb finde ich es ganz entscheidend,dass wir jetzt,hier und heute darüber reden.
Deswegen unterstützen wir als Fraktion DIE LINKE den Antrag der SPD, die Debatte über die Kopfpauschale in
das nächste Plenum zu schieben. Auch wir haben einen Antrag gestellt, der bei diesem Tagesordnungspunkt zu behandeln ist.Ich denke,es ist ganz entscheidend,dass wir jetzt nicht aus formalen Gründen an der Tagesordnung hängen bleiben, sondern ein klares Zeichen setzen, dass dieser Landtag Rassismus in seinen Reihen nicht duldet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich mit dem Gegenstand des Antrags inhaltlich nicht auseinandersetzen, wie es viele Vorredner getan haben, sondern im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte bleiben.
Wir haben als FDP-Fraktion einen Vorschlag gemacht, wie wir im Rahmen dieses Plenums – wir sollen und müssen das Plenum an den drei Tagen als eine Einheit behandeln – mit dieser Fragestellung umgehen können und wollen.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch absurd! – Hermann Schaus (DIE LINKE): „Das Plenum als Einheit“, was ist damit gemeint?)
Es gibt überhaupt keinen Grund, diese Debatte zu scheuen. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, wie wir dazu kommen, den Antrag noch in diesem Plenum zu behandeln. Dazu steht meine Fraktion auch weiterhin. Alle anderen Fraktionen sind herzlich eingeladen, sich diesem von uns bereits unterbreiteten Vorschlag anzuschließen.
Jetzt sind wir am Ende der Geschäftsordnungsdebatte. – Wir haben uns im Präsidium abgestimmt und sind der Meinung, dass es jetzt zulässig ist – weil wir am Ende der Debatte zur Geschäftsordnung sind –,dass der Kollege Irmer nach § 81 eine persönliche Bemerkung abgeben kann.
Ich weise noch einmal auf Folgendes hin: „Persönliche Bemerkungen sind erst nach Schluss der Beratung eines Gegenstandes oder im Falle der Vertagung am Schluss der Sitzung, jedoch vor der Abstimmung, zulässig“.
Meine Damen und Herren, streiten Sie doch nicht mit mir. Das Präsidium hat entschieden. Wenn Sie etwas gegen mich haben, dann müssen Sie eine Sitzung des Ältestenrates beantragen. Dann können Sie sich mit mir auseinandersetzen.
Ich fahre fort: „Die persönlichen Bemerkungen dürfen die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten.... Das Mitglied des Landtags darf nur Angriffe auf die eigene Person zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen.“ – Das ist der Wortlaut des § 81 unserer Geschäftsordnung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss einräumen, dass ich hier einen großen Fehler gemacht habe. Die Formulierungen sind über das Ziel hinausgegangen. Ich nehme sie deshalb mit dem Ausdruck größten Bedauerns zurück. Es war nicht mein Anliegen, in irgendeiner Form pauschal irgendeine Weltreligion zu diskreditieren. Ich bedauere sehr, dass dieser Eindruck durch diese Formulierungen, die falsch waren,entstanden ist,und ich entschuldige mich dafür.
Sie haben den Antrag gestellt, dass der Punkt sofort behandelt wird. Sie bleiben bei diesem Antrag, auch nach der Erklärung von Herrn Irmer? – Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, dass wir diesen Punkt jetzt behandeln, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Der Antrag ist mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt. Damit ist die Sache erledigt.
Herr Präsident, ich bitte Sie, den Fraktionen die Gelegenheit zu einer Fraktionssitzung zu geben. Wir bitten um eine 15-minütige Unterbrechung des Plenums.
Wenn eine Fraktion um eine 15-minütige Unterbrechung bittet,ist es üblich,dass wir diesem Wunsch stattgeben.Ich unterbreche die Sitzung für 15 Minuten. Wir treffen uns um 16:35 Uhr wieder.
Offensichtlich gibt es eine übereinstimmende Meinung, dass wir den betreffenden Punkt jetzt direkt behandeln werden, mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.
Trotzdem möchte ich förmlich über diesen Antrag abstimmen lassen: dass wir die Tagesordnung ändern und jetzt dieser Punkt behandelt wird.Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das war einstimmig. Damit ist die Tagesordnung jetzt geändert, und der Tagesordnungspunkt 72 kann behandelt werden.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Es ist gut,dass wir als Hessischer Landtag jetzt über dieses Thema diskutieren. Es ist auch angekündigt, dass es noch einen weiteren Antrag dazu von den Kolleginnen und Kollegen der
CDU geben wird. Es ist gut, dass dieser Hessische Landtag heute hier debattiert und heute hier ein Zeichen dafür setzen wird, dass er diese Äußerungen, wie sie heute in der „Wetzlarer Neuen Zeitung“ gemacht wurden, nicht teilt und auf das Schärfste zurückweist.
Es ist auch gut, dass Kollege Irmer hier das Wort ergriffen und sich für diese unglaublichen Entgleisungen entschuldigt hat.
Herr Kollege Irmer, das wird dadurch endgültige Glaubwürdigkeit erlangen, wenn Sie endlich aufhören, solche Äußerungen zu machen.
Leider war es nicht das erste Mal, dass Sie solche Äußerungen getan haben. Leider war es nicht das erste Mal, dass Sie im Trüben fischen.
Wenn die CDU-Fraktion heute zum ersten Mal die Kraft hat, das auch zu missbilligen, dann begrüßen wir das ausdrücklich. Dann sind wir in der demokratischen Kultur dieses Hessischen Landtags ein gutes Stück weiter.
Mit Ihren Äußerungen, für die Sie sich jetzt entschuldigt haben, aber auch mit Ihren Äußerungen in der Vergangenheit, für die Sie sich bislang nicht entschuldigt haben, fischen Sie immer wieder im Trüben – oder Sie versuchen immer wieder, im Trüben zu fischen.Das kann dieser Hessische Landtag nicht zulassen. Das kann dieser Hessische Landtag nicht unwidersprochen lassen.
Deshalb gilt es heute, dass alle Demokratinnen und Demokraten im Landtag Farbe bekennen und eindeutig klarmachen, was in diesem Hessischen Landtag geht, aber auch ebenso deutlich sagen, was hier nicht mehr geht.
Meine Damen und Herren, die Religionsfreiheit hat in unserem Staat Verfassungsrang. Die Bürgerinnen und Bürger sind frei in ihrer Entscheidung, woran sie glauben und welchen Glauben sie ausleben – selbstverständlich nur, solange sie sich an das Grundgesetz halten.
Diese im Grundgesetz verbriefte Religionsfreiheit darf von keinem Abgeordneten dieses Hessischen Landtags infrage gestellt werden, weil er sich dann nicht mehr auf dem Boden der Verfassung bewegt.
Allen, die sehr lange zugeschaut haben, wie der Abg. Irmer im Trüben gefischt hat, und die hoffentlich jetzt nicht mehr zuschauen werden, wenn er im Trüben fischt, gerade den Kolleginnen und Kollegen von der CDU,die zu Recht die Bedeutung des christlichen Glaubens für viele Menschen in unserem Land und die Bedeutung der Sinnstiftung dieses christlichen Glaubens betonen, denen möchte ich zurufen: Das nehmen die Muslime in unserem Land
für sich und für ihren Glauben auch in Anspruch, und das sollten wir genauso respektieren, wie wir das bei Christinnen und Christen tun.
Deshalb verbieten sich Äußerungen, die eine der großen Weltreligionen diffamieren. Deshalb verbieten sich Äußerungen – ich zitiere –: „Der Islam ist auf die Eroberung der Weltherrschaft fixiert.“ Und ich zitiere nochmals: „Wir brauchen nicht mehr Muslime, sondern weniger.“ – Solche Äußerungen verbieten sich und sollten nicht mehr vorkommen.
Ich betrachte die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause aus allen Fraktionen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren.
Beispielsweise schaue ich Kollegen Müller als den Präsidenten des Landessportbundes an. In den Sportvereinen wird hervorragende Arbeit geleistet, auch eine hervorragende Integrationsarbeit.